Kannetzky Cartesianische Prämissen
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Frank <strong>Kannetzky</strong><br />
damit die Menschen ihre Gedanken einander mittheilen konnten.“<br />
(Hervorhebungen von mir) 41<br />
Die Notwendigkeit der Artikulation der Gedanken ergibt sich aus dem Bedürfnis<br />
der Kommunikation, die Sprache ist deren Instrument. Der Sprecher ordnet<br />
seinen Gedanken öffentlich, d.h. als Körperbewegungen, wahrnehmbare Zeichen<br />
der Sprache zu, der Hörer interpretiert diese Zeichen, um sich die Gedanken<br />
des Sprechers, das Gemeinte, aus dem Gehörten zu erschließen. Kommunikation<br />
ist demnach zweifache Übersetzung: Der Sprecher „übersetzt“ was er meint, also<br />
innere Zustände und Intentionen, in die öffentlich wahrnehmbare Zeichen (einer<br />
dann öffentlichen Sprache) 42 , der Hörer interpretiert diese Zeichen im Bereich<br />
seiner inneren Zustände und erschließt sich damit die Intentionen des Sprechers.<br />
Erfolgreich ist Kommunikation dann, wenn der Hörer die Intentionen des Sprechers<br />
richtig erschließt, wenn er versteht, was der Sprecher mit seinen Worten<br />
meint. Äußerungen haben Bedeutung, sofern sie eine Sprecherbedeutung vermitteln.<br />
Damit hat Locke ein Modell sprachlicher Verständigung etabliert, das in der<br />
einen oder anderen Form das Basismodell beinahe jeder neueren Kommunikationstheorie<br />
darstellt 43 und aufgrund seiner Entsprechung mit dem alltäglichen Erleben<br />
der sprachlichen Verständigung hohe prima facie Plausibilität beanspruchen<br />
kann. Denn gewöhnlich kann der Sprecher bei Missverständnissen korrigierend<br />
eingreifen: „Ich meinte x, nicht y“, und auch der Hörer erkundigt sich normalerweise<br />
nicht nach der konventionellen Bedeutung von Ausdrücken, sondern<br />
er fragt, wie der Sprecher etwas meint. (Aus dem Blick gerät dabei, dass diese<br />
Korrekturen und Vergewisserungen immer schon ein hohes Maß gelingender<br />
Verständigung voraussetzen.) Im Zentrum steht daher der Sprecher, nicht die Interaktion<br />
zwischen einem Sprecher und einem Hörer. Sprachliche Konventionen<br />
und Regeln werden als im Prinzip verzichtbares Hilfsmittel der Verständigung<br />
aufgefasst, sie sind ausgehend von Sprecherintentionen und Gewohnheitsbildung<br />
zu rekonstruieren, die intentionalen Gehalte sind der Kommunikation vorausgesetzt<br />
und deshalb grundsätzlich nicht an eine öffentliche Sprache gebunden. Gäbe<br />
es die Möglichkeit direkter Gedankenübertragung, wären sprachliche Formen<br />
im Grunde überflüssig. M.a.W.: In diesem Modell liegen Bedeutungen als je individueller<br />
geistiger Gehalt vor jeder Kommunikation und unabhängig von der<br />
Artikulation mittels einer gemeinsamen Sprache fest. 44<br />
41 Versuch III/1, §2<br />
42 Es ist klar, dass dieser Bezug auf eine Sprache, im Gegensatz zu Lockes Grundannahmen, mehr<br />
beinhalten muss, als bloß den Verweis auf vom Individuum willkürlich mit Bedeutung versehene<br />
Zeichen.<br />
43 Verweisen möchte ich hier nur auf das Sender-Empfänger-Modell der Kommunikation von Shannon/Weaver,<br />
auf die Modelle von Grice, Meggle sowie Searle (etwa in Intentionalität). Ähnlich<br />
sieht A. Wellmer die Rolle Lockes in Sprachphilosophie. Frankfurt a.M.: Suhrkamp, 2004.<br />
44 Genau diese Voraussetzung wird vom Privatsprachenargument als unsinnig ausgewiesen. Die zentrale<br />
Frage hierbei ist, wie die geistigen Gehalte unabhängig von einer öffentlichen Bewertungsund<br />
Kontrollpraxis individuiert werden können.