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wurde kurz darauf ermordet. Und was macht<br />
die Regierung? Laut Rigoberto no pasa nada,<br />
absolutes Schweigen auch nach Unterzeichnung<br />
der Friedensverträge. REMHI versuchte,<br />
internationales Völkerrecht anzuwenden, aber<br />
das greift nicht, was hier passierte kommt dort<br />
nicht vor.<br />
1996 wurden die letzten Friedensverträge unterzeichnet.<br />
Aber: Jetzt werden Kaibíles (Elitetruppen<br />
des Militärs = «Tötungsmaschinen»)<br />
als «Friedenstruppe» nach Afrika entsandt,<br />
um an den Friedenseinsätzen der UNO teilzunehmen.<br />
Absurd!<br />
Das Ixildreieck war ein Epizentrum damals im<br />
Bürgerkrieg. Rigoberto: Hay mucho que hacer,<br />
es gibt so viele Herausforderungen die angegangen<br />
werden müssten. Was bis jetzt geschah,<br />
ist etwas Lack über die Geschichte gepinselt.<br />
Die Ursachen des Krieges sind nicht<br />
gelöst, die heutige abnorme Gewalt in Guatemala,<br />
die als «normale» Delinquenz, Drogenhandel,<br />
Bandenkriminalität usw. bezeichnet<br />
wird, hat weithin dieselben Ursachen wie damals:<br />
extreme Armut, ungerechte Landverteilung,<br />
Mangel an Zukunftschancen...<br />
Rigoberto möchte nicht bei einer frustrierten<br />
Sicht der Lage stehen bleiben, er sieht wichtige<br />
Anhaltspunkte, mutige Personen wie z. B.<br />
Bischof Ramazzini, der unerschrocken seine<br />
(unbequeme) Position verteidigt trotz Morddrohungen,<br />
ebenso viele Menschen der einfachen<br />
Bevölkerung, die Zeugenaussagen machen<br />
und für ein besseres Miteinander sich<br />
einsetzen. Wir sind ziemlich betroffen und<br />
deshalb gibt es eine Fragerunde im Anschluss:<br />
Wie wird die Vergangenheit angegangen? Ist<br />
sie ein Thema in den Familien? – Es gibt viel<br />
Betroffenheit, viele Traumata, manches kann<br />
(noch) nicht angesprochen werden, aber es<br />
gibt Initiativen und psychosoziale Betreuungsangebote,<br />
meist von der Kirche.<br />
Wie sieht das international aus? – Im Ausland<br />
vertritt Bischof Ramazzini bei den heiklen Themen<br />
(Goldabbau, Migration, Drogenanbau<br />
etc.) die engagierten Leute und nicht der Präsident<br />
bzw. Regierungsvertreter.<br />
Ein authentischer Friede wäre nur möglich als<br />
nationale Bewegung mit internationaler Unterstützung,<br />
dem ¡Nunca Más! entsprechend.<br />
Wie steht es mit der Verarbeitung von offizieller<br />
Seite, z. B. in den Schulen, im Geschichtsunterricht?<br />
– Es wird darüber geredet auch an<br />
den Unis. Aber: fundierte Ergebnisse des REM-<br />
HI werden nicht akzeptiert, es hat offiziell keine<br />
Umkehr stattgefunden.<br />
22<br />
Problem Tierra: Enteignungen gab es seit der<br />
Ankunft der Spanier, dann 1871 unter Rufino-<br />
Barrios. Oder wenn das Land des Nachbarn<br />
grösser oder besser war, wurde er umgebracht,<br />
und damit hatte sich die Landaneignung<br />
erledigt. Wobei es auch Finqueros gibt,<br />
die tatsächlich durch eigene harte Arbeit zu<br />
Besitz gekommen sind. In Nebaj wurden 90%<br />
der BewohnerInnen im Krieg vertrieben – wer<br />
weiss, wer heute auf seinem ursprünglichen<br />
Land wohnt und wie er es wiederbekommen<br />
hat? So viele sind nie mehr zurückgekommen<br />
und Landtitel gab es nicht, oder sie existieren<br />
auch nicht mehr.<br />
Die «Verschwundenen»: Man weiss oft, dass<br />
sie ermordet wurden (es gibt etwa Augenzeugen),<br />
aber das ist kein Beweis und wird nicht<br />
anerkannt. Rosalina Tuyuc (von Conavigua =<br />
Coordinadora Nacional de Viudas, Witwenvereinigung<br />
Guatemalas) sagt, mit Entschädigungen<br />
hätte nicht begonnen werden können, weil<br />
absichtlich die Anforderungen zu hoch seien,<br />
man müsste z. B. einen Totenschein vorlegen<br />
können. So sind jedoch aus dieser Zeit in der<br />
Klinik von Santa Cruz del Quiché die Totenscheine<br />
nur auf «natürliche Todesursache»<br />
ausgestellt.<br />
Marcelino kann als direkt Beteiligter und Betroffener<br />
noch konkreter über die Vergangenheit<br />
und über REMHI sprechen. Zwei Fragen<br />
stehen an:<br />
1) Warum kam es zur Verfolgung innerhalb<br />
der Kirche?<br />
2) Wie erlebte er den bewaffneten Konflikt?<br />
Nebaj liegt in einer armen Gegend, es gibt fast<br />
nur Mais und Bohnen. Daher war die Bevölkerung<br />
gezwungen, Saisonarbeit an der Küste zu<br />
suchen. Um 1970 kamen die Padres del Sagrado<br />
Corazón hierher, damit die Acción Catolica,<br />
und die Idee, sich zusammenzuschliessen, um<br />
eine Verbesserung der Lebenssituation zu erreichen<br />
– nicht mehr jeder seine kleine Parzelle<br />
individuell zu beackern. Es entstanden Cooperativas,<br />
Schulen, Puestos de Salud, sogar<br />
Bienenzucht, Fussballplätze, und die Basisarbeit<br />
der KatechetInnen wurde aufgebaut. Ab<br />
dieser Zeit hörte man auch verborgen über die<br />
Guerilla im Ixcán, ab 1978/79 konkret im<br />
Ixildreieck. Bei Versammlungen und in Informationsrunden<br />
stellte man erstaunt fest, dass<br />
die Aussagen sehr verwandt klangen zwischen<br />
dem, was die Guerilla und dem, was die Padres<br />
und die catequistas sagten. Das alles wurde<br />
alsbald als subversiv eingestuft, es kam zu<br />
starker Militärpräsenz, der Ermordung von drei<br />
Padres und sehr vielen KatechetInnen (als