Kannetzky Cartesianische Prämissen
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Frank <strong>Kannetzky</strong><br />
„war denn allerdings auf lange Zeit gleichsam der Grundton der<br />
neueren Philosophie angegeben [..] das wie ein Zauber gewirkt<br />
hat, durch den die Philosophie in den Umkreis des Subjektiven und<br />
der Tatsache des bloß subjektiven Bewußtseins gebannt war.“ 52<br />
„Die Philosophie bringt es also hier nicht weiter als zu einer bloß<br />
subjektiven Gewißheit [...] über die Existenz alles dessen, was außer<br />
dem Subjekt ist.“ 53<br />
Daran ändert sich auch nichts, wenn eine Gegenposition zu Descartes eingenommen<br />
wird, etwa im „Materialismus“ der neueren Philosophie des Geistes<br />
(die strenggenommen „Philosophie der individuellen Kognition“ genannt werden<br />
müsste). Denn das cartesianische Bild bestimmt hier These und Antithese, Geist<br />
und (soziale) Welt sind voneinander separiert und es gibt anscheinend keinen<br />
Weg, beide wieder zusammenzuführen. Zum einen verhindert der rein subjektive<br />
Ausgangspunkt anscheinend jede objektive Erkenntnis und jede Objektivität des<br />
Verstehens, zum anderen verwickelt sich die Theorie des Handelns in unauflösliche<br />
Schwierigkeiten.<br />
3.3 Transformationen des Cartesianismus. Das Forschungsprogramm der Naturalisierung<br />
Weder Descartes noch Locke ist Skeptiker, 54 aber die Art ihrer Fragestellung öffnet<br />
Raum für den Skeptizismus hinsichtlich des Gelingens von Kommunikation<br />
und der Möglichkeit des Verstehens. Als ein Ausweg, um im cartesianisch-lockeschen<br />
Rahmen die Möglichkeit des Verstehens plausibel zu machen und damit<br />
solipsistischen Konsequenzen auszuweichen, erscheint die Naturalisierung des<br />
Geistes. Statt kommunikativ produzierter Gemeinsamkeiten wird eine Allgemeinheit<br />
bestimmter Wahrnehmungsweisen, Antriebe, Intentionen, Dispositionen<br />
etc. angenommen. Der für das Verstehen notwendige gemeinsame Hintergrund<br />
wird nicht praktisch-kommunikativ (re)produziert, sondern als psychologische,<br />
biologische oder hirnphysiologische Eigenschaft aller Individuen der Art homo<br />
sapiens in die Individuen hineinpostuliert. Damit gibt es nun eine Basis für Analogieschlüsse<br />
von mir auf andere: Ich kann die Intentionen anderer erkennen,<br />
weil sie so funktionieren wie ich selbst. Aufgrund objektiv beschreibbarer, natürlicher<br />
Gemeinsamkeiten des Wahrnehmens und Urteilens können wir die<br />
Introspektion als Basis für Projektionen bzw. Analogieschlüsse benutzen, die es<br />
zulassen, etwas über andere herauszubekommen. Wir beginnen dabei beim Einfachen,<br />
bei einem Grundbestand etwa „einfacher Vorstellungen“, „eingeborener<br />
Ideen“ oder „natürlicher Ähnlichkeitsrelationen“ sowie Grundantrieben jedes<br />
52 F. W. J. Schelling: Zur Geschichte der neueren Philosophie. Leipzig: Reclam 1984, S. 34<br />
53 Ebd., S. 31.<br />
54 Descartes’ Zweifel ist ein methodischer Zweifel, es geht ihm gerade darum, den Ausgangspunkt sicherer<br />
Erkenntnis unter der Voraussetzung der Trennung von Subjekt und Objekt, von Geist und<br />
Welt zu bestimmen. Ein ganz ähnliches Projekt verfolgt Locke.