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Kannetzky Cartesianische Prämissen

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Frank <strong>Kannetzky</strong><br />

cher selbst unverständlich sein muss 78 – Privatus kann sich selbst nicht verstehen,<br />

weil er keine kontrollierbar stabilen Bedeutungen etablieren kann. Denn im<br />

beschriebenen Fall hieße das, dass der Sprecher irgendwie in der Lage sein muss,<br />

seine Empfindungen sicher als E-Empfindungen zu identifizieren, also mit Blick<br />

auf seine E-Empfindungen über der Zeit gültige Gleichheits- und Verschiedenheitsurteile<br />

zu fällen.<br />

Der Witz des Argumentes ist, dass unter den gegebenen Voraussetzungen<br />

nicht einmal von einer bestimmten Empfindung E (als diese und nicht jene Empfindung)<br />

gesprochen werden kann, weil dies schon den Bezug bestimmte Unterscheidungsmöglichkeiten<br />

und damit auf einen bestimmten Typ von Empfindungen<br />

(etwa Schmerz, Helligkeit) voraussetzt, der in einer gemeinsamen Sprachund<br />

Urteilspraxis verankert sein muss, die als Kontrollinstanz dient. Diese<br />

Schwierigkeit einer Privatsprache kann man sich am Beispiel des Behaltens und<br />

Prüfens von Passwörtern annäherungsweise verdeutlichen: Hat man völlig sinnfreie,<br />

aus allen gemeinsam kontrollierbaren Handlungszusammenhängen, also<br />

auch der schriftlichen Fixierung, gelöste „private“ Zeichenreichen, deren „Bedeutung“<br />

in nichts als ihrer gelegentlichen Abfrage besteht, dann mag man sich<br />

richtig erinnern – oder auch nicht. Im Falle einer echten Privatsprache entfällt allerdings<br />

die praktische Prüfung der richtigen Erinnerung, hier der Zugang zum<br />

geschützten Bereich. Man könnte sich aber eine Passwortabfrage vorstellen, die<br />

das Kriterium des Fehlens von Kontrollmöglichkeiten erfüllt, etwa dass ein (hinreichend<br />

langes) Passwort hinreichend oft in Folge richtig eingegeben werden<br />

muss, um Zugang zu erlangen. Wird dabei ein Fehler gemacht, dann wird der<br />

Zugang unwiderruflich gesperrt, so dass man sich im Falle der Sperrung nie sicher<br />

sein kann, ob man das richtige Passwort hatte, aber es nicht hinreichend oft<br />

richtig eingegeben hat, oder ob es das falsche war. Es gibt schlicht kein Kriterium<br />

der Identifikation des „richtigen“ Passworts.<br />

Ganz ähnlich muss der Tagebuchschreiber seine Empfindungen kontrollieren:<br />

Jetzt habe ich dieselbe Empfindung wie gestern, und das war eine E-Empfindung.<br />

Und das jetzt ist eine F-Empfindung, aber keine E-Empfindung usw. Die<br />

Frage ist: Woher weiß er das? Wie bestimmt er, welche Art Empfindung er gerade<br />

hat? Genauer: Welche Kriterien hat er dafür? 79 Das Kernproblem ist, dass es<br />

für die Identifikation seiner Empfindungen unter den gegebenen Voraussetzungen<br />

keine Kriterien geben kann: Privatus hat ja nur seine Empfindungen, er verfügt<br />

nicht über einen unabhängigen Vergleichsgegenstand. Sich auf seine Empfindungen<br />

zu berufen sei deshalb, „als kaufte Einer mehrere Exemplare der heutigen<br />

Morgenzeitung, um sich zu vergewissern, daß sie die Wahrheit schreibt.“<br />

(PU 364). Entsprechend hat die E-Eintragung keine Bedeutung, den ihr entspricht<br />

nichts bestimmtes.<br />

78 Ähnlich sieht dies Wellmer (Sprachphilosophie, S. 94).<br />

79 „Man vergißt aber, daß, was uns interessieren muß, die Frage ist: Wie vergleichen wir diese Erlebnisse,<br />

was legen wir fest als Kriterium der Identität des Geschehnisses?“ (PU 322)

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