Die historisch-kritische Methode – kritisch betrachtet - Kurt Bangert.de
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<strong>historisch</strong>-<strong><strong>kritisch</strong>e</strong>n Umgang auch mit <strong>de</strong>m Alten Testament etwas aufzuhellen. In diesem<br />
Zusammenhang sollte erwähnt wer<strong>de</strong>n, dass die <strong>historisch</strong>e Kritik für das AT noch eine<br />
„Überlieferungsgeschichte“ 4 kennt, die sich mit <strong>de</strong>n mündlichen Traditionen o<strong>de</strong>r Quellen<br />
befasst. Aber schauen wir uns ein paar Beispiele aus <strong>de</strong>m Alten Testament an, bei <strong>de</strong>nen wir<br />
interessante Spannungen feststellen können, die auf unterschiedliche Überlieferungen o<strong>de</strong>r<br />
doch zumin<strong>de</strong>st auf unterschiedliche redaktionelle Bearbeitungen hinweisen.<br />
Ein interessanter Vergleich ist die Gegenüberstellung <strong>de</strong>s (früheren) Textes 2. Samuel 24,1<br />
und <strong>de</strong>s (späteren) Textes von 1. Chronika 21,1:<br />
2. Samuel 24,1: 1. Chronika 21,1:<br />
2. Samuel 24, 1:<br />
Und <strong>de</strong>r Zorn <strong>de</strong>s Herrn entbrannte<br />
abermals gegen Israel, und er reizte David<br />
und sprach: Geh hin, zähle Israel und Juda.<br />
1. Chronika 21, 1:<br />
Und <strong>de</strong>r Satan stellte sich gegen Israel und<br />
reizte David, dass er Israel zählen ließe.<br />
Ein Wi<strong>de</strong>rspruch? Im Buch Samuel ist es Gott, <strong>de</strong>r David zur Volkszählung reizt, im Buch<br />
<strong>de</strong>r Chronik hingegen Satan. Da wir im weiteren Verlauf <strong>de</strong>s Textes noch lernen, dass Gott in<br />
bei<strong>de</strong>n Fällen David für diese Tat bestraft, erscheint die Version mit Satan eigentlich<br />
vernünftiger zu sein. Ist sie <strong>de</strong>shalb aber ursprünglicher? Wohl kaum. Denn darüber besteht<br />
nun allerdings überhaupt kein Zweifel: Das Buch <strong>de</strong>r Chronik ist in seiner uns jetzt<br />
vorliegen<strong>de</strong>n Form sehr viel später in <strong>de</strong>n biblischen Kanon aufgenommen wor<strong>de</strong>n, obwohl<br />
es im Kern zahlreiche Parallelen zum Buch <strong>de</strong>r Könige aufweist. Aber die bei<strong>de</strong>n Chronik-<br />
Bücher stehen im hebräischen Kanon ganz am En<strong>de</strong>, was ein <strong>de</strong>utliches Indiz dafür ist, dass<br />
es erst als letztes alttestamentliches Buch in <strong>de</strong>n hebräischen Kanon aufgenommen wur<strong>de</strong>.<br />
Auch ist wohl auch <strong>de</strong>m Umstand Rechnung zu tragen, dass die vorexilischen Texte <strong>de</strong>r<br />
hebräischen Bibel <strong>de</strong>n Begriff „Satan“ gar nicht kennen, so dass man wahrscheinlich davon<br />
auszugehen hat, dass dieser Begriff erst durch <strong>de</strong>n Kontakt mit <strong>de</strong>n Völkern <strong>de</strong>r babylonischpersischen<br />
Region aufkam, in welche die Ju<strong>de</strong>n im 6. Jahrhun<strong>de</strong>rt v.Chr. entführt wur<strong>de</strong>n.<br />
Vor allem wäre hier <strong>de</strong>r Einfluss <strong>de</strong>s Zoroastrismus zu nennen, jener Lehre Zarathustras, die<br />
von einem ein<strong>de</strong>utigen Dualismus zwischen einem guten Gott und einem bösen Teufel<br />
ausgeht, die seit Anbeginn <strong>de</strong>r Welt als Zwillinge nebeneinan<strong>de</strong>r um Einfluss bei <strong>de</strong>n<br />
Menschen wetteifern.<br />
Natürlich lässt sich die “Satan“-Version sehr viel leichter als eine Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Samuel-<br />
Version erklären <strong>de</strong>nn umgekehrt. Man kann leicht nachvollziehen, weshalb es für einen<br />
jüdischen Redaktor, <strong>de</strong>r das Chronik-Buch überarbeitete, anstößig gewesen sein muss, wenn<br />
Gott <strong>de</strong>n König David zu etwas gereizt haben soll, wofür er ihn anschließend bestrafen<br />
wür<strong>de</strong>. In diesem Zusammenhang ist ein Text aus Könige interessant, wo es heißt:<br />
4 Überlieferungsgeschichte wird auch als Traditionskritik o<strong>de</strong>r Traditionsgeschichte, wobei sich die<br />
Überlieferungsgeschichte mehr mit <strong>de</strong>r mündlichen Überlieferung befasst, während sich die Traditionsgeschichte<br />
auch mit <strong>de</strong>r Folgegeschichte auseinan<strong>de</strong>rsetzt.