Kommentiertes Prüfschema
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Weiss Thomas, wie alt Anja ist, meint aber, sexuelle Handlungen mit Kindern unter 16 Jahren seien nicht (mehr)<br />
strafbar, dann befindet er sich in einem Irrtum über die Rechtswidrigkeit, sein Handeln wird nach Art. 21 StGB<br />
beurteilt.<br />
3.2.2 Arten von Verbotsirrtum<br />
a) Direkter Verbotsirrtum<br />
Ein direkter Verbotsirrtum liegt vor, wenn der Täter sein Verhalten schlicht für nicht verboten hält.<br />
Es spielt dabei keine Rolle, ob der Täter positiv annimmt, seine Handlung sei rechtlich erlaubt, oder ob er keinen<br />
Gedanken an die Rechtswidrigkeit seiner Handlung verschwendet.<br />
Ein solcher direkter Irrtum wird im Kernbereich des Strafrechts selten vorkommen. Denkbar sind aber Fälle im Bereich<br />
des ANAG oder des SVG oder andere Nebenstrafgesetze.<br />
b) Indirekter Verbotsirrtum<br />
Ein indirekter Verbotsirrtum liegt vor, wenn der Täter sich zwar bewusst ist, dass sein Verhalten normalerweise verboten<br />
ist, er es aber fälschlicherweise für ausnahmsweise erlaubt hält. Der Täter nimmt also einen Rechtfertigungsgrund an,<br />
den es nicht oder nicht in diesem Umfang gibt.<br />
Der Täter geht davon aus, dass die Umstände einer konkreten Situation die grundsätzlich strafbare Handlung<br />
rechtfertigen.<br />
Sachverhaltsirrtum vs. Indirekte Verbotsirrtum<br />
Nimmt der Täter eine falsche Sachlagen an, die, wenn sie wirklich bestünde, einen Rechtfertigungsgrund schaffen würde,<br />
unterlieg er einem Sachverhaltsirrtum. Es handelt sich hier um eine Putativrechtfertigung vgl. Kapitel Rechtswidrigkeit.<br />
Nimmt der Täter eine falche Rechtslage an, geht er also von den tatsächlich vorliegenden Umständen aus und denk<br />
fälschlicherweise, diese würden einen Rechtfertigungsgrund schaffen, unterliegt er einem indirekten Verbotsirrtum.<br />
c) Rechtsfolgen<br />
- Unvermeidbarkeit des Irrtums<br />
Nach Art. 21 StGB handelt ein Täter nicht schuldhaft, wenn sein Irrtum unvermeidbar war. Der Irrtum wird entschuldigt<br />
und der Täter freigesprochen.<br />
Das Bundesgericht bejaht die Unvermeidbarkeit des Irrtums, wenn Tatsachen vorliegen, durch die sich auch ein<br />
gewissenhafter Mensch hätte in die Irre führen lassen. Unvermeidbarkeit wurde bspw. in folgenden Fällen angenommen:<br />
- Auskunft einer zuständigen Behörde, das Verhalten des Täters sei nicht strafbar<br />
- Früherer gerichtlicher Freispruch wegen desselben Verhaltens<br />
- Völlig unklare gesetzliche Regelung.<br />
- Vermeidbarkeit des Irrtums<br />
War der Irrtum vermeidbar, mildert das Gerict die Strafe nur. Vermeidbar eist ein Irrtum dann, wenn der Täter nach den<br />
Umständen an der Rechtsmässigkeit seines Tuns hätte zweifeln müssen. Das wird insbesondere dann angenommen,<br />
wenn der Täter sich über elementare sittliche Vorstellungen hinwegsetzt. Die Unvermeidbarkeit eines Verbotsirrtums wird<br />
nur äussert selten angenommen.<br />
d) Beispiel:<br />
BGE 104 IV 217 ff.<br />
BGE 116 IV 56, Erwägung 3a<br />
3.3 Zumutbarkeit rechtmässigen Verhaltens<br />
Der Täter befindet sich nicht in derart aussergewöhnlicher Bedrängnis, dass sein Handeln entschuldbar wäre. Es<br />
ist ihm zuzumuten, sich gemäss seinem Unrechtsbewusstsein zu verhalten.<br />
Die Schuldfähigkeit des Täters kann auch ausgeschlossen sein, wenn seine Entscheidungsfreiheit derart<br />
aussergewöhnlich eingeschränkt ist, dass von Unzumutbarkeit normgemässen Verhaltens gesprochen wird. Das<br />
StGB kennt keinen allgemeinen Schuldausschlussgrund „Unzumutbarkeit“, sondern umschreibt einzelne<br />
Entschuldigungsgründe ausdrücklich in besonderen Bestimmungen:<br />
3.3.1 Entschuldigender Notstand (Art. 18 StGB)<br />
Hier liegt eine Güterkollision vor. Das gerettete Gut ist hier nicht höher gewertet als das preisgegebene, d.h. die<br />
beiden Güter sind mehr oder weniger gleichwertig, so dass es verständlich erscheint, wenn sich der Täter für das<br />
ihm näher stehende Rechtsgut entscheidet.<br />
a) Voraussetzungen:<br />
- Notstandssituation<br />
• Individuelles Rechtsgut in Gefahr<br />
• Gefahr droht unmittelbar<br />
• Hochwertiges Gut betroffen; im Gesetz aufgezählt sind Leib, Leben, Freiheit, Ehre, Vermögen (nicht<br />
abschliessend)<br />
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