Roter Mond (PDF-Version) - Arathas.de
Roter Mond (PDF-Version) - Arathas.de
Roter Mond (PDF-Version) - Arathas.de
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
<strong>de</strong>n Kopf noch immer auf Indigos Brust gepreßt, in einen wohlverdienten, tiefen Schlaf. Noch lange danach hielt<br />
Indigo <strong>de</strong>n Körper <strong>de</strong>r Frau fest und genoß die Wärme und das vertraute Gesicht an seiner Seite. Irgendwann<br />
schlummerte auch er ein, und in stummer Zweisamkeit kauerten die Gestalten in <strong>de</strong>r kalten Höhle und ließen die<br />
schlechte Erinnerung auf sich beruhen.<br />
Die schwarzen Schwa<strong>de</strong>n unreinen Rauches hingen wie eine verhängnisvolle, todbringen<strong>de</strong> Decke über <strong>de</strong>r Stadt<br />
Henshire, die inzwischen lichterloh brannte.<br />
Dynes und Paves hatten, ein paar Meilen östlich <strong>de</strong>r Stadttore, ihre Pfer<strong>de</strong> gezügelt und blickten nun zu <strong>de</strong>n lo<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>n<br />
Flammen. Von hier konnte man <strong>de</strong>n Rauch nicht mehr riechen, doch das entfachte Feuer erhellte die Nacht, machte<br />
sie stellenweise zum Tage.<br />
„Verdammte Bastar<strong>de</strong>“ sagte Dynes und biß die Zähne zusammen.<br />
„Sie sagten, sie haben im Auftrag <strong>de</strong>s Königs gehan<strong>de</strong>lt“ bemerkte Paves, aber <strong>de</strong>r Ritter schüttelte <strong>de</strong>n Kopf. „Nein,<br />
das haben sie sicherlich nicht. Vielleicht hat Westfald diesem Hurensohn von Reeves befohlen, die Epi<strong>de</strong>mie<br />
einzudämmen, aber bestimmt nicht auf diese Weise! Ich war bereits in einigen Städten, in <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>r Schwarze Tod<br />
ausgebrochen war. So etwas habe ich noch nie erlebt. Wenn ich Reeves noch einmal unter an<strong>de</strong>ren Umstän<strong>de</strong>n<br />
begegnen sollte, dann gna<strong>de</strong> ihm Himmelfeuer!“<br />
Der Knabe, <strong>de</strong>r längst mehr zu Gesicht bekommen hatte, als ihm lieb war, nickte. „Es tut mir leid, daß ich Euch nicht<br />
helfen konnte, Herr.“<br />
<strong>Arathas</strong> lachte schnaubend auf. „Ist schon gut, Junge. Ich hätte diesen Mistkerl einfach abstechen sollen, anstatt lange<br />
Fragen zu stellen. Es ist meine Schuld. Du hättest nichts tun können.“<br />
Eine Zeit lang schwiegen die bei<strong>de</strong>n, bis <strong>Arathas</strong> sich endlich dazu durchrang, Henshire hinter sich zu lassen.<br />
„Wir müssen weiter, Paves. Aber vorher sollten wir uns noch eine Unterkunft für die Nacht suchen.“<br />
„Wir könnten bei <strong>de</strong>n vereinzelten Höfen fragen“ schlug <strong>de</strong>r Junge vor.<br />
„Das hatte ich vor. Aber mach dir keine allzu großen Hoffnungen – die Bauern sind wahrscheinlich verängstigt und<br />
wer<strong>de</strong>n nicht einmal die Türen öffnen. Paves zuckte die Schultern, und daraufhin ritten sie los, um wenigstens noch<br />
ein wenig Schlaf zu ergattern in dieser rauhen Nacht.<br />
Als sie die ersten Höfe am Wegerand erreichten, wur<strong>de</strong>n Dynes Vorahnungen bestätigt. Hinter <strong>de</strong>n Lä<strong>de</strong>n brannte<br />
kein Licht mehr, und überhaupt wirkten die Höfe wie tot. Bald sahen die bei<strong>de</strong>n, daß es noch schlimmer stand, als sie<br />
angenommen hatten. Fensterlä<strong>de</strong>n waren von Innen verriegelt wor<strong>de</strong>n, zugeschlagen mit dicken Holzbohlen, so daß<br />
ungela<strong>de</strong>ne Gästen es schwer haben wür<strong>de</strong>n, von Außen her einzudringen. Kein Rauch quoll aus <strong>de</strong>n Schornsteinen,<br />
und das, obwohl es kalt wie in Wintersnächten war.<br />
Dynes stieg von Sturmauge und klopfte vorsichtig an die feste Holztür, erwartete aber nicht wirklich eine Antwort. Als<br />
nach langer Zeit tatsächlich eine Stimme hinter <strong>de</strong>r Tür laut wur<strong>de</strong>, hob <strong>de</strong>r Ritter überrascht die Brauen.<br />
„Ich bitte Euch, zu öffnen“ sagte er laut und <strong>de</strong>utlich und hoffte, daß er nicht zu grob klang. „Wir sind zwei Reisen<strong>de</strong><br />
auf <strong>de</strong>m Weg nach Yark und suchen Unterkunft für heut Nacht. Ich bin gern bereit, Euch dafür zu entlohnen“ fügte er<br />
nach kurzer Pause hinzu.<br />
Längere Zeit geschah nichts, was auf eine Antwort schließen ließe, doch dann erschall erneut die Stimme aus <strong>de</strong>m<br />
Innern <strong>de</strong>s Hauses. Leise, jedoch nicht unhörbar, verlangte sie, daß <strong>Arathas</strong> und Paves sich vor eines <strong>de</strong>r Fenster<br />
stellten. Die bei<strong>de</strong>n taten, wie ihnen geheißen, und schon bald wur<strong>de</strong> die Türe <strong>de</strong>s großen Gutshauses geöffnet, und<br />
eine alte, dickliche Frau sah zu ihnen hinaus. Ihre Miene wirkte angespannt, jedoch nicht unfreundlich.<br />
„Kommt rein, und beeilt Euch“ murmelte sie und verschwand im Eingang. Dynes lächelte und zog Paves hinter sich<br />
her.<br />
Sobald sie <strong>de</strong>n Wohnraum <strong>de</strong>s Hauses betraten, strömten ihnen würzige Düfte von Kräutern und getrocknetem Obst<br />
entgegen. Es war warm, und das, obwohl kein Feuer im Kamin lo<strong>de</strong>rte. Überall hingen Bil<strong>de</strong>r an <strong>de</strong>n holzgetäfelten<br />
Wän<strong>de</strong>n, und um einen Türstock herum konnte man einen Blick in ein Zimmer werfen, in <strong>de</strong>m Stroh auf <strong>de</strong>m Bo<strong>de</strong>n<br />
lag und aus <strong>de</strong>m das Blöken von Schafen erklang.<br />
Die bei<strong>de</strong>n Reisen<strong>de</strong>n folgten <strong>de</strong>r Alten, <strong>de</strong>ren buschige, hochgesteckte weiße Haarpracht ihnen <strong>de</strong>n Weg wies. In <strong>de</strong>r<br />
Küche zog sie zwei Stühle herbei und gestattete ihnen, sich zu setzen. Dynes bemerkte, wie groß <strong>de</strong>r Tisch war, daß er<br />
Platz genug bot für mehr als ein Dutzend Leute.<br />
„Und jetzt sagt mir, woher ihr kommt“ begann die alte Dame unvermittelt und betrachtete <strong>de</strong>n Ritter skeptisch.<br />
„Von <strong>de</strong>r Hochburg, Verehrteste.“<br />
„Ihr seht nicht so aus, als wür<strong>de</strong>t ihr die besten Freun<strong>de</strong> unseres Königs sein“ stellte die Alte fest und lehnte sich über<br />
<strong>de</strong>n Tisch.<br />
Dynes mußte unwillkürlich lachen. „Gewiß nicht, Madame! Gewiß nicht. Ich bin <strong>Arathas</strong> Dynes, einer <strong>de</strong>r<br />
Lehnsherren von <strong>de</strong>n Randgebieten Yarks. Ich bin auf <strong>de</strong>m Wege zurück dorthin, zusammen mit meinem Knappen<br />
Paves.“<br />
Die Dame musterte <strong>de</strong>n Knaben und schien zu <strong>de</strong>m Entschluß zu gelangen, daß diese Informationen ausreichend<br />
waren. Sie holte Becher und Teller und fing an, jedwe<strong>de</strong>s mit Speis und Trank zu füllen.<br />
62