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Kannetzky Cartesianische Prämissen

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Frank <strong>Kannetzky</strong><br />

und Seele hat im Freiheitsproblem eine seiner wichtigen Quellen: 9 Mag ich in<br />

meinem Verhalten auch durch äußere Zwänge bestimmt sein – in meinem Innern<br />

bin ich autonom, hier bin ich Herr. Die Gedanken sind frei. Mag die Welt sein<br />

wie sie will – ich kann mir meinen Teil dazu denken. Mag mein Handeln aufgrund<br />

der Tücken der Welt ungewollte Folgen hervorbringen – meine wahre Absicht<br />

hängt davon nicht ab. Descartes folgert, dass die Substanz des Subjektes<br />

sein Bewusstsein ist, oder genauer: Das Subjekt ist Selbstbewusstsein, Denken.<br />

Denn<br />

„Daraus, daß ich von meiner Existenz weiß und dabei gar nichts<br />

anderes als zu meiner Natur oder meinem Wesen gehörig erkenne,<br />

als daß ich ein denkendes Ding sei, schließe ich mit Recht, daß<br />

mein Wesen allein darin besteht, daß ich ein denkendes Ding<br />

bin.“ 10 ,<br />

„... eine Substanz [...], deren ganze Wesenheit oder Natur nur im<br />

Denken besteht, und die, um zu sein, keines Ortes bedarf, noch<br />

auch von irgendeinem materiellen Dinge abhängt. Es ist demnach<br />

dieses Ich, d.h. die Seele, durch die ich bin, was ich bin, von meinem<br />

Körper gänzlich verschieden und selbst leichter zu erkennen<br />

als er; und wenn es gleich keinen Körper gäbe, so würde sie trotzdem<br />

genau das bleiben, was sie ist.“ 11<br />

Selbst der Leib wird zum Objekt, auf der Subjektseite bleibt allein das Bewusstsein.<br />

Damit macht Descartes auch die Empfindungen und den Willen, die<br />

traditionell als zum Leib gehörig konzipiert und im Gegensatz zur Klarheit der<br />

Ideen des Verstandes gesehen wurden, zur Sache der geistigen Substanz, des<br />

Denkens, unter das nun alles fällt, was irgend bewusst werden kann.<br />

„Unter Denken verstehe ich Alles, was mit Bewußtsein in uns geschieht,<br />

insofern wir uns dessen bewußt sind. Deshalb gehört nicht<br />

bloß das Einsehen, Wollen, Bildlich-Vorstellen, sondern auch das<br />

Wahrnehmen hier zum Denken.“ 12<br />

2.2 Das cartesianische Objekt<br />

Es wird oft vernachlässigt, dass Descartes nicht nur der Schöpfer des bewusstseinsphilosophischen<br />

Subjektbegriffs ist, sondern, als dessen begriffliches Gegenstück,<br />

auch den neuzeitlichen Objektbegriff entscheidend geprägt hat. Dieser<br />

9 Im Grunde stellen das Freiheitsproblem, so wie es üblicherweise formuliert wird, nämlich als Problem<br />

des Determinismus, und das Leib-Seele-Problem nur verschiedene Formulierungen derselben<br />

Frage dar (die als solche freilich schon falsch gestellt ist).<br />

10 R. Descartes: Meditationen über die Erste Philosophie. (übersetzt von G. Schmidt). Stuttgart: Reclam,<br />

1980 (im folgenden Meditationen), VI, S. 98.<br />

11 Abhandlung IV/4, S. 31<br />

12 Prinzipien I/9

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