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Roter Mond (PDF-Version) - Arathas.de

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„Wovon sprichst du eigentlich, Falke?“ fragte Indigo aufgebracht. Er setzte sich auf einen bemoosten Stein. Der<br />

Morgentau durchdrang seine luftigen Klei<strong>de</strong>r und benäßte seine Haut. „Was verschweigst du mir? Ist etwas<br />

geschehen, von <strong>de</strong>m ich eigentlich wissen sollte? Warum kämpfen wir plötzlich, als ginge es um Leben und Tod?<br />

Nicht, daß ich damit nicht fertig wer<strong>de</strong>n könnte - es ist nur, daß ich gern mehr erfahren wür<strong>de</strong>. Du läßt mich im<br />

Dunkeln tappen, wenn es um diese Sache geht, aber wie soll ich mich vorbereiten, wenn ich nicht weiß, worauf es sich<br />

vorzubereiten gilt? Sprich mit mir, Falke!“<br />

Nachtfalkes Gesicht zeugte von Unruhe und Unzufrie<strong>de</strong>nheit. Der Jurakai sah mit einem Mal sehr, sehr alt und sehr<br />

gebrechlich aus. Die Falten in seinem Gesicht schienen sich zu verhärten, als er über die Worte Indigos nachsann. Er<br />

fasste einen Gedanken und drehte sich in Richtung <strong>de</strong>s Westtores Eldraja’aros.<br />

„Folge mir, und ich will dir erklären, was du zu erfahren verlangst. Aber es sind unerfreuliche Neuigkeiten von großer<br />

Wichtigkeit, und <strong>de</strong>swegen ist es ratsam, an einen... ruhigen Ort zu gehen.“ Mit schnellem Schritt verließ <strong>de</strong>r Jurakai<br />

die Lichtung, dicht gefolgt vom neugierigen Indigo. Sie passierten das Westtor, und ihre Spur führte weiter hinaus,<br />

direkt in <strong>de</strong>n Weilerwald hinein. Grüne, taufeuchte Zweige streiften die bei<strong>de</strong>n Gesichter und <strong>de</strong>ren Körper, während<br />

sich die zwei einen Weg durch das Dickicht bahnten. Auf einer Lichtung, die mehrere Wegminuten von Eldraja’aro<br />

entfernt lag, machte Nachtfalke halt.<br />

„Die Stadt hat Ohren, Indigo“ erklärte er seinem Begleiter. „Es gibt zwar keinen Jurakai, <strong>de</strong>r sich unaufgefor<strong>de</strong>rt in<br />

die Angelegenheiten eines an<strong>de</strong>ren einmischen wür<strong>de</strong>, aber Vorsicht ist besser als Nachsicht, vor allem nach <strong>de</strong>m, was<br />

am gestrigen Abend geschehen ist. Nicht viele wissen von <strong>de</strong>n Dingen, die ich erfahren habe. Und in nächster Zeit<br />

wer<strong>de</strong>n auch nicht viel mehr davon erfahren. Es ist eine Sache, die nur beunruhigt, und <strong>de</strong>swegen keinen Frie<strong>de</strong>n in<br />

die Wei<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Schlafes bringen wür<strong>de</strong>. Nur ein paar Jurakai wissen überhaupt davon, und nicht einmal wir haben<br />

ausreichen<strong>de</strong> Informationen. Es sind Vermutungen, gepaart mit Gerüchten, und das erste Opfer dieser zwei ist die<br />

Wahrheit. Dennoch ist genug bekannt, um wenigstens ein paar Dinge zu... schlußfolgern.“<br />

Nachtfalke mühte sich um ein gelassenes Gesicht und fuhr fort: „Diejenigen vom Volk, die im Nor<strong>de</strong>n wohnen, ließen<br />

uns Nachricht zukommen. Nachricht von Zerstörung und Leid. Es gab zahllose Tote, aber keine—„<br />

„Das Volk wur<strong>de</strong> angegriffen?“ unterbrach Indigo entsetzt. Es war seit Jahrhun<strong>de</strong>rten nicht mehr vorgekommen, daß<br />

das Volk einen Krieg gefochten hatte.<br />

„Langsam, Junge. Nicht das Volk wur<strong>de</strong> angegriffen. Die Manursiedlungen, die unterhalb <strong>de</strong>r Ra’an-Gebirge liegen,<br />

waren das Opfer <strong>de</strong>r Attacken. Auch die Dverjaestädte wur<strong>de</strong>n nicht verschont. Glücklicherweise wur<strong>de</strong>n bis jetzt<br />

noch keine Jurakai in diese Kämpfe verwickelt. Obwohl das vielleicht sogar ein Segen wäre - <strong>de</strong>nn wir wissen nichts<br />

von <strong>de</strong>m Etwas, das imstan<strong>de</strong> ist, ganze Siedlungen auszulöschen. Wür<strong>de</strong>n erst ein paar Jurakai miterleben, was <strong>de</strong>n<br />

Manur und Dverjae wi<strong>de</strong>rfuhr, könnten wir vielleicht mehr sagen.“ Nachtfalke zögerte einen Moment. „Aber auch das<br />

ist unwahrscheinlich. In <strong>de</strong>n überfallenen Städten gab es niemals Überleben<strong>de</strong>. Und falls doch, dann waren sie so<br />

grausam verstümmelt, daß kein Wort mehr über ihre Lippen kam. Es ist alles sehr seltsam, was sich dort oben zuträgt.<br />

Sehr kalt.“<br />

Mit Grauen hatte <strong>de</strong>r junge Jurakai gelauscht, um nun heftig <strong>de</strong>n Kopf zu schütteln. „Aber das kann nicht sein. Wieso<br />

wissen wir nichts? Gibt es <strong>de</strong>nn keine Spuren?“<br />

Nachtfalke lachte verbittert. „Spuren? Du meinst, abgesehen von zerfetzten Körpern und brennen<strong>de</strong>n Häusern? Nein,<br />

an<strong>de</strong>re Spuren lassen sich nicht fin<strong>de</strong>n. Es ist, als wäre ein Alptraum über die Siedlungen hereingebrochen, hätte<br />

gemor<strong>de</strong>t und vernichtet, um anschließend wie<strong>de</strong>r zu verschwin<strong>de</strong>n. In <strong>de</strong>n Trümmern wur<strong>de</strong> nichts gefun<strong>de</strong>n - ganz<br />

so, als hätten Schatten die Attacken verübt, um anschließend wie<strong>de</strong>r eins mit <strong>de</strong>m Dunkel zu wer<strong>de</strong>n, aus <strong>de</strong>m sie<br />

kamen.“<br />

„Das... das hatte ich nicht erwartet, Falke. Ich dachte nicht an ein solches Übel. Jetzt verstehe ich, warum du vorhin so<br />

hart mit mir umgesprungen bist.“ Die Blicke <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n Jurakai trafen sich und wechselten stumm eine vielsagen<strong>de</strong><br />

Botschaft.<br />

„Ja, das ist <strong>de</strong>r Grund für meine Besorgnis, Indigo. Und auch <strong>de</strong>r Grund, warum ich vorzeitig von <strong>de</strong>n Jagdgrün<strong>de</strong>n<br />

aufbrach, um nach Eldraja’aro zu kommen. Sie hätten mich bei <strong>de</strong>r Jagd sicherlich gut gebrauchen können, aber ich<br />

wollte nicht, daß du allein - o<strong>de</strong>r doch zumin<strong>de</strong>st fast allein - durch die Wäl<strong>de</strong>r streifst. Die wenigen, die noch in <strong>de</strong>r<br />

Wei<strong>de</strong> anzutreffen sind, wären dir keine große Hilfe. Und da ich <strong>de</strong>inem Vater einen Treueeid auf <strong>de</strong>in Leben geleistet<br />

habe, fühlte ich mich verpflichtet, dich aufzusuchen, nach<strong>de</strong>m ich die schreckliche Nachricht bekam.“<br />

„Danke“, murmelte <strong>de</strong>r junge Jurakai leise. „Aber was wür<strong>de</strong> <strong>de</strong>ine Anwesenheit hier nutzen, wenn dieses Etwas<br />

tatsächlich keine Gefangenen macht? Dann wärst auch du machtlos, und wür<strong>de</strong>st nur unnütz hier mit mir sterben.<br />

Nein, ich kann mir weitaus bessere Dinge vorstellen, die dir zustoßen, Falke. Der Tod ist ganz bestimmt keines<br />

davon.“<br />

„Falls Eldraja’aro angegriffen wer<strong>de</strong>n sollte, könnte ich wenigstens meinen Eid leisten und dich beschützen. Wenn<br />

Himmelfeuer es so will, dann wer<strong>de</strong>n wir eben gemeinsam sterben. Aber ich habe eigentlich an etwas an<strong>de</strong>res gedacht.<br />

Es sind ein paar Jurakai aufgebrochen, um am Hof <strong>de</strong>s Hochkönigs vorzusprechen und ihm von <strong>de</strong>m Unheil zu<br />

berichten. Die Geschehnisse fan<strong>de</strong>n viel zu weit Abseits statt, als daß die Informationen schnell ins Innere Reich<br />

gelangen könnten. Deswegen haben wir einige Boten entsandt, die <strong>de</strong>m König zutragen sollen, was wir in Erfahrung<br />

bringen konnten.“<br />

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