03.11.2013 Aufrufe

Kannetzky Cartesianische Prämissen

Kannetzky Cartesianische Prämissen

Kannetzky Cartesianische Prämissen

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

142<br />

Frank <strong>Kannetzky</strong><br />

Begriff der durch private Absichten individuierten Handlung. Es wäre irreführend,<br />

das Privatsprachenargument so zu deuten, als seien es nur die Empfindungen<br />

und die Empfindungsworte, die öffentlicher Kriterien bedürfen.<br />

Die Relevanz des Privatsprachenargumentes für die Philosophie des Geistes<br />

ergibt sich nun aus folgender Überlegung: Wenn gezeigt ist, dass das Vokabular<br />

unseres Empfindens, dann auch des Denkens und Handelns nur holistisch, d.h.<br />

im Rahmen gemeinsamer Handlungs- u. Praxisformen einen Unterschied macht,<br />

dann sind auch Schlüsse der folgenden Art blockiert, wie sie für das naturalistische<br />

Programm typisch sind: Wir empfinden x, also muss es „x-Empfindungen“<br />

(und deren neurologische Korrelate) als identifizierbare und einer Untersuchung<br />

mit naturwissenschaftlichen Methoden zugängliche Gegenstände geben. Wir<br />

denken, also gibt es ein „Denkorgan“, dessen Funktion intentionale Gehalte sind<br />

und dessen physiologische Gesetzmäßigkeiten diese Gehalte erklären können.<br />

Mit Wittgenstein kann man nun den Ort dieses Fehlschlusses lokalisieren, nämlich<br />

im Missverständnis des intentionalen Vokabulars selbst, sofern dieses als<br />

(individual-)psychologisches aufgefasst wird.<br />

Für die Sozialphilosophie bedeutet das, dass der methodologische Individualismus<br />

inadäquat sein muss, schlicht, weil das Individuum und seine Handlungen<br />

nur vor dem Hintergrund gemeinsamer Praxisformen verständlich sind, oder anders:<br />

weil das Ich nur als Teil eines Wir zu verstehen ist. Daraus folgt nun, dass<br />

der Individualismus als grundlegende methodische Orientierung prinzipiell zirkulär<br />

ist, denn er beansprucht, die Begriffe des Sozialen ausschließlich unter<br />

Verwendung von Begriffen zu definieren, die (zunächst) nur auf Individuen Anwendung<br />

haben. 77 Oder anders: Das Privatsprachenargument zeigt, dass die soziokulturelle<br />

Bedingtheit menschlicher Intentionalität eben nicht nur eine Frage<br />

der Prägung oder Überformung eines „an sich“ asozialen und akulturellen Wesen<br />

ist und daher nur das andere Ende eines Kontinuums darstellt, welches im Tierreich<br />

beginnt. Vielmehr macht die Bindung an gemeinsame Praxisformen und<br />

eine gemeinsame Sprache sowie die Einbindung in Kooperationen ihr Wesen<br />

aus, denn nur diese erklären die Formbestimmtheit möglicher Handlungen. Intentionales<br />

Vokabular ist daher prinzipiell irreduzibel und mittels naturwissenschaftlicher<br />

Beschreibungen nicht einzuholen. „Geist“ lässt sich folglich nur aus<br />

der Perspektive des Teilnehmers an gemeinschaftlichen Praxen erfassen, nicht<br />

aus der eines objektiven Beobachters. Vielmehr verkörpert die Idee der Perspektiveninvarianz<br />

selbst eine besondere kulturelle Praxis und hat nur in deren Rahmen<br />

Geltung.<br />

Ich werde im folgenden das Privatsprachenargument, seine handlungstheoretische<br />

Deutung und Verallgemeinerung sowie einige Konsequenzen für die im<br />

zweiten Teil genannten Probleme, insbesondere des Verstehens von Sprache und<br />

Handlung, skizzieren.<br />

77 Vgl. dazu <strong>Kannetzky</strong> 2004.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!