REPORT 2012
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TANZ MIT DEM<br />
DERWISCH:<br />
ANDRITZ YUNUS EMRE<br />
2 X 145 MWE CFBP<br />
Es ist schon interessant, wohin uns<br />
unsere Projekte zum Teil führen. Aber<br />
noch interessanter ist es, wie sie das<br />
tun.<br />
Am 10.08.2011, nach einem halben<br />
Jahr einer spannenden Angebotsund<br />
Verhandlungsphase, fiel für J+G<br />
der Startschuss für eine Reise zur<br />
Selbstfindung. ANDRITZ Energy &<br />
Environment hatte den Auftrag, für<br />
VITKOVICE zwei zirkulierende Wirbelschichtanlagen<br />
in der Türkei zu<br />
bauen, und nahm J+G mit ins Boot.<br />
Das Projekt trägt den Namen des<br />
anatolischen Dichters und Mystikers<br />
Yunus Emre.<br />
Yunus Emre (gest. um 1321) gilt in<br />
der Türkei als fortgeschrittener Schüler<br />
des Sufismus, ein sogenannter<br />
Derwisch. Vier Stufen durchläuft<br />
der Sufi auf seinem Weg:<br />
1. Die sinnliche Wahrnehmung ausschalten.<br />
2. Die Verbindung an individuelle Eigenschaften<br />
ablegen.<br />
3. Das Ich sterben lassen.<br />
4. Die Auflösung in das göttliche<br />
Prinzip.<br />
So oder so ähnlich sind auch wir<br />
durch dieses Projekt gegangen und<br />
haben unser gemeinsames Ziel erreicht.<br />
24<br />
Yunus Emre gehörte nicht dem bekannten<br />
Mevlevi-Orden, dem der berühmten<br />
drehenden Derwische, an.<br />
Diese drehen sich tanzend um die eigene<br />
Achse, um so in Ekstase zu geraten,<br />
und um damit in Kontakt mit<br />
Gott zu treten.<br />
Auch wenn wir zuweilen alle am rotieren<br />
waren, haben wir uns doch<br />
wieder auf die mystische Ruhe des<br />
Dichters besonnen und uns in Askese<br />
begeben.<br />
Als asketisch könnte man auch den<br />
Brennstoff, mit dem die beiden CFBs<br />
(Circulating Fluidized Bed) betrieben<br />
werden sollen, beschreiben. Es ist<br />
Braunkohle mit einem relativ niedrigen<br />
Heizwert und hohem Schwefelgehalt,<br />
für welche die angewandte<br />
Wirbelschichttechnologie hervorragend<br />
geeignet ist. Die Gegend, in der<br />
die Anlage entstehen soll, ist kaum<br />
besiedelt. Die Bilder, die wir bei der<br />
ersten Recherche im Internet gefunden<br />
hatten, zeigten uns ein Gebiet,<br />
das einer Mondlandschaft schon<br />
sehr nahe kommt. Braunkohle gibt<br />
es vor Ort in der Region Mihalıççık<br />
(Provinz Eskisehir) ç allerdings reichlich.<br />
Es war klar, dass dieses Projekt überdurchschnittliche<br />
Anforderungen an<br />
alle Beteiligten haben würde. Wir begannen,<br />
uns mit dem Derwisch langsam<br />
zu drehen.<br />
ANDRITZ hatte in den Verhandlungen<br />
deutlich gemacht, was sie von<br />
uns erwarten: Ein gewohnt umfassendes<br />
und korrektes Engineering als<br />
Grundstein für einen reibungsarmen<br />
Projektablauf.<br />
Wir beschritten also einen Weg, unsere<br />
Feuerfestwelt in ausreichender<br />
Detailtiefe zu definieren, ohne uns<br />
darin zu verlieren. Gewohnte Standards<br />
haben wir zum Teil verworfen<br />
und uns der Entwicklung neuer Ansätze<br />
zugewandt. Arbeitsmethoden<br />
wurden verändert und Platz geschaffen<br />
für eine erweiterte Wahrnehmung.<br />
So haben wir zum Beispiel Zeichnungen<br />
nicht mehr in einzelnen<br />
DWGs (hierbei handelt es sich um<br />
ein AutoCAD-Dateiformat) bearbeitet,<br />
sondern komplette Anlagenteile<br />
mit den zugehörigen Zeichnungen in<br />
einer DWG erfasst.<br />
Durch das Bearbeiten im Modellbereich<br />
wurden alle Bearbeitungsschritte<br />
auf die einzelnen Zeich -<br />
nungen innerhalb der Datei automatisch<br />
übertragen. Mit der damit weiter<br />
gesteigerten Effizienz konnten wir<br />
nicht nur die Nerven der Konstrukteure<br />
bei Änderungen und Korrekturen<br />
schonen.<br />
Eine weitere gelebte Arbeitsmethode<br />
war das Arbeiten mit einer sogenannten<br />
LOP (List of Open Points).<br />
Das ermöglichte trotz des enormen<br />
Umfangs an Dokumenten ein koordiniertes<br />
und effizientes Abarbeiten<br />
offener Punkte (Änderungen und<br />
Korrekturen). Herr Joachim Seifried<br />
(ANDRITZ), der zusammen mit dem<br />
Team um Herrn Matthias Trost (TEC)<br />
unsere Dokumente kundenseitig<br />
prüfte, nutzte dieses Werkzeug konsequent.<br />
Die Vorteile der LOP wurden<br />
uns allen spätestens im Laufe<br />
des Engineerings klar.<br />
Einer dieser offenen Punkte war<br />
auch die statische Detail-Betrachtung<br />
unserer Stahlkonsolen. Hier galt<br />
es zu ergründen, ob Dimensionen<br />
und Schweißnähte für die vorgesehene<br />
Belastung richtig ausgelegt<br />
waren. Dabei konnten wir unsere An-