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Die Grundlagen des 19. Jahrhunderts - Unilibrary

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89 Das Erbe der alten Welt. Hellenische Kunst und Philosophie.<br />

zu entdecken; vielmehr nimmt er hier und dort, was ihm das beste<br />

dünkt — bei den Eleaten, bei Heraklit, bei den Pythagoräern, bei<br />

Sokrates — und gestaltet daraus kein eigentlich logisches, wohl<br />

aber ein künstlerisches Ganzes. <strong>Die</strong> Stellung Plato's zu den<br />

früheren Philosophen Griechenlands ist derjenigen Homer's zu<br />

den vorangegangenen und zeitgenössischen Sängern durchaus<br />

nicht unähnlich. Auch Homer „erfand“ wahrscheinlich nichts<br />

(ebensowenig wie später Shakespeare); er griff aber aus<br />

verschiedenen Quellen dasjenige heraus, was zu seinem Zwecke<br />

passte, und fügte es zu einem neuen Ganzen zusammen, zu etwas<br />

durchaus Individuellem, begabt mit den unvergleichlichen<br />

Eigenschaften <strong>des</strong> lebendigen Individuums, behaftet mit den von<br />

dem Wesen <strong>des</strong> Individuums nicht zu trennenden engen Grenzen,<br />

Lücken, Eigenheiten, — denn jegliches Individuum spricht mit<br />

dem Gott der ägyptischen Mysterien: „Ich bin, der ich bin,“ und<br />

steht als ein neues Unerforschliches, nicht zu Ergründenes da. 1 )<br />

Ähnlich Plato's Weltanschauung. Professor Zeller, der berühmte<br />

Geschichtsschreiber der griechischen Philosophie meint: „Plato ist<br />

zu sehr Dichter, um ganz Philosoph zu sein.“ Es dürfte schwer<br />

fallen, dieser Kritik irgend einen bestimmten Sinn abzugewinnen.<br />

Gott weiss, was ein „Philosoph“ in a b s t r a c t o sein mag;<br />

Plato war er selber, kein andrer; und an ihm erkennen wir, wie ein<br />

Geist gestaltet sein musste, um griechisches Denken zu seiner<br />

höchsten Blüte zu führen. Er ist der Homer dieses Denkens. Wenn<br />

ein Mann, der die nötige Kompetenz besässe, die Lehre Plato's<br />

derartig zergliederte, dass man deutlich gewahr würde, welche<br />

Bestandteile nicht durch den Vorgang <strong>des</strong> genialen<br />

Wiedergebärens allein, sondern als ganz neue Erfindungen<br />

ureigenes Eigentum <strong>des</strong> grossen Denkers sind, so würde das<br />

D i c h t e r i s c h e seines Verfahrens gewiss besonders klar<br />

werden. Montesquieu nennt Plato denn auch (in seinen Pensées)<br />

einen der vier grossen Dichter der Menschheit. Namentlich<br />

—————<br />

1) „Ein echtes Kunstwerk bleibt wie ein Naturwerk für unsern Verstand<br />

immer unendlich; es wird angeschaut, empfunden; es wirkt, es kann aber<br />

nicht eigentlich erkannt, viel weniger sein Wesen, sein Verdienst mit Worten<br />

ausgesprochen werden.“ (Goethe.)

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