Revolutionserinnerung und Revolutionsopfer. Die ... - Historicum.net
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W. Schulze, <strong>Revolutionserinnerung</strong> <strong>und</strong> <strong>Revolutionsopfer</strong> 51<br />
gesicherte Unverletzlichkeit des Eigentums, die eine Entschädigung<br />
erfordere. Er stellte sogar den Art. 9 der Charte in Frage, indem er<br />
die Unverletzlichkeit des Eigentums auf legitim erworbenes Eigentum<br />
begrenzte <strong>und</strong> damit de facto die revolutionären Besitzveränderungen<br />
aus der Garantie der Charte herausnahm.") Auf der ultrakonservativen<br />
Seite redete man sogar von der notwendigen Rückgabe<br />
der „gestohlenen" Güter.") Schließlich gab es auch Stimmen,<br />
die eine Wiedergutmachung des revolutionären Unrechts nur darin<br />
zu sehen vermochten, daß allein der Lauf der Zeit die W<strong>und</strong>en heilen<br />
könne. Parlamentarische Versammlungen seien nicht in der<br />
Lage, große historische Entscheidungen wie eine Revolution nachträglich<br />
zu reparieren. Für die konservativen Kritiker des Gesetzesvorhabens<br />
war gerade die mit dem Gesetz intendierte schwierige<br />
Verbindung von nachträglicher Sanktionierung der Revolution <strong>und</strong><br />
Beseitigung ihrer besitzrechtlichen Spuren ein unvereinbares Verfahren.<br />
<strong>Die</strong>se „monströse Mischung" von Gerechtigkeit <strong>und</strong> Revolutionsfurcht<br />
stelle einen tiefen Widerspruch dar.")<br />
Es kann nicht übersehen werden, daß in diese Debatte auch ein<br />
innenpolitisches Projekt hineinwirkte, das schon im Jahr 1824 für<br />
politische Unruhe im wohlhabenden Bürgertum gesorgt hatte <strong>und</strong><br />
damals nur dank der Ablehnung der Pairskammer zu Fall gebracht<br />
worden war. Dabei handelte es sich um den schon erwähnten Plan<br />
der Regierung, eine Umwandlung der Staatsrenten vorzunehmen.<br />
So naheliegend ein solcher Versuch für die Regierung sein mußte,<br />
so eindeutig war der Widerstand, nicht zuletzt deshalb, weil dies als<br />
ein Versuch interpretiert wurde, auf Kosten des wohlhabenden Bürgertums<br />
jene Gelder zu erhalten, die notwendig waren, um den Adel<br />
zu entschädigen. Schon in dieser Debatte hatte sich Villele gegen<br />
den Verdacht wehren müssen, als solle das Bürgertum zugunsten<br />
des Adels geplündert werden. Zwar habe der König versprochen,<br />
den Adel „mit den ersten Mitteln, die sich ohne Belastung des Volkes<br />
würden finden lassen", zu entschädigen, doch hier gehe es – so<br />
argumentierte er – vorrangig um das Staatsinteresse. Obwohl die<br />
Regierung in der Deputiertenkammer die Abstimmung gewonnen<br />
hatte, war die Opposition beachtlich stark gewesen, zumal sich auch<br />
Teile der Regierungsmehrheit unter dem abtrünnigen Chateaubri-<br />
") AP 43, 318.<br />
") So der Abgeord<strong>net</strong>e Duplessis de Grenedan am 21.2.1825 (hier zit. n.<br />
Gain, Restauration [wie Anm. 36], Vol. 1, 595).<br />
89 ) AP 45, 73 (Marquis de Duplessis de Grenedan).