Roter Mond (PDF-Version) - Arathas.de
Roter Mond (PDF-Version) - Arathas.de
Roter Mond (PDF-Version) - Arathas.de
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
„Du bist wun<strong>de</strong>rbar“ lobte Talamà ihren Gefährten. „Aber es ist noch nicht vorbei. Wür<strong>de</strong>st du mir die Waffe<br />
überlassen?“<br />
„Ich schätze, du weißt, was du tust.“ Mit einem schiefen Grinsen reichte <strong>de</strong>r Zwerg ihr das improvisierte<br />
Mordwerkzeug. Die Jurakai umschloß es mit <strong>de</strong>n Hän<strong>de</strong>n, atmete tief ein, als sie das kalte Metall an ihrer Haut spürte.<br />
„Das hoffe ich auch.“<br />
„Vorwärts“ gellte Dynes, als er mitsamt seinem Gefolge über die Hügel donnerte.<br />
Die Hufe <strong>de</strong>r Pfer<strong>de</strong> erzeugten stauben<strong>de</strong> Schneewolken, und von überall erklang das Wiehern <strong>de</strong>r Tiere. Es war<br />
unverkennbar, daß sie etwas witterten. Je<strong>de</strong>r von ihnen spürte es.<br />
Die vergangenen Tage waren wie ein Traum gewesen, und nun schickte sich die Wirklichkeit plötzlich an,<br />
gleichzuziehen. Sie waren geritten o<strong>de</strong>r hatten übernachtet, etwas an<strong>de</strong>res hatte es nicht gegeben. Die Pfer<strong>de</strong> waren<br />
ausgelaugt und erschöpft, und ebenso die Reiter, die schon tagelang nichts an<strong>de</strong>res mehr getan hatten, als sich im<br />
Sattel zu halten.<br />
„Es ist soweit“ rief Tom neben ihm. Der Ritter nickte und umklammerte die Zügel von Sturmauge.<br />
„Ich weiß!“ Er hielt die Schei<strong>de</strong> seines Schwertes. Sie alle wußten es. Sie alle spürten es. Das Gefühl kam direkt von<br />
<strong>de</strong>n Pfer<strong>de</strong>n und setzte sich durch die Körper <strong>de</strong>r Menschen hindurch fort.<br />
Dynes’ Schar, zur Hälfte aus Bauern und zur Hälfte aus Soldaten bestehend, ergoß sich wie ein Schwall von Ameisen<br />
über <strong>de</strong>n nächsten Hügel. Dahinter eröffnete sich ihnen ein kleines Tal, eine Einmuldung zwischen ein paar größeren<br />
Hügeln.<br />
„Verdammt!“ schrie Dynes so laut, daß selbst die entferntesten Reiter ihn verstan<strong>de</strong>n. Er blickte nach vorn. Am Fuße<br />
<strong>de</strong>s Hügels wartete eine kleine Gruppe von Gestalten, die sich auf einen Kampf vorbereitete. Von <strong>de</strong>r<br />
entgegengesetzten Kuppe strömten Orks, liefen auf die Gestalten in <strong>de</strong>r Mitte, gera<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r Errichtung von Zelten<br />
befindlich, zu. Das schnei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Geräusch fliegen<strong>de</strong>r Pfeile erfüllte die Luft, und <strong>de</strong>r Ritter wußte, daß diese kleine<br />
Gruppe dort unten, wer o<strong>de</strong>r was immer sie auch sein mochten, niemals etwas ausrichten konnte gegen die Übermacht<br />
von Orks.<br />
Er riß sein Schwert aus <strong>de</strong>r Schei<strong>de</strong> und <strong>de</strong>utete nach vorn, auf die anbran<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Schar von Orks. Die Klinge blitzte im<br />
<strong>Mond</strong>schein, und wie zur Antwort wur<strong>de</strong>n hun<strong>de</strong>rt weitere Waffen gezogen, während die Pfer<strong>de</strong> galoppierten.<br />
Die Streitmacht <strong>de</strong>s Ritters sprengte an <strong>de</strong>n Shat’lan vorbei und direkt auf die Orkhor<strong>de</strong> zu. Ein paar Pfeile holten<br />
mehrere seiner Leute von <strong>de</strong>n Pfer<strong>de</strong>n, doch <strong>de</strong>r Großteil befand sich auch weiterhin im Galopp gegen <strong>de</strong>n Feind.<br />
Dann trafen die Gruppen aufeinan<strong>de</strong>r, laufen<strong>de</strong> Orks und reiten<strong>de</strong> Menschen, und wie ein wirbeln<strong>de</strong>r Sturm pflügte<br />
Dynes’ Gefolge durch die feindlichen Reihen.<br />
Hinter ihnen kamen die Shat’lan, die durch die unerwartete Hilfe neuen Mut geschöpft hatten.<br />
Rasen<strong>de</strong> Schmerzen zuckten durch Indigos Körper und Geist, während die Gedanken <strong>de</strong>s monströsen, alten<br />
Geschöpfes in seinem Wissen stöberten und seine innersten Wünsche und Ängste betrachteten. Er krümmte sich,<br />
krallte sich mit <strong>de</strong>n Hän<strong>de</strong>n am klebrigen Bo<strong>de</strong>n fest. Welle für Welle <strong>de</strong>s Schmerzes raste durch seine Knochen,<br />
durch sein Fleisch und schien ihn von innen her zu verbrennen. Sein verzerrtes Gesicht flog zurück, warf sich von<br />
einer Seite auf die an<strong>de</strong>re. Grauseeles unbarmherziger Geist befand sich in seinem eigenen, war psychisch verbun<strong>de</strong>n<br />
mit <strong>de</strong>m Jurakai. Ächzend rollte Indigo sich zur Seite, als <strong>de</strong>r gigantische Kopf sich nach vorn schob, trotz <strong>de</strong>r Größe<br />
eine beträchtliche Gewandheit bewies.<br />
Augen, die so alt waren, daß sie <strong>de</strong>r Entstehung von Bergen und Ozeanen beigewohnt hatten, betrachteten ihn mit so<br />
zerfetzen<strong>de</strong>r Verachtung, daß <strong>de</strong>r junge Mann sich wünschte, auf <strong>de</strong>r Stelle zu sterben, sein jämmerliches Leben<br />
hinzugeben und zu veren<strong>de</strong>n...<br />
Ruhig blickten die mannsgroßen Augen auf ihn herunter, als die Schnauze <strong>de</strong>s Drachens sich <strong>de</strong>m Jurakai näherte.<br />
Zähne wur<strong>de</strong>n entblößt, und aus <strong>de</strong>m Rachen strömte <strong>de</strong>r Gestank tausen<strong>de</strong>r und abertausen<strong>de</strong>r Jahre <strong>de</strong>r<br />
Ver<strong>de</strong>rblichkeit und <strong>de</strong>s Vergehens. Der heiße Atem umspülte Indigo, umgab ihn mit einer Wolke aus Bitterkeit und<br />
Schlechtheit. Vergeblich versuchte das winzige Opfer, sich <strong>de</strong>m geistigen Griff <strong>de</strong>s Monstrums zu entwin<strong>de</strong>n, doch es<br />
war vergebens.<br />
Dachtest du tatsächlich, du könntest uns aufhalten, Jurakai?<br />
„Jemand wird euch Einhalt gebieten“ knirschte Indigo zwischen zusammengebissenen Zähnen.<br />
Du glaubst also wirklich, daß ein Einzelner wie du in <strong>de</strong>r Lage wäre, meine Pläne zu vereiteln? Ein donnern<strong>de</strong>s<br />
Geräusch, das fast an ein menschliches Lachen erinnerte, hallte durch die neblige Höhle. Dein Glaube ist<br />
bemerkenswert, Würmlein.<br />
„Trifft das Wort Wurm nicht... viel eher auf dich zu?“ keuchte <strong>de</strong>r Jurakai erschöpft. Die Anstrengung, die Schmerzen<br />
in seinem Kopf zu ignorieren, brachte ihn fast um <strong>de</strong>n Verstand.<br />
Das enorme Wesen musterte ihn schnaubend, dann fuhr eine seiner Pranken nach vorn. Die Klaue, so groß wie ein<br />
Scheunentor und schuppig wie <strong>de</strong>r Rest <strong>de</strong>r Kreatur, erwischte Indigo mit voller Wucht, schleu<strong>de</strong>rte <strong>de</strong>n<br />
zerbrechlichen Körper über <strong>de</strong>n Bo<strong>de</strong>n.<br />
193