<strong>Andrzej</strong> <strong>Stasiuk</strong> Dojczland 6 Photo: Piotr Janowski AG zurück zum Inhaltsverzeichnis
Die Handlung dieses – amüsanten und zugleich melancholischen – Büchleins ist einfach gestrickt: seit gut zehn Jahren absolviert <strong>Andrzej</strong> <strong>Stasiuk</strong> als Autor Lesereisen durch die deutschsprachigen Länder. Er liest, beantwortet Fragen, kehrt ins Hotel zurück, steigt morgens in den Zug, geht zur Lesung, liest, beantwortet Fragen, kehrt ins Hotel zurück... Mit Hilfe dieser Reflexionen ordnet <strong>Stasiuk</strong> die kulturelle Landkarte Europas, richtet Europa nach seinem eigenen Zentrum aus. Doch setzt er alles daran, dass trotz der vieljährigen Vergleiche zwischen Ost und West seine Heimat immer noch das vertraute Kuhdorf bleibt. Er idealisiert Polen nicht – na ja, vielleicht ein biss-chen. Sein Buch ist eine Art Überlebensratgeber für alle, die in ein ähnliches Abenteuer geraten sollten – das heißt, die radikale Konfrontation der heimischen Rückständigkeit mit der fremden Moderne. Es ist eher eine Erfahrung der Persönlichkeitspsychologie als der Geografie. Wie der Autor sagt: „Nach Deutschland fahren, das ist Psychoanalyse.“ Um sich nicht „zum Deutschen“ machen zu lassen, also zu einem Anhänger der Höherwertigkeit westlicher über die östliche Kultur, muss man, erstens, Deutschland als ein Land behandeln, in das man zum Geldverdienen fährt. Dort gibt es Geld, Arbeit und gute Verhältnisse; hier, in Polen, das heißt in Rumänien – Menschen, mit denen man sich unterhalten, zusammen sein, gemeinsam etwas erleben kann. Zweitens muss man die Armut als die wahre Beziehung zwischen Mensch und Ding betrachten. Wenn uns das gelingt, werden wir sehen, dass in der Welt des Überflusses die Menschen zu Sklaven der Gegenstände werden – die ihren Status symbolisieren und die alte Ahnenherrlichkeit ersetzen. In der Welt der Armut ist es anders: hier landen die abgenutzten Autos des Westens, hier können die Menschen Dinge verwenden, die nicht mehr zu gebrauchen sind, und sie beurteilen sich nicht nach ihrem Besitz, denn sie wissen, dass alle Dinge nur geliehen und vergänglich sind. Außerdem muss man Sehnsucht haben, und wenn wir uns nach Polen, also nach Rumänien, sehnen, dann kann kein Bayern oder sonstiges Westfalen unsere Sehnsucht stillen, soviel ist klar. <strong>Stasiuk</strong> zwinkert uns aber bisweilen zu und sagt, dieser Text über die „Zigeuner des vereinten Europa“ sei nur ein Gag für das westliche Publikum. Przemysław Czapliński <strong>Andrzej</strong> <strong>Stasiuk</strong> (geb. 1960), Prosaist, Dichter, Essayist, Literaturkritiker. Seine Bücher wurden in fast alle europäischen Sprachen übersetzt. <strong>Andrzej</strong> <strong>Stasiuk</strong> Dojczland 7 zurück zum Inhaltsverzeichnis