Deutsche Revolution.pdf - Internationale Kommunistische Strömung
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Phasen der Niederlage, wenn es<br />
lebenswichtig ist, die richtigen Lehren zu<br />
ziehen. Wir müssen hier jedoch<br />
differenzieren. Im Angesicht einer<br />
verheerenden Niederlage ist diese Arbeit<br />
nur langfristig bedeutsam, indem diese<br />
Lehren an künftige Generationen<br />
weitergereicht werden. Im Falle der<br />
Niederlage von 1914 war der<br />
entscheidende Einfluss, den <strong>Revolution</strong>äre<br />
haben konnten, so unmittelbar wie<br />
während der <strong>Revolution</strong> selbst. Dies nicht<br />
nur, weil die erlittene Niederlage keine<br />
definitive war, sondern auch aufgrund der<br />
Bedingungen eines Weltkrieges, die, indem<br />
sie den Klassenkampf fast buchstäblich zu<br />
einer Überlebensfrage machten, eine<br />
außerordentliche Beschleunigung der<br />
Politisierung auslösten.<br />
Angesichts des Kriegselends war es<br />
unvermeidbar, dass der wirtschaftliche<br />
Klassenkampf sich weiterentwickelte und<br />
unvermittelt einen offen politischen<br />
Charakter annahm. Doch die <strong>Revolution</strong>äre<br />
konnten sich nicht damit zufrieden geben,<br />
darauf zu warten, was passiert. Die<br />
Orientierung der Klasse war, wie wir<br />
gesehen haben, vor allen Dingen das<br />
Ergebnis der Unterlassung ihrer politischen<br />
Führung. Es lag somit in der Verantwortung<br />
aller verbliebenen <strong>Revolution</strong>äre innerhalb<br />
der Arbeiterbewegung, den<br />
Gezeitenwechsel zu initiieren. Noch vor<br />
den Streiks an der „Heimatfront“, noch vor<br />
den Revolten der Soldaten in den<br />
Schützengräben mussten die <strong>Revolution</strong>äre<br />
hinausgehen und das Prinzip der<br />
internationalen Solidarität des Proletariats<br />
bekräftigen.<br />
Sie begannen mit dieser Arbeit im<br />
Parlament, wo sie den Krieg anprangerten<br />
und gegen die Kriegskredite stimmten. Dies<br />
war das letzte Mal, dass das Parlament als<br />
Tribüne für revolutionäre Anliegen benutzt<br />
werden konnte. Und von Anfang an war<br />
diese Arbeit von illegaler revolutionärer<br />
Propaganda und Agitation sowie von der<br />
Beteiligung an den ersten<br />
Brotdemonstrationen begleitet. Die alles<br />
überragende Aufgabe der <strong>Revolution</strong>äre<br />
war es noch immer, sich selbst zu<br />
organisieren, um ihren Standpunkt zu<br />
klären und vor allem den Kontakt zu<br />
anderen <strong>Revolution</strong>ären im Ausland<br />
wiederherzustellen, um die Gründung<br />
einer neuen <strong>Internationale</strong> vorzubereiten.<br />
Am 1. Mai 1916 fühlte sich der<br />
Spartakusbund, der Kern der künftigen<br />
<strong>Kommunistische</strong>n Partei, erstmals stark<br />
genug, um auf den Straßen offene und<br />
massive Präsenz zu zeigen. Es war der Tag,<br />
an dem die Arbeiterbewegung traditionell<br />
ihre internationale Solidarität feiert. Der<br />
Spartakusbund rief zu Demonstrationen in<br />
Dresden, Jena, Hanau, Brunswick und vor<br />
allem in Berlin auf. Dort erschienen 10.000<br />
Menschen auf dem Potsdamer Platz, um<br />
Karl Liebknecht zu lauschen, der den<br />
imperialistischen Krieg anprangerte. Bei<br />
dem vergeblichen Versuch, ihn vor der<br />
Festnahme zu schützen, kam es zu einer<br />
Straßenschlacht.<br />
Die Proteste auf dem Potsdamer Platz<br />
raubten der internationalistischen<br />
Opposition ihren bekanntesten Führer.<br />
Andere Inhaftierungen folgten. Liebknecht<br />
wurde beschuldigt, unverantwortlich<br />
gehandelt zu haben, ja beabsichtigt zu<br />
haben, seine Person ins Rampenlicht zu<br />
stellen. In Wahrheit war seine Aktion am<br />
Maitag kollektiv von der Führung des<br />
Spartakusbundes beschlossen worden. Es<br />
trifft zu, dass der Marxismus leere Gesten<br />
wie den Terrorismus oder das<br />
Abenteurertum kritisiert. Worauf es<br />
ankommt, ist die kollektive Tat der Massen.<br />
Doch die Geste von Liebknecht war mehr<br />
als ein Akt des individuellen Heldentums.<br />
Sie verkörperte die Hoffnungen und<br />
Bestrebungen von Millionen von<br />
ProletarierInnen angesichts des Irrsinns der<br />
bürgerlichen Gesellschaft. Wie Rosa<br />
Luxemburg später schreiben sollte:<br />
„Vergessen wir aber nicht: Weltgeschichte<br />
wird nicht gemacht ohne geistige Größe,<br />
ohne sittliches Pathos, ohne edle Geste.“