Roter Mond (PDF-Version) - Arathas.de
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„Geh“ winkte <strong>de</strong>r Prinz <strong>de</strong>m Boten zu, dann, an Dynes gewandt: „Scha<strong>de</strong>, fin<strong>de</strong>t Ihr nicht auch? Es wäre sicherlich<br />
ein interessantes Schauspiel gewesen, wenn Ihr Eure Geschicklichkeit mit <strong>de</strong>r meines Schwagers gemessen hättet.<br />
Doch es ist nicht zu än<strong>de</strong>rn. Bitte geht Euren Pflichten nach und mel<strong>de</strong>t Euch bei meinem Vater, was immer er auch<br />
von Euch will...“<br />
„Es war mir eine Ehre, mein Prinz“ verabschie<strong>de</strong>te sich Dynes und konnte <strong>de</strong>n Zorn Leonarts förmlich spüren, <strong>de</strong>r wie<br />
ihn wie eine Wolke umgab. Es dauerte eine Weile, bis er sich durch das Gewirr <strong>de</strong>r Menschen gedrängt, die von <strong>de</strong>r<br />
Putzkolonne belegten Gänge umlaufen und die Strecke zwischen Hof und Thronsaal zurückgelegt hatte. Der König<br />
empfing ihn – wie immer – förmlich. Von seinem großen, mit rotem Samt besticktem Thron aus blickte er auf, als<br />
Dynes in seine Gemächer trat. Ein Ausdruck <strong>de</strong>r Langeweile huschte über sein Antlitz.<br />
„Ich habe Euch erwartet, Sir <strong>Arathas</strong>.“<br />
„Herr?“<br />
„Es gibt eine unerfreuliche Nachricht, über die ich gern mit Euch sprechen möchte.“<br />
„Ja, Herr.“<br />
„Ich weiß sehr wohl, daß Ihr erst gestern angereist seid, um uns beim Turnier mit Euren Künsten zu erfreuen, Sir<br />
<strong>Arathas</strong>. Doch ich fürchte, daß Ihr nicht lange bleiben wer<strong>de</strong>n könnt. Ein Falke traf bei Sonnenaufgang ein – er<br />
brachte eine Botschaft mit <strong>de</strong>m Siegel Djenhalms, <strong>de</strong>m Lehnsherren Yarks.“<br />
„Herr?“<br />
„Djenhalm berichtet, daß ungewöhnliche Dinge vor sich gehen in <strong>de</strong>n Hochlan<strong>de</strong>n, daß einige <strong>de</strong>r Bauern aus Eueren<br />
Lehen sich in seine Städte geflüchtet hätten, Dynes.“<br />
Dynes blickte auf. „Herr?“<br />
„Ihr wißt davon?“<br />
„Als ich aufbrach, war mir nichts <strong>de</strong>rartiges bekannt, Herr.“<br />
„Gleichviel. Die Bauern berichten von seltsamen Dingen, die in ihren Dörfern vorgehen, und <strong>de</strong>r Stoßtrupp, <strong>de</strong>n<br />
Djenhalm daraufhin aussandte, kehrte nicht zurück. Wovor fürchten sich diese Bauern, Dynes?“<br />
Dynes verzog das Gesicht. „Oh, sie fürchten sich vor allem, was sie nicht kennen, Herr.“ Aber meist haben sie einen<br />
guten Grund dafür, fügte er in Gedanken hinzu.<br />
„Also kein Anlaß zur Sorge?“<br />
Dynes witterte die Gelegenheit, <strong>de</strong>m Festbetrieb entgehen zu können. „Möglicherweise. Vielleicht sollte ich<br />
aufbrechen, um nach <strong>de</strong>m Rechten zu sehen, Herr.“<br />
Der König nickte. „Gut. Ihr dürft natürlich noch am Turnier teilnehmen, Sir <strong>Arathas</strong>, wenn auch nicht die vollen<br />
sieben Tage“ fügte er mit einem Lächeln hinzu, das <strong>de</strong>m seines Sohnes aufs Haar genau glich. „Ihr wer<strong>de</strong>t heute<br />
Abend abreisen. Wenn wir Euren Kampf vorverlegen, wer<strong>de</strong>n die Leute Euch trotz<strong>de</strong>m kämpfen sehen.“<br />
„Ja, Herr.“<br />
Dynes tat sein möglichstes, das Gesicht nicht zu verziehen. Verdammt! Nun, <strong>de</strong>r Apfel fiel nicht weit vom Stamm,<br />
wie es so schön hieß.<br />
„Ich bin fertig, Dynes. Ihr dürft gehen.“<br />
„Herr.“<br />
Dynes erhob sich aus seiner knieen<strong>de</strong>n Position und trat ein paar Schritte zurück, bevor er <strong>de</strong>m König <strong>de</strong>n Rücken<br />
zuwandte. Zwei Wächter öffneten die Tore <strong>de</strong>s Thronsaals und ließen ihn hinaustreten. Mit vollkommen<br />
ausdruckslosem Gesicht schlen<strong>de</strong>rte er durch die langen Gänge, bis er einen Flur erreicht hatte, in <strong>de</strong>m er sich endlich<br />
allein glaubte. Er vergewisserte sich noch einmal, dann verzogen sich seine Mundwinkel und machten einem<br />
verbissenen Ausdruck Platz. Mit entfachter Wut schlug er seine geballte Faust gegen die steinerne Mauer, bis <strong>de</strong>r<br />
Schmerz so groß war, daß er keinen weiteren Schlag zustan<strong>de</strong> brachte.<br />
Erst, als das Brennen nachgelassen hatte, setzte er seinen Weg in die Gemächer <strong>de</strong>r Turmzinne fort.<br />
Finsternis umgab Indigo, als er seine Augen aufriß. Der harte Untergrund hatte ihn aus <strong>de</strong>m Schlaf geholt, ihn zurück<br />
in die wache Welt gebracht. Doch obwohl er nicht imstan<strong>de</strong> war, in <strong>de</strong>r Dunkelheit zu sehen, wußte er doch, daß<br />
etwas an diesem Ort schrecklich falsch war. Mit angespannten Gedanken richtete er sich auf, und mit einem leichten<br />
Schreck fuhr er in die Höhe.<br />
Seine Hän<strong>de</strong>, die er auf <strong>de</strong>n Bo<strong>de</strong>n stützte, berührten nicht etwa Holz, son<strong>de</strong>rn kalten, festen Stein. Doch das durfte<br />
nicht sein! Nicht in diesem Sa’e, <strong>de</strong>ssen hölzerne Auskleidung warm und... vertraut war. Ängstlich tastete er sich<br />
nach vorn, doch auch hier, inmitten <strong>de</strong>r seltsamen Düsternis, fand er nichts weiter als erkalteten Stein, unnachgiebig<br />
und hart.<br />
Wo befand er sich? An welchen dunklen, unheilvollen Ort hatte es ihn verschlagen? Er stand auf, und aus einem<br />
Reflex heraus verschränkte er die Arme vor <strong>de</strong>r Brust, rieb sich bibbernd die Haut. Es war kalt hier. Und es win<strong>de</strong>te.<br />
Das fiel ihm zwar erst jetzt auf, dafür aber umso stärker. Ein Sturm zog heran. Indigos Gedanken rasten, als er sich in<br />
<strong>de</strong>r frem<strong>de</strong>n Umgebung zurechtzufin<strong>de</strong>n versuchte. Ein Sturm war im Anzug, und er brachte nur Kälte und<br />
Unbarmherzigkeit...<br />
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