Roter Mond (PDF-Version) - Arathas.de
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„Nimm ihn, Paves. Falls wir uns irgendwann verteidigen müssen, ist eine Waffe bestimmt nicht die schlechteste I<strong>de</strong>e.“<br />
Mit leuchten<strong>de</strong>n Augen nahm <strong>de</strong>r Knabe <strong>de</strong>n Dolch entgegen und ließ ihn zwischen seinen Fingern kreisen. Er holte<br />
ihn aus seiner kleinen Schei<strong>de</strong> hervor und ritzte versuchsweise seine Haut. Ein blutiger Striemen zog sich sogleich<br />
über die entsprechen<strong>de</strong> Stelle seines Armes. Lächelnd hielt er sich die Wun<strong>de</strong> und ließ <strong>de</strong>n Dolch in seine<br />
Ummantelung zurückgleiten.<br />
„Danke.“<br />
„Bedank dich lieber bei mir, in<strong>de</strong>m du ihn sinnvoll einsetzt.“<br />
Ungeduldig nahm <strong>de</strong>r Ritter die Zügel seines Gauls in die Hand und führte ihn aus <strong>de</strong>n Ställen, hinaus auf die<br />
breiteste Straße Darburgs. Im Schein <strong>de</strong>s abnehmen<strong>de</strong>n <strong>Mond</strong>es lag die Stadt ruhig da, keine Menschenseele war zu<br />
sehen. Nur die gelegentliche Wache, die ihre Run<strong>de</strong>n machte und das Öl von verlöschen<strong>de</strong>n Laternen wie<strong>de</strong>r<br />
nachfüllte, erzeugte schlurfen<strong>de</strong> Geräusche im zerwühlten Staub, <strong>de</strong>r die Er<strong>de</strong> be<strong>de</strong>ckte. Ansonsten herrschte<br />
Totenstille. Bis zum Morgengrauen dauerte es noch ein wenig, und vor <strong>de</strong>r Dämmerung wür<strong>de</strong>n sie bei<strong>de</strong> wohl nicht<br />
zu <strong>de</strong>n Toren hinausgelassen wer<strong>de</strong>n.<br />
Mit einem Mal erweichten die harten, verhärmten Züge Dynes‘, und er lächelte Paves an. „Hast du schon einmal<br />
Karten in <strong>de</strong>r Hand gehabt, Junge?“<br />
„Spielkarten?“ fragte Paves erstaunt. „Natürlich, Herr.“<br />
„Gut. Ich habe nämlich gera<strong>de</strong> eine I<strong>de</strong>e gehabt, wie wir uns die Zeit bis Sonnenaufgang vertreiben können. Komm<br />
mit.“ Sie führten Sturmauge und <strong>de</strong>n weißen Schimmel zurück in die Stallungen und betraten das Wachhaus, aus <strong>de</strong>m<br />
sie vorhin gekommen waren, erneut.<br />
„Ich habe noch nie eine Stadt gesehen, in <strong>de</strong>r die Wächter Nachts nicht spielen wür<strong>de</strong>n, Kleiner.“<br />
Nachtfalke und seine Gefährten waren fast am Ausgang angelangt, die Überreste <strong>de</strong>s zerschmetterten Tores lagen vor<br />
ihnen. Große Gesteinsbrocken und Holzbohlen versperrten <strong>de</strong>n Weg, und sie mußten im Zickzack um die Trümmer<br />
rennen. Ein Heulen ertönte, und die Jurakai blickten nach oben. Von <strong>de</strong>r Zinne eines Turmes, <strong>de</strong>r noch aufrecht stand<br />
und einmal als Unterstand für Wachposten gedient haben mußte, sah ein Ork zu ihnen hinunter, kreischte wütend.<br />
Zwei weitere kamen aus einer kleinen Tür am unteren En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Turmes, schwangen ihre Schwerter und Äxte. Indigo<br />
lief auf sie zu, Nachtfalkes Ruf zum Trotz, daß er warten solle. Grimm zuckte nach vorn, prallte auf die Axt eines<br />
Gegners, ließ sie zur Seite fliegen. Mit einem ausholen<strong>de</strong>n Schlag trennte er <strong>de</strong>n Kopf <strong>de</strong>s Orks von seinem Körper,<br />
wich sofort wie<strong>de</strong>r zurück, um vorbereitet zu sein für <strong>de</strong>n zweiten Angreifer. Hinter ihm schrie Nachtfalke entsetzt<br />
auf, und er konnte auch Talamàs Stimme ausmachen, die in <strong>de</strong>n Aufschrei einfiel. Er konnte sich keinen Reim auf die<br />
Warnungen machen, stieß Grimm vor, umging die Klinge <strong>de</strong>s Orks und trieb das eigene Eisen in <strong>de</strong>n Körper <strong>de</strong>s<br />
Wesens. In <strong>de</strong>r selben Sekun<strong>de</strong>, in <strong>de</strong>r er sein Schwert in <strong>de</strong>n Gegner bohrte, prallte Nachtfalke mit aller Wucht gegen<br />
ihn, schleu<strong>de</strong>rte ihn beiseite.<br />
Indigo lan<strong>de</strong>te im Dreck, Grimm steckte noch immer im Brustkorb <strong>de</strong>s Angreifers. Als <strong>de</strong>r Junge aufblickte, sah er<br />
gera<strong>de</strong> noch, wie ein Schatten, <strong>de</strong>r von oben herabkam, immer schneller auf seinen Freund zuraste. Der auf <strong>de</strong>m Turm<br />
verbliebene Ork war allem Anschein nach gesprungen, wagte einen verzweifelten Versuch, <strong>de</strong>n Jurakai zu töten.<br />
Indigos Mund öffnete sich, um zu schreien, doch es war zu spät. Vor seinem inneren Auge sah er bereits <strong>de</strong>n<br />
durchstoßenen Leib seines Freun<strong>de</strong>s, durch die Unachtsamkeit <strong>de</strong>s Jungen getötet. Doch brachte Nachtfalke es fertig,<br />
sein Schwert zu heben, die Klinge schützend über sich zu halten. Die Waffe <strong>de</strong>s Schwarzorks prallte daran ab, <strong>de</strong>r<br />
Feind wur<strong>de</strong> nach hinten geworfen, rollte auf <strong>de</strong>m Bo<strong>de</strong>n. Nachtfalke hatte bei <strong>de</strong>m Angriff sein Schwert verloren und<br />
fluchte. Er richtete sich auf und griff nach unten an sein Bein. Der Dolch, <strong>de</strong>n er dort aufbewahrte, wür<strong>de</strong> ihm nun<br />
gute Dienste leisten. Er zog die kleine Waffe, doch noch bevor er seinen Körper <strong>de</strong>m Ork zuwen<strong>de</strong>n konnte, trieb <strong>de</strong>r<br />
Gegner sein Schwert durch Nachtfalkes Brust, und die bei<strong>de</strong>n Gestalten flogen schleu<strong>de</strong>rnd <strong>de</strong>m Erdbo<strong>de</strong>n entgegen.<br />
So fest er konnte, hämmerte <strong>de</strong>r Angreifer seine Klinge weiter in <strong>de</strong>n Leib von Indigos Freund, rammte das Schwert<br />
bis tief in die Er<strong>de</strong>, spießte Nachtfalke auf. Der Alte blickte seinen Kontrahenten mit vor Entsetzen geweiteten Augen<br />
an, öffnete <strong>de</strong>n Mund. Seine Hand stieß vor, und mit einer letzten Anstrengung stach er <strong>de</strong>m Schwarzork <strong>de</strong>n Dolch in<br />
<strong>de</strong>n Hals. Gleich darauf sackte er zurück, sein Leib glitt an <strong>de</strong>r Schnei<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Schwertes hinab. Brüllend vor Schmerz<br />
fuhr <strong>de</strong>r Ork in die Höhe, zuckte zusammen und hielt sich <strong>de</strong>n Hals. Er bemerkte Indigo nicht, <strong>de</strong>r mit haßerfülltem<br />
Gesicht auf ihn zurannte, Grimm in <strong>de</strong>n Hän<strong>de</strong>n schwingend, die Zähne gefletscht vor Schmerz und Zorn. Noch bevor<br />
<strong>de</strong>r Junge zuschlagen konnte, verdichtete sich die Luft, ein Dröhnen füllte seine Ohren, und <strong>de</strong>r Körper <strong>de</strong>s Orks<br />
wur<strong>de</strong> hinfortgerissen, schleu<strong>de</strong>rte durch die Luft und wur<strong>de</strong> gegen die steinerne Wand <strong>de</strong>s Turms gequetscht. Nach<br />
einigen Sekun<strong>de</strong>n verhallte das Wort, und was von <strong>de</strong>r Wand herabrann, war nicht viel mehr als zermalmter Schleim.<br />
Indigo blickte sich um, sah Talamà, die wuterfüllt auf <strong>de</strong>n zerquetschten Feind sah. Mit tränenschimmern<strong>de</strong>n Augen<br />
rannte sie zu Nachtfalkes Körper, kniete sich neben <strong>de</strong>n Gefallenen.<br />
Auch Indigo wandte sich <strong>de</strong>r leblosen Hülle zu, die mit verrenkten Glie<strong>de</strong>rn auf <strong>de</strong>m harten Erdreich lag. Nachtfalke<br />
weilte nicht mehr unter ihnen... kein Wesen, das so viel Blut verloren hatte, konnte noch am Leben sein. Der Jurakai<br />
beugte sich über seinen Freund, fuhr mit <strong>de</strong>r Hand über <strong>de</strong>ssen aufgerissene Augen, schloß sanft die toten Li<strong>de</strong>r.<br />
„Es tut mir leid“ flüsterte er. Wie ein zerbrechliches Blatt hielt die Hand <strong>de</strong>s Alten. „Es tut mir leid. Es war meine<br />
Schuld, Falke. Meine Schuld...“<br />
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