Revolutionserinnerung und Revolutionsopfer. Die ... - Historicum.net

30 Historische Zeitschrift Band 257 (1993)
kommen, die sich üblicherweise der Aufmerksamkeit der Historiker
entziehen: die Entschädigung der Opfer einer Revolution.
Ganz unbestreitbar bildete die Bewertung der Französischen Revolution
seit dem frühen 19.Jahrhundert eine Art von Prüfstein für
alle denkbaren Positionen im innenpolitischen Spektrum Frankreichs.
3) Nicht zuletzt diese Tatsache hat das wissenschaftliche Interesse
an der Rezeption dieser Revolution in Kunst, Wissenschaft, Literatur
und Historiographie erheblich gefördert. Die Annäherung
an die Diskussion über das Nachleben der Revolution, über „die
Revolution in der Restauration-4), soll durch ein Verfahren erreicht
werden, das die Revolution vor allem als Belastung und Impuls
praktischer Politik versteht. Revolutionäre Umwälzungen pflegen
der Nachwelt dadurch ihren Stempel aufzudrücken, daß sie soziale
Umbrüche inszenieren; sei es, daß eine herrschende Schicht entmachtet
und enteignet, ja zuweilen dezimiert oder gar eliminiert
wird, sei es, daß diese Schicht zur Emigration gezwungen wird. In
jedem Fall besteht spätestens dann Bedarf nach einer Bewältigung
der Revolutionsfolgen, wenn der Versuch unternommen wird, die
so revolutionierte Gesellschaft in ein neues Gleichgewicht zu bringen,
ihr eine neue Ordnung zu geben, die Dauerhaftigkeit verspricht.
Nicht zuletzt die Erfahrung unserer eigenen Zeit läßt uns solche
Fragen stellen 5), doch auch der Rückblick auf frühere revolutionäre
Umwälzungen legt solche Fragen nahe; ja man könnte sogar behaupten,
daß erst der Blick auf diese Art von Folgen einer revolutionären
Umwälzung einen Schlüssel zum Verständnis ihrer tatsächlichen
Folgewirkungen liefert, zumal dann, wenn sie nicht bei der
vordergründigen Frage nach den sog. „Kosten der Revolution" stehen
bleibt') Die Beispiele etwa des deutschen Bauernkriegs, der
') Zuletzt dazu knapp, aber treffend Heinz-Gerhard Haupt, Sozialgeschichte
Frankreichs seit 1789. Frankfurt am Main 1989, 152ff.
4)So Stanley Mellon, The Political Uses of History. A Study of Historians in
the French Restoration. Stanford 1958, Kap. III., 31ff.
5)Schon 1960 versuchte die englische Historikerin Margery Weiner die historische
Notwendigkeit einer Entschädigung der französischen Emigranten
damit zu begründen, daß nach 1945 „sogar die Deutschen anzuerkennen
hatten, daß sie denen eine materielle Entschädigung schuldeten, die sie in
vergleichbarer Weise ausgeplündert hatten". Vgl. Margery Weiner, The
French Exiles 1789-1815. London 1960, 204.
6)Vgl. etwa Reni, Le coüt de la Revolution francaise. Verites et Legendes.
Paris 1987.