Deutsche Revolution.pdf - Internationale Kommunistische Strömung
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wurde, diesen Arbeitern viele ihrer<br />
Illusionen beraubte, dauerte es noch fast<br />
ein Jahr, bis dies zu einer offenen Rebellion<br />
gegen den Imperialismus heranreifte.<br />
Der Grund hat etwas mit dem spezifischen<br />
Charakter einer <strong>Revolution</strong> im Kontext<br />
eines Weltkrieges zu tun. Der „Große<br />
Krieg“ 1914 war nicht nur ein Gemetzel in<br />
einem Ausmaß, das bis dahin unbekannt<br />
war; er war auch die gigantischste<br />
organisierte ökonomische, materielle und<br />
menschliche Operation in der Geschichte<br />
bis dahin. Buchstäblich Millionen von<br />
Menschen wie auch alle Ressourcen der<br />
Gesellschaften waren Zahnräder in einer<br />
infernalischen Maschinerie, eine<br />
Größenordnung, die jegliche menschliche<br />
Vorstellung sprengte. All dies löste zwei<br />
intensive Gefühle innerhalb des<br />
Proletariats aus: Hass gegen den Krieg auf<br />
der einen Seite und ein Gefühl der<br />
Machtlosigkeit auf der anderen. Unter<br />
solchen Umständen erfordert es<br />
unermessliche Leiden und Opfer, ehe die<br />
Arbeiterklasse erkennt, dass sie allein den<br />
Krieg beenden kann. Darüber hinaus<br />
erfordert dieser Prozess Zeit und entfaltet<br />
sich auf ungleichmäßige, heterogene<br />
Weise. Zwei der wichtigsten Aspekte dieses<br />
Prozesses sind die Erkenntnis über die<br />
wahren, räuberischen Motive hinter den<br />
imperialistischen Kriegsanstrengungen<br />
sowie über die Tatsache, dass die<br />
Bourgeoisie selbst die Kriegsmaschinerie<br />
nicht kontrolliert, die sich als Produkt des<br />
Kapitalismus unabhängig vom<br />
menschlichen Willen gemacht hat. In<br />
Russland 1917 wie auch in Deutschland<br />
und Österreich-Ungarn 1918 stellte sich die<br />
Erkenntnis als entscheidend heraus, dass<br />
die Bourgeoisie selbst im Angesicht einer<br />
drohenden Niederlage nicht imstande war,<br />
den Krieg zu beenden.<br />
Was Brest-Litowsk und die Grenzen des<br />
Massenstreiks in Deutschland und<br />
Österreich-Ungarn im Januar 1918<br />
enthüllten, war vor allem dies: dass die<br />
Weltrevolution von Russland initiiert<br />
werden konnte, dass jedoch nur eine<br />
entscheidende proletarische Aktion in<br />
einem der kriegführenden Hauptländer –<br />
Deutschland, Großbritannien oder<br />
Frankreich – den Krieg stoppen konnte.<br />
Der Wettlauf zur Beendigung des<br />
Krieges<br />
Obwohl sich das deutsche Proletariat „tot<br />
stellte“, wie Rosa Luxemburg es nannte,<br />
setzte sich der Reifungsprozess seines<br />
Klassenbewusstseins während der ersten<br />
Hälfte des Jahres 1918 fort. Darüber hinaus<br />
wurden die Soldaten ab dem Sommer<br />
dieses Jahres zum ersten Mal zunehmend<br />
ernsthaft vom Bazillus der <strong>Revolution</strong><br />
infiziert.<br />
Zwei Faktoren trugen besonders dazu bei.<br />
In Russland wurden die gefangenen<br />
deutschen Soldaten freigelassen und vor<br />
die Wahl gestellt, in Russland zu bleiben,<br />
um an der <strong>Revolution</strong> teilzunehmen, oder<br />
nach Deutschland zurückzukehren. Jene,<br />
die den zweiten Weg wählten, wurden<br />
selbstverständlich von der deutschen<br />
Armee sofort wieder als Kanonenfutter<br />
zurück an die Front geschickt. Doch sie<br />
trugen die Neuigkeiten von der Russischen<br />
<strong>Revolution</strong> mit sich. In Deutschland selbst<br />
wurden Tausende von Führern des<br />
Massenstreiks im Januar bestraft, indem<br />
sie an die Front geschickt wurden, wo sie<br />
die Nachrichten von der wachsenden<br />
Revolte der Arbeiterklasse gegen den Krieg<br />
weitergaben. Doch letztendlich war es die<br />
wachsende Erkenntnis von der<br />
Sinnlosigkeit des Krieges und der<br />
Unvermeidlichkeit der Niederlage<br />
Deutschlands, die sich als entscheidend für<br />
den Stimmungswechsel in der Armee<br />
erwies.<br />
Im Herbst jenes Jahres begann also etwas,<br />
was noch einige Monate zuvor als<br />
undenkbar erschien: ein Wettlauf gegen<br />
die Zeit zwischen den klassenbewussten<br />
Arbeitern einerseits und den Führern der<br />
deutschen Bourgeoisie auf der anderen,