Roter Mond (PDF-Version) - Arathas.de

mitgebrachte Werkzeuge zur Hand, verteilte sie unter den anwesenden Personen. Auch Talamà und Elander bekamen
jeweils eine Schaufel, dann wurden sie zum Stollen getrieben.
„Was genau müssen wir tun?“ fragte das Mädchen, und der Zwerg deutete auf die bröckelnde Erde.
„Hartklopfen“ antwortete der Kleine und schlug mit der Schaufel an die weiche Erdwand. „So lange, bis die Gefahr
eines Einsturzes gebannt ist. So geht es jeden Tag, meine Liebe: Entweder zwängt sich ein Drache durch die Wände,
und wir sorgen dafür, daß der Stollen auch begehbar bleibt, oder wir graben selbst. Die letztere Möglichkeit ist die
weitaus unangenehmere, wenn du mich fragst. Mit dem Biest als Vorarbeiter bleibt uns wenigstens ein Teil der Arbeit
erspart.“
Die Gruppe begann, auf die losen Erdbrocken einzuschlagen, die Wände zu festigen. An manchen Stellen mußten
große Brocken abgetragen werden, um das Vorankommen zu ermöglichen, doch stetig ging die Arbeit voran. Der Ork
beobachtete die schuftenden Personen gleichgültig, kippte sich dann und wann einen Schluck Wein oder etwas
Ähnliches in den Mund. Mit einem Rülpsen schlich er durch die versammelten Manur und versetzte ihnen ganz nach
Lust und Laune Schläge oder Tritte.
Mit Haß beobachtete ihn die Jurakai, und als er an ihr vorüberging und ihr einen Schlag gegen den Rücken versetzte,
schloß sie die Augen und schwor sich Rache. Der Aufseher wanderte weiter, um die Manur zu schikanieren, die am
entgegengesetzten Ende des Tunnels arbeiteten.
„Wieso unternimmt niemand etwas?“ wollte Talamà wissen und funkelte den Ork böse an. „Warum arbeiten sie alle,
ohne sich aufzulehnen?“
„Da fragst du noch?“ meinte Elander und verzog den Mund. „Erstens sind die meisten hier gar nicht mehr in der
Lage, sich zu wehren. Zweitens, was würde das bringen? Natürlich könntest du einen von den Mistkerlen mit deiner
Schaufel niederschlagen, aber was dann? Glaubst du, du würdest an ihm dort vorbeikommen?“
Talamà sah sich um, erkannte in einiger Entfernung das leichte weiße Leuchten von dem Hochgewachsenen, der
anscheinend über mehrere neue Tunnel wachte. Manchmal verschwand er für ein paar Sekunden, doch kurz danach
tauchte er wieder auf, bewachte die elenden Arbeiter. Etwas Abseits von ihm standen gleich mehrere Orks,
unterhielten sich in ihrer kehligen, grunzenden Sprache.
Kopfschüttelnd schuftete Talamà weiter, preßte das Blatt ihres Spatens gegen die Wand. Als die beiden eine Stelle
bearbeitet hatten, drängte der Aufseher sie zur nächsten, wo die gleichen stumpfsinnigen Aufgaben zu erledigen
waren.
„Vergiß deine Fluchtgedanken, Mädchen“ sagte Elander müde und hackte auf einen Erdklumpen ein, der den Weg
versperrte. Der Brocken zerbrach, und aus den Überresten krabbelten kleine Dinge davon, Würmer wanden sich auf
dem Boden. Bevor die Tierchen es schaffen konnten, sich wieder in die Erde zu bohren, hob der Zwerg sie auf und bot
der Jurakai die Speisen an. Voller Ekel wich sie zurück, betrachtete die sich windenden Würmer mit verzogenem
Gesicht.
„Das ist nicht dein Ernst“ murmelte sie, und ihre Stimme war von Zweifel erfüllt.
„Es ist mein voller Ernst“ sagte Elander, und fröhlich schob er sich einen langen Tausendfüßler zwischen die Zähne.
Knirschend zerbiß er das Tier, und Talamàs Magen drehte sich, als sie das knackende Geräusch vernahm.
„Du brauchst dieses Zeug, um hier zu überleben“ erklärte er und stopfte sich auch die restlichen Dinge in den Mund.
Die Jurakai wandte die Augen ab, drückte stur mit ihrer Schaufel gegen die Höhlenwand, bis die widerlichen Laute
verklungen waren, der Dverjae die Tiere geschluckt hatte.
„Wirklich gut. Ein wenig sandig vielleicht, aber gut.“
„Aber... es wird hier doch sicherlich auch noch etwas anderes zu Essen geben“ protestierte Talamà und sah sich nach
dem Wächter um, der gerade eine neue Runde begann. „Oder nicht?“ fragte sie leise.
„Natürlich“ gab Elander zurück und schaufelte Erde aus dem Weg. „Aber es ist so wenig, daß die Rationen von zehn
Personen nicht für eine reichen würde. Darum mußt du dir deine Nahrung auf andere Weise beschaffen. Oder du
stirbst.“
„Klingt wunderbar“ murmelte das Mädchen. „Aber ich werde erst von dieser Möglichkeit Gebrauch machen, wenn ich
wirklich Hunger habe.“
„Wie du meinst. Dann bleibt bis dahin mehr für mich übrig.“
Nach Stunden in der kalten Finsternis rief ihnen der Aufseher etwas zu, und erleichtert wandten sich die Mitglieder
der Gruppe ab von den Wänden, eilten zur Weggabelung. Das letzte Stück überrannten sie sich fast, und die Starken
unter ihnen hatten den Vorteil, die anderen zurückdrängen zu können, sie von sich fortzustoßen. Auch Talamà und
Elander rannten nach vorn, und durch die Planung des Zwergs waren sie als erste beim Ork. Der Dverjae hatte es so
eingerichtet, daß sie beim Schrei dem Aufseher am nächsten waren, nicht mit den übrigen Manur zu kämpfen hatten.
Verächtlich warf der Ork der Gruppe ein paar Stückchen Brot zu, und mit gestreckten Händen langten die
Ausgehungerten danach, rangen um die kleinen Klumpen, die Leben bedeuteten. Mit finsterer Zufriedenheit kehrte
der Ork ihnen den Rücken, ging durch den Gang zu anderen Angehörigen seiner Rasse und holte demonstrativ ein
Stückchen Fleisch hervor, zerkaute die Nahrung genüßlich. Talamà und Elander, die einen Großteil des Brotes für
sich beanspruchen konnten, zogen sich in eine Ecke der Höhle zurück, und die Jurakai wollte den Brotklumpen ganz
verzehren, als der Zwerg ihr davon abriet.
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