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Kannetzky Cartesianische Prämissen

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Frank <strong>Kannetzky</strong><br />

für die Zukunft versprochene – Feststellung einer Korrelation von semantischen<br />

und neuronalen Unterschieden allein noch gar nicht gedeckt wäre). 63 Wahrnehmung,<br />

Denken und Intellekt werden im Gehirn verortet. Die Rede davon, dass<br />

ein Mensch etwas wahrnimmt, denkt oder sich intelligent verhält, wird daher als<br />

uneigentliche Rede aufgefasst, alltagstauglich, aber vorwissenschaftlich: Es sei<br />

sein Hirn, das Organ des Denkens, welches wahrnimmt, denkt und intelligente<br />

Problemlösungen findet. Entsprechend wird Erkenntnis als neuronale Repräsentation<br />

der Umwelt auf Basis der Verarbeitung von Sinnesreizen durch evolutionär<br />

erworbene „kognitive Module“ erläutert. Zur Umwelt des Individuums gehören<br />

nun auch andere Individuen, symbolisch strukturierte, soziokulturelle Sinnzusammenhänge<br />

und Werte sowie deren Manifestationen in Artefakten und Institutionen.<br />

Auch diese werden als Objekte der individuellen Kognition aufgefasst.<br />

Unterschiede der Sozialisation, die Übernahme von unterschiedlichen kulturellen<br />

und normativen Bindungen und die Ausbildung entsprechender individueller<br />

Haltungen sollen sich, die prinzipielle Gleichheit der kognitiven Ausstattung aller<br />

Menschen vorausgesetzt, allein aus den interindividuell unterschiedlichen<br />

„Inputs“ und genetisch bedingten kognitive Kapazitäten (Aufmerksamkeit, Reizschwellen,<br />

Verarbeitungsgeschwindigkeit, Gedächtnis etc.) ergeben.<br />

Das Ziel ist dabei nicht notwendig, die Realität des Bewusstseins und intentionaler<br />

Gehalte zu leugnen (eliminativer Materialismus), sondern die entsprechenden<br />

Phänomene in einer Analysesprache zu erfassen, die ohne intentionale<br />

und normativ aufgeladene Ausdrücke auskommt oder diese als prinzipiell verzichtbare<br />

Beschreibungsebene darstellt, als Lückenbüßer eines vermeintlich<br />

vorwissenschaftlichen Verständnisses von Intentionalität und Geist (Emergenztheorien).<br />

Die Rolle unserer Selbstbeschreibungen ist dabei umstritten: Meinen<br />

die einen, die kognitionswissenschaftlichen Erkenntnisse würden über kurz<br />

oder lang zu neuen Selbstbeschreibungen führen (etwa Churchland und Dretske),<br />

so wie Anfang des 20. Jahrhunderts Freuds Theorie unser Selbstverständnis verändert<br />

hat, so meinen andere, unser Selbstverständnis als frei handelnde Wesen<br />

bliebe bestehen, aber würde in Zukunft vollständig erklärt werden können, etwa<br />

als evolutionär vorteilhafte Metarepräsentation der Stellung des Organismus in<br />

seiner Umwelt (etwa W. Prinz). Letztlich geht es um eine Metasprache, welche<br />

die Phänomene des auf das individuelle Bewusstsein reduzierten Geistes „more<br />

geometrico“, d.h. hier: als Teil naturgesetzlicher Regularitäten, erklärbar macht.<br />

Die Naturalisierung des Geistes stellt dessen Subsumtion unter die Kategorien<br />

63 Insofern sitzt etwa Searles Programm (s. dazu Intentionalität) einer kausalen, nicht aber ontologischen<br />

Reduktion des Mentalen auf das Physische, bei welcher der autonome Status intentionaler<br />

Rede beibehalten und sie zugleich auf das Physische zurückgeführt werden soll, einem logischen<br />

Fehler auf: Kausalität ist eine asymmetrische Relation. Eine bloße Korrelation verschiedener Phänomenreihen<br />

a und b besagt daher noch gar nichts über mögliche Verursachungen, sie lässt offen,<br />

ob a b oder aber b a verursacht. Ohne ontologische Reduktion, d.h. lückenlose Erklärung des einen<br />

Bereichs aufgrund der Gesetze des anderen, ist die Rede vom Bewusstsein als „Emergenzphänomen“<br />

des Physischen daher dogmatisch, denn bloß aufgrund einer Korrelation von Physischem<br />

und Mentalem könnte ebenso gut das Physische emergent sein.

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