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Roter Mond (PDF-Version) - Arathas.de

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Orks hier zurückgelassen hatten. Mit tollwütigem Blick kam das graue Tier auf Indigo zu, schnupperte immer wie<strong>de</strong>r<br />

in <strong>de</strong>r Luft.<br />

Seltsam, dachte Indigo. Wölfe jagten normalerweise, sie vergingen sich nicht an herumliegen<strong>de</strong>m Aas.<br />

Das Tier heulte einen jammern<strong>de</strong>n, klagen<strong>de</strong>n Laut. Dann lief es auf <strong>de</strong>n jungen Mann zu, doch <strong>de</strong>r Jurakai erkannte<br />

gleich, daß diese Kreatur ihm nichts mehr anhaben konnte. Mit kurzen, hinken<strong>de</strong>n Sätzen setzte <strong>de</strong>r Wolf zum<br />

Sprung an, schlug verzweifelt mit einer Klaue nach ihm. Indigo wich zurück, und <strong>de</strong>r Schlag ging ins Leere.<br />

Vorsichtig humpelte das graue Tier nach hinten, schnupperte die frische Winterluft. Es war verwun<strong>de</strong>t und<br />

geschwächt, und sein Fell war unrein und zerfetzt. An manchen Stellen war schon die weiße Haut zu sehen, und tiefe<br />

Bißspuren und ein abgerissenes Ohr zeugten von einem Kampf. Indigos Blick fiel auf die Augen, die blutunterlaufen<br />

hin und her zuckten, sich nicht für eine bestimmte Richtung entschei<strong>de</strong>n zu wollen schienen.<br />

Dieser Wolf war blind. Er konnte <strong>de</strong>n Jurakai nur noch riechen, nicht aber sehen. Die Vögel mußten ihm das angetan<br />

haben, als er sich verwun<strong>de</strong>t hierher geschleppt hatte, um das Aas zu erbeuten, das überall herumlag.<br />

Zitternd schnüffelte das Tier, setzte zu einem weiteren Sprung an. Indigo wich vorsorglich zur Seite aus, umrun<strong>de</strong>te<br />

das verängstigte Wesen und musterte es mitfühlend. Es mußte ein Bär o<strong>de</strong>r ein an<strong>de</strong>rer Wolf gewesen sein, <strong>de</strong>r ihm<br />

diese tiefen Risse in <strong>de</strong>r Flanke und am Bauch zugefügt hatte. Es war ein Wun<strong>de</strong>r, daß die Kreatur noch lebte, noch<br />

nicht verblutet o<strong>de</strong>r erfroren war.<br />

„Sei still“ for<strong>de</strong>rte Indigo ruhig auf, und <strong>de</strong>r Wolf brach irr umherschauend auf <strong>de</strong>m Bo<strong>de</strong>n zusammen. Der Brustkorb<br />

hob und senkte sich schnell und unregelmäßig, und vorsichtig schritt <strong>de</strong>r Jurakai auf das liegen<strong>de</strong> Tier zu. Blut<br />

befleckte <strong>de</strong>n weißen Schnee, und hechelnd lag das mitlei<strong>de</strong>rwecken<strong>de</strong> Geschöpf auf <strong>de</strong>m kalten Weiß, die Zunge<br />

schlaff aus <strong>de</strong>m Maul hängend. Indigo setzte sich neben das Tier, streichelte über sein Fell.<br />

Der Wolf jaulte, zuckte zusammen, brachte jedoch die Kraft nicht mehr auf, um sich zu wehren. Er rutschte auf <strong>de</strong>m<br />

Bo<strong>de</strong>n herum, wollte <strong>de</strong>m frem<strong>de</strong>n Wesen entkommen, das sich ihm genähert hatte. Mit seinen blin<strong>de</strong>n Augen konnte<br />

er nichts mehr wahrnehmen, roch nur noch <strong>de</strong>n Duft, <strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Frem<strong>de</strong> verströmte. Er erkannte <strong>de</strong>n Geruch wie<strong>de</strong>r,<br />

erinnerte sich daran, ihn schon oft im Wald gerochen zu haben, in <strong>de</strong>n Eingängen zu Höhlen und auch an an<strong>de</strong>ren<br />

Stellen. Doch die Verursacher dieses Duftes hatten ihm nie etwas zu Lei<strong>de</strong> getan, und er hatte ihnen niemals<br />

nachgestellt. Etwas weniger verängstigt nun, bewegte er sich auf <strong>de</strong>m eisigen Bo<strong>de</strong>n, spürte das Pochen <strong>de</strong>r<br />

zahlreichen Wun<strong>de</strong>n um Bauch und Rücken. Die Laute <strong>de</strong>s frem<strong>de</strong>n Wesens waren son<strong>de</strong>rbar und klackend, doch <strong>de</strong>r<br />

Wolf hörte sie kaum noch, roch nur das Aroma <strong>de</strong>r Ruhe, das <strong>de</strong>r Kreatur entströmte. Er hechelte langsamer, als er<br />

<strong>de</strong>n festen Griff <strong>de</strong>s Frem<strong>de</strong>n an seinem Fell fühlte, die Wärme an seinen Wun<strong>de</strong>n. Er drehte <strong>de</strong>n Kopf nach hinten,<br />

versuchte, einen besseren Eindruck <strong>de</strong>s Geschöpfes zu bekommen. Dann spürte er einen kalten, kurzen Schmerz in<br />

<strong>de</strong>r Brust, danach nichts mehr, nur gna<strong>de</strong>nvolles Vergessen.<br />

„Ich hoffe, <strong>de</strong>in Leid hat ein En<strong>de</strong> gefun<strong>de</strong>n.“ Indigo zog die Klinge seines kleinen Messers aus <strong>de</strong>m Herz <strong>de</strong>s Tieres,<br />

befreite sie mit Hilfe <strong>de</strong>s Schnees von Blut. Deswegen waren die Raben also noch an diesem Ort. Sie hatten auf <strong>de</strong>n<br />

Tod <strong>de</strong>s Wolfes gewartet, um <strong>de</strong>n Kadaver dann abnagen zu können. Nun, dieses Vergnügen mußte ihnen <strong>de</strong>r Jurakai<br />

nehmen. Der Wolf wür<strong>de</strong> eine gute Mahlzeit abgeben, eine bessere, als er die letzten paar Tage bekommen hatte.<br />

Verfolgt von <strong>de</strong>n lauten Protestschreien <strong>de</strong>r Vögel, die sich in unmittelbarer Nähe auf <strong>de</strong>n Bo<strong>de</strong>n hockten und<br />

aufgeregt umherhüpften, schleifte Indigo <strong>de</strong>n Leib <strong>de</strong>s Tieres durch <strong>de</strong>n Schnee, brachte ihn zu Windmähne. Er lud<br />

<strong>de</strong>n toten Wolf auf <strong>de</strong>n Rücken <strong>de</strong>s Pfer<strong>de</strong>s, nahm ebenfalls auf <strong>de</strong>m Hengst Platz und umritt die Siedlung, so schnell<br />

es ging. Ein Schweif von übelgelaunten Krähen und Raben blieb hinter ihnen zurück, doch die Vögel machten sich<br />

nicht die Mühe, ihnen zu folgen. Vielleicht gab es noch weitere potentielle Opfer in <strong>de</strong>n Ruinen <strong>de</strong>r Höfe, vielleicht<br />

waren sie auch nur zu faul und hatten die Mahlzeit bereits von ihrer Speisekarte gestrichen.<br />

Dynes stand vor einer Schar von Menschen, die nun weit mehr als vierzig Köpfe zählte. Alle waren sie kampfbereit.<br />

Alle hatten sie ein Ziel vor Augen. Und das, obwohl <strong>de</strong>r Ritter vor weniger als nur zwei Stun<strong>de</strong>n mit seinem Leben<br />

schon abgeschlossen hatte.<br />

Die Schlacht, wenn man sie überhaupt als solche bezeichnen durfte, war kurz und unblutig verlaufen. Die Handvoll<br />

von Wächtern, die in das Wirtshaus „Zum alten Brunnen“ gestürmt waren, hatten sich plötzlich mit einer Überzahl<br />

von waffenschwingen<strong>de</strong>n Menschen konfrontiert gesehen. Da keiner von ihnen zur loyalen Leibgar<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Grafen<br />

gehört hatte, verspürte auch niemand von ihnen <strong>de</strong>n Drang, sein Leben zu geben, um <strong>de</strong>n E<strong>de</strong>lmann zu rächen. Statt<br />

<strong>de</strong>ssen klirrten die Schwerter <strong>de</strong>r Wachen auf <strong>de</strong>m Bo<strong>de</strong>n und ihre Hän<strong>de</strong> hoben sich über ihre Köpfe. Als zwei <strong>de</strong>r<br />

Wachen dann Dynes und seinen Knappen Paves wie<strong>de</strong>rerkannten, gegen die sie vor wenigen Tagen beim<br />

Kartenspielen verloren hatten, wen<strong>de</strong>te sich das Blatt gänzlich. Die bei<strong>de</strong>n Männer zögerten nicht lange und boten<br />

Dynes ihre Hilfe an, schworen ihm Treue. Der Rest <strong>de</strong>r Wächter folgte ihrem Beispiel.<br />

Die Soldaten hatten ihren Lebtag lang gelernt, zu dienen. Sie waren eine strenge Befehlsgewalt gewohnt und fühlten<br />

sich sicher, sobald ihnen kurze und präzise Anweisungen erteilt wur<strong>de</strong>n. Mit Reeves Tod war ihnen aller Halt<br />

genommen wor<strong>de</strong>n, und so waren sie froh, sich Dynes anschließen zu dürfen.<br />

Als die Gruppe dann nach Draußen aufgebrochen war, <strong>de</strong>nn schließlich konnten sie sich schlecht im Wirtshaus<br />

verstecken, gesellten sich immer mehr Soldaten auf diese Weise zu ihnen. Bevor es überhaupt zu einem Kampf<br />

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