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19. 02. 06: San Marcos – Las Delicias (MTC)<br />

An diesem sonnigen Morgen empfangen uns<br />

Ana und Fernando, die als spanische LaienmissionarInnen<br />

in der technischen Equipe des Movimiento<br />

de Trabajadores Campesinos (MTC)<br />

tätig sind, in ihrem Büro in San Marcos für<br />

ein ausführliches Briefing.<br />

Das MTC will die ArbeiterInnen im Altiplano<br />

und in den Fincas stärken und sie unterstützen,<br />

wenn sie ihre Rechte einfordern. Das Ziel<br />

ist die integrale menschliche und soziale Entwicklung.<br />

Die Bewegung hat rund 2000 Mitglieder,<br />

zum grösseren Teil Frauen (weil die<br />

Frauen, deren Männer als Emigranten in den<br />

USA arbeiten, sehr aktiv sind).<br />

Das Departement San Marcos war nebst<br />

Quiché am stärksten vom Krieg betroffen. San<br />

Marcos ist die ärmste Gegend Guatemalas;<br />

das Gebiet liegt isoliert und weit entfernt von<br />

der Hauptstadt. Das Land im Altiplano ist karg<br />

und reicht nur für Subsistenzwirtschaft (Mais,<br />

Kartoffeln und Getreide für die Selbstversorgung).<br />

Viele Indígenas müssen deshalb zur<br />

Kaffeeerntezeit als temporäre ArbeiterInnen,<br />

so genannte Eventuales, auf den Fincas in der<br />

Bocacosta arbeiten, oft mit ihren ganzen Familien<br />

(das bedeutet, dass die Kinder das Schuljahr<br />

nicht beenden können). Die «Colones»<br />

hingegen sind fest angestellte ArbeiterInnen,<br />

die ständig auf den Fincas leben. Das Land der<br />

Bocacosta ist sehr fruchtbar, praktisch ausnahmslos<br />

in Grossgrundbesitz. Ganz selten besitzen<br />

die Einheimischen eigenes Land. Die<br />

Finqueros sind meist Leute aus dem Ausland,<br />

die hier ihr Vermögen gemacht haben, Nachkommen<br />

von Deutschen und Spaniern, heute<br />

naturalisierte GuatemaltekInnen mit mittelalterlichen<br />

Vorstellungen von Landbesitz und<br />

dem Umgang mit Angestellten. Die Finqueros<br />

sind nicht nur die Besitzer des Landes, sondern<br />

auch der Leute, die sie wie Sklaven halten.<br />

Dazu kommt der Rassismus: Die Indígenas<br />

werden als minderwertige Menschen betrachtet<br />

und behandelt.<br />

Das der Diözese San Marcos angegliederte<br />

Technische Büro des MTC arbeitet in den fünf<br />

Bereichen Indigenes Recht, lokale Machtverhältnisse,<br />

Zugang zu Land, Arbeitsrecht und<br />

Suche nach solidarischer Ökonomie. Der bisherige<br />

Schwerpunkt der Tätigkeit lag in der<br />

Stärkung der lokalen Führer und im Arbeitsrecht.<br />

Zurzeit arbeiten sie mit Leuten von sieben<br />

Fincas; in zwei Fincas werden Protestaktionen<br />

durchgeführt. Es geht um ungerechtfertigte<br />

Entlassungen, Mindestlöhne und endlose<br />

Reihen von Menschenrechtsverletzungen.<br />

Das Justizwesen ist blind und langsam, Prozes-<br />

15<br />

se ziehen sich über Jahre hin, und der Gewinn<br />

eines Prozesses bedeutet noch lange nicht,<br />

dass das gerichtlich zugesprochene Recht auch<br />

durchsetzbar ist. Während dieser Zeit sind die<br />

Leute in total ungesicherter Situation, ohne<br />

Geld. Ein Recht auf Bezahlung haben sie ohnehin<br />

nur dann, wenn sie auf der Finca wohnen<br />

bleiben. Die Situation ist vergleichbar mit derjenigen<br />

der Minenarbeiter. Ana ist überzeugt,<br />

dass die Menschenrechte nicht eingehalten<br />

werden können, solange das Finquero-System<br />

existiert. Die Fincas und alles, was sich darauf<br />

befindet, also auch die Schule und der Gesundheitsposten,<br />

sind Privatbesitz. Deshalb<br />

werden die sozialen Rechte hier kontinuierlich<br />

verletzt. Guatemala werde wirtschaftlich gesehen<br />

von 20 Familien regiert: Sie besitzen Fabriken,<br />

Plantagen, Fincas und würden von den<br />

Freihandelsabkommen profitieren. So ist etwa<br />

der aktuelle Präsident Viehzüchter und Zuckerrohrproduzent.<br />

Die lokalen Leader des MTC leben gefährlich,<br />

sie werden immer wieder bedroht. Die Arbeit<br />

an der Basis machen die KatechetInnen in den<br />

Gemeinden. Bei Protestaktionen wurden zum<br />

Beispiel die Strassen gesperrt und zum Zeitpunkt<br />

des Erntebeginns alle Transporte blockiert<br />

mit dem Ziel, die Regierung zu zwingen,<br />

sich mit der Problematik der miserablen<br />

Rechtsstellung der Landarbeiter auseinanderzusetzen.<br />

Allerdings müssen sie mit den Aktionen<br />

sehr vorsichtig sein, denn die Repression<br />

zielt auf die lokalen Leader. Den Leuten gehe<br />

jetzt aber langsam die Geduld aus, sie seien<br />

zunehmend bereit, weiter zu gehen.<br />

Im Hinblick auf den Besuch der «Marlin»-Goldmine<br />

zwischen Sipacapa und San Miguel erhalten<br />

wir von Fernando auch eine Einführung<br />

in die Minenproblematik: Die Metallminen seien<br />

in den letzten Jahren «entdeckt» worden.<br />

Im ganzen Land gebe es ca. 200 Punkte, wo<br />

Abbaumöglichkeiten geprüft werden – und in<br />

keinem Fall sei die lokale Bevölkerung konsultiert<br />

worden (wie es das internationale Abkommen<br />

über die Rechte der indigenen Völker verlangt).<br />

«Glamis Gold» kam im Jahr 2003 in die<br />

Region und versprach gut bezahlte Arbeit. Die<br />

Firma begann, Land zu kaufen und bezahlte<br />

das Dreifache der üblichen Preise – ohne zu informieren,<br />

wozu. Schon längst ist aber klar,<br />

dass es um Tagbau geht, wobei das Gestein im<br />

Zyanidbad vom Metall getrennt wird. Das Projekt<br />

hat enorme Umweltschäden wie Abholzung,<br />

Erosion und Wasserprobleme zur Folge.<br />

In einer Region mit Wasserknappheit wird für<br />

den Abbau eine Viertelmillion Liter Wasser pro

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