GEW-ZEitUNG Rheinland-Pfalz
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Landespolitik<br />
Protestveranstaltung der <strong>GEW</strong> in Mainz:<br />
„Wehrt euch gegen die Rotstifpolitik“<br />
(psw) <strong>Rheinland</strong>-<strong>Pfalz</strong> will seinen Beamtinnen und<br />
Beamten ab 2012 schmerzhafte Einschränkungen bei<br />
der Besoldung sowie Kürzungen bei Beihilfe und vermögenswirksamen<br />
Leistungen diktieren. Auch sind im<br />
gesamten Landesdienst massive Stelleneinsparungen<br />
vorgesehen, davon allein 2000 im Schulbereich bis<br />
2016. Im Vorfeld einer Protestkundgebung am 3. November<br />
informierte die <strong>GEW</strong> über die geplanten Einschnitte.<br />
Einleitend bezeichnete <strong>GEW</strong>-Vorsitzender Klaus-Peter Hammer es<br />
als falsch, die Schuldenbremse gesetzlich zu verankern. Wie können<br />
wir uns wehren?, hieß die zentrale Frage der Veranstaltung. Ilse<br />
Schaad vom Hauptvorstand der <strong>GEW</strong> klärte auf. Wenn heute die<br />
Piratenpartei einen immer stärkeren Zulauf in der Bevölkerung<br />
bekäme, und zwar nicht nur von jungen aufmüpfigen Rebellen,<br />
dann liege der Grund in der wachsenden Entfremdung zwischen<br />
Politik und Bevölkerung und der zunehmenden Enttäuschung über<br />
die so genannten Volksvertreter in den Parlamenten.<br />
Seit Jahren betonen beispielsweise Politiker aller Couleur die Bedeutung<br />
von Bildung für unsere Zukunft. „Wer nichts zur Bildung<br />
sagt, kann als Partei einpacken“, so Ilse Schaad. Doch den Worten<br />
folgen keine Taten oder die falschen. So liege Deutschland unter 36<br />
Ländern auf dem 30. Platz der weltweiten Bildungsausgaben, mit 4,8<br />
Prozent weit unter dem OECD-Durchschnitt von 5,9 Prozent. und<br />
unter dem Druck der selbst auferlegten „Schuldenbremse“ würden<br />
diese Bildungsausgaben noch weiter reduziert. Dabei mache sich der<br />
Staat selbst arm, erst senke er die Steuern und dann werde gespart,<br />
zwar nicht überall, aber in der Bildung.<br />
Diese Mittelkürzung wirke sich nicht auf Gebäude aus, sondern<br />
betreffe die Vermittler von Bildung, die Lehrenden. „Statt in die<br />
Köpfe zu investieren, wird gespart“.<br />
Dagegen seien selbst in einer Demokratie<br />
die Beamten hilflos, denn<br />
die wesentlichen Stellschrauben wie<br />
Besoldung, Klassengröße, Arbeitszeit<br />
und Stundentafel bestimme allein der<br />
Arbeitgeber. Ilse Schaad: „Was nützen<br />
eigentlich die Demokratietage, wenn<br />
den Lehrenden keine Mitbestimmung<br />
in zentralen Fragen möglich ist?“<br />
Deshalb müssten sie streiken, sich<br />
wehren im Sinne einer guten Zukunft<br />
künftiger Generationen, für eine bessere<br />
Bildung, gegen Kürzungen und<br />
Streichungen. Ilse Schaad betonte,<br />
dass das Streikverbot für Beamte im<br />
Grundgesetz nicht verankert sei. Der<br />
Streik sei ein verfassungsmäßiges<br />
Grundrecht. In Deutschland habe<br />
es ein einziges Mal ein Streikverbot<br />
gegeben, 1922 für acht Tage, das aber<br />
nach heftigen Kontroversen seinerzeit<br />
aufgehoben worden wäre. Die <strong>GEW</strong><br />
sei die einzige Gewerkschaft, die das Streikrecht als selbstverständlich<br />
ansehe mit der Absicht, jedes Mitglied nachhaltig zu schützen.<br />
Auch im Lichte der europäischen Gerichtsbarkeit dürfe Streik nicht<br />
bestraft werden.<br />
Ilse Schaad zuversichtlich: „Wir werden in absehbarer Zeit das<br />
Streikrecht bekommen“. Jetzt gelte es, die <strong>GEW</strong> als streikfähige<br />
Organisation aufzubauen und die Mitglieder zu ermuntern, gegen<br />
Schuldenbremse und Kürzungen in Sachen Bildung auf die Straße<br />
zu gehen.<br />
In der anschließenden Diskussion empörte sich der <strong>GEW</strong>-Landesvorsitzende,<br />
dass ausgerechnet eine sozialdemokratisch geführte<br />
Regierung, ein „Dienstrechtsänderungsgesetz zur Verbesserung der<br />
Haushaltsfinanzierung“ auf den Weg bringe und eine jährliche Besoldungserhöhung<br />
von jeweils 1 Prozent für die nächsten fünf Jahre<br />
beschließe. Bei einer Preissteigerungsrate von weit über zwei Prozent<br />
sei dies ein Lohnverlust und kein Anteil an der wirtschaftlichen<br />
Entwicklung. Diese Besoldungserhöhung sollen die Beamtinnen<br />
und Beamten auch noch selbst bezahlen, denn im 1. Dienstrechtsänderungsgesetz<br />
seien Kürzungen bei Besoldung und Beihilfe in<br />
annähernd gleicher Höhe (41 Mio. Euro) vorgesehen. Das Ganze<br />
werde als „Planungssicherheit“ bezeichnet und als Wohltat verkauft.<br />
Dieses Vorgehen der Landesregierung habe mit Wertschätzung der<br />
Beamtinnen und Beamten und ihrer täglichen Erziehungs- und<br />
Bildungsarbeit nichts zu tun. Auch die Berufsperspektive für junge<br />
Lehrerinnen und Lehrer sei deprimierend, so die weitere Diskussion.<br />
Die „demographische Rendite“ führe zu Stelleneinsparungen<br />
für junge Lehrkräfte, die auf der Straße stehen. Gefordert wurde<br />
auch eine neue Steuerregelung, z.B. höhere Steuern für höhere<br />
Einkommen und große Vermögen sowie eine Transaktionssteuer.<br />
Die „Wutlehrer“ machen sich auf den Weg, die Zeiten werden auch<br />
für die Landesregierung härter.<br />
<strong>GEW</strong>-Zeitung <strong>Rheinland</strong>-<strong>Pfalz</strong> 12 / 2011<br />
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