Roter Mond (PDF-Version) - Arathas.de
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„Dann soll es so sein. Du bist ab jetzt mein Knappe, Paves.“ Er biß sich auf die Lippen und lachte grimmig. „Der<br />
Knappe eines Ritters ohne Lehen und Leute.“<br />
Jetzt schüttelte Paves <strong>de</strong>n Kopf. „Das stimmt nicht, Herr. Diese ganzen Menschen hier folgen Euch!“ Der Knabe<br />
zeigte auf die Hun<strong>de</strong>rtschaft von Kämpfern, die sich zum Ritt bereitmachten.<br />
Tom lächelte, als er Dynes beobachtete, <strong>de</strong>r zum ersten Mal auf diese Weise über die gegenwärtige Lage nachdachte.<br />
Bis jetzt hatte <strong>de</strong>r Ritter dieses kleine Heer als... nun, einfach nur als Heer gesehen. Ein paar Bauern und Soldaten, die<br />
sich gegen etwas auflehnten, das sie bedrohte. Doch nun...<br />
„Du hast Recht, Junge. Diese Menschen vertrauen uns. Wir wer<strong>de</strong>n sie nicht enttäuschen.“<br />
„Dann können wir also?“ Zara, die bis vor kurzem irgendwo zwischen <strong>de</strong>n Leuten verschwun<strong>de</strong>n gewesen war,<br />
tauchte nun auf. Yentaro, <strong>de</strong>r auf seinem Roß saß und einen entschlossenen Ausdruck zur Schau trug, kam ihr nach.<br />
„Wir sind alle bereit“ meinte die Frau und hob eine Hand. Ungefähr fünfzig Menschen, die bereits auf ihren Rössern<br />
warteten, hoben ebenfalls ihre Hand. Die Soldaten, etwa ebenso groß an <strong>de</strong>r Zahl, hatten sich ein wenig abgeson<strong>de</strong>rt<br />
und blieben still am Ran<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Geschehens. Sie erwarteten Dynes’ Befehle.<br />
„Dann also los. Zeigen wir’s diesen verdammten Bastar<strong>de</strong>n.“ <strong>Arathas</strong> zog die Zügel, und mit in <strong>de</strong>n Schnee<br />
schlagen<strong>de</strong>n Hufen begann Sturmauge zu laufen.<br />
„Hey!“ schrie Zara so laut sie konnte, und ihre Stimme, getragen vom Wind, hallte über die gesamte Ebene. Mit<br />
einem lauten Schrei setzten auch die an<strong>de</strong>ren ihre Pfer<strong>de</strong> in Bewegung und folgten <strong>de</strong>m Gespann an <strong>de</strong>r Spitze.<br />
Dynes, <strong>de</strong>r bereits in vollem Galopp voranritt, blickte zu einer sich nähern<strong>de</strong>n Gestalt, die von <strong>de</strong>r Linken her<br />
aufholte. Es war die rotschöpfige Frau, die mit Sturmauge gleichzog. Sie zwinkerte <strong>de</strong>m Ritter zu und richtete sich auf<br />
<strong>de</strong>m Rücken ihres Rosses auf.<br />
„Verdammte Welt“ rief sie lachend, während hinter ihr die Geräusche von hun<strong>de</strong>rt trampeln<strong>de</strong>n Pfer<strong>de</strong>n erklangen. In<br />
ihren Augen leuchtete das Feuer <strong>de</strong>s Lebens.<br />
Die Tage vergingen für Indigo wie ein Wachtraum, zogen vor seinem geistigen Auge herauf, verharrten kurz in <strong>de</strong>r<br />
Gegenwart, um anschließend wie<strong>de</strong>r im <strong>de</strong>m Nichts zu verschwin<strong>de</strong>n, aus <strong>de</strong>m sie gekommen waren. Die Stun<strong>de</strong>n, in<br />
<strong>de</strong>nen <strong>de</strong>r Jurakai wach war, füllte er mit Trinken und Essen, <strong>de</strong>nn gelegentlich schaute ein stämmiger Ork in das<br />
Verlies und verteilte Nahrung und Wasser. Was <strong>de</strong>m Jurakai aber am seltsamsten vorkam während seiner Zeit in <strong>de</strong>m<br />
Gewölbe, war, daß er nicht wie all die an<strong>de</strong>ren hinausgetrieben wur<strong>de</strong>, son<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>n ganzen Tag schlafend verbringen<br />
durfte. Die Manur wur<strong>de</strong>n zur Arbeit gebracht, soviel hatte er herausfin<strong>de</strong>n können. Doch niemand schien sich daran<br />
zu stören, daß er unbehelligt in seiner Mul<strong>de</strong> lag, und auch die Wärter achteten nicht auf die zerlumpte Gestalt, die<br />
einst ein stolzer Jurakai, vielleicht sogar ein Shat’lan gewesen war.<br />
Nach mehreren Wachphasen gab Indigo es auf, die Stun<strong>de</strong>n zu zählen. Wen kümmerte es hier unten schon, ob es Tag<br />
o<strong>de</strong>r Nacht war? Hell o<strong>de</strong>r dunkel, was spielte das in <strong>de</strong>m düsteren Gewölbe für eine Rolle? Das einzige, was hier<br />
noch zählte, waren die unregelmäßigen Mahlzeiten, die <strong>de</strong>m jungen Mann gebracht wur<strong>de</strong>n, die ihn stärkten. Er hatte<br />
sich seiner nassen Klei<strong>de</strong>r entledigt und war in das trockene Gewand einer Gestalt geschlüpft, die augenscheinlich<br />
keine Verwendung mehr dafür hatte, je<strong>de</strong>nfalls nicht in dieser Welt. Er verschwen<strong>de</strong>te keinen Gedanken daran, daß er<br />
einem Toten die Kleidung gestohlen hatte, <strong>de</strong>nn sein zittern<strong>de</strong>r Leib ließ <strong>de</strong>rartig törichtes Denken nicht zu.<br />
Als ein Geräusch ertönte und Ketten rasselten, dachte Indigo zuerst, daß die Manur zurückkämen, die vor vielen,<br />
vielen Stun<strong>de</strong>n aufgebrochen waren, um ihre unmenschliche Arbeit in <strong>de</strong>n Stollen zu verrichten. Doch anstatt Arbeiter<br />
hereinzulassen wur<strong>de</strong> ein mattes Schimmern am Türstock sichtbar, und <strong>de</strong>r Jurakai zuckte innerlich zusammen. Ein<br />
Weißer stakste durch die Höhle und kam direkt auf ihn zu. Er wußte nicht, ob es einer von <strong>de</strong>nen war, mit <strong>de</strong>nen er es<br />
schon vorher zu tun gehabt hatte, <strong>de</strong>nn die wi<strong>de</strong>rlichen Wesen sahen alle gleich aus. Ihre milchigen Augen<br />
schimmerten allesamt im selben toten Ton, in diesem farblosen Weiß, das noch heller war als die leuchten<strong>de</strong> Haut <strong>de</strong>r<br />
Kreaturen.<br />
Der Hochgewachsene be<strong>de</strong>utete ihm, sich zu erheben. Indigo beeilte sich, <strong>de</strong>r Auffor<strong>de</strong>rung nachzukommen, <strong>de</strong>nn er<br />
wollte dieses unbarmherzige Wesen auf keinen Fall erzürnen. Schnell rappelte er sich auf und folgte <strong>de</strong>m Weißen, <strong>de</strong>r<br />
bereits durch die Tür geschritten war und auf ihn wartete. Im Tunnel stand ein weiterer Hochgewachsener, <strong>de</strong>r ihn mit<br />
seinen milchigen Augen fixierte. Angeekelt wandte <strong>de</strong>r Jurakai <strong>de</strong>n Blick ab von <strong>de</strong>n Geschöpfen <strong>de</strong>s Untergrunds.<br />
Sätze wur<strong>de</strong>n gesungen, dann packte einer <strong>de</strong>r Weißen Indigo am Arm und zerrte ihn vorwärts.<br />
Gut! dachte dieser grimmig. Wenigstens trugen sie ihn nicht mehr. Und er war glücklicherweise wie<strong>de</strong>r stark genug,<br />
um ihrem schnellen Schritt zu folgen.<br />
Ohne Unterlaß lief das kleine Grüppchen durch die Höhle, und <strong>de</strong>r Jurakai mußte beinahe rennen, um das Tempo <strong>de</strong>r<br />
Geschöpfe einzuhalten. Je tiefer sie vordrangen in das Erdreich, <strong>de</strong>sto mehr verän<strong>de</strong>rte sich die Umgebung. Vorher<br />
mußten sie noch sehr nah an <strong>de</strong>r Oberfläche gewesen sein, <strong>de</strong>nn hier unten, viele, viele Fuß tiefer, war es wärmer und<br />
die Er<strong>de</strong> lockerer. Vereinzelte Fackeln erhellten Passagen <strong>de</strong>r Tunnel, die sich kreuz und quer durch das Erdreich<br />
zogen und ein enormes Labyrinth zu bil<strong>de</strong>n schienen.<br />
Die Er<strong>de</strong> schien zu atmen, zu pulsieren, und die gelegentlichen Stellen, an <strong>de</strong>nen Fels aus <strong>de</strong>n Wän<strong>de</strong>n hervortrat,<br />
faszinierten Indigo beson<strong>de</strong>rs. Das bereits chien rötlich zu sein, schien in einem pochen<strong>de</strong>n Rhythmus zu schlagen,<br />
fast wie ein Herz, das in diesen ganzen Gängen das Leben erhielt. Einerseits war die Vorstellung von einem riesigen<br />
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