Beelitzer Nachrichten - November 2013

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20. NOVEMBER 2013, SEITE 34 NR. 10 / 24. JAHRGANG BEELITZER NACHRICHTEN Sally-Bein Bein-Gymnasium Verständigung auf Augenhöhe 60 Kinder und Jugendliche aus Polen und Frankreich waren Ende Oktober in Beelitz zu Gast. Austausche haben am Sally-Bein-Gymnasium Tradition Witamy und Bienvenue in Beelitz! 60 Austauschschüler aus Warschau und der französischen Stadt Pornic waren Ende Oktober in Beelitz zu Gast. Zusammen mit Lehrern und Schülern des Sally-Bein- Gymnasiums haben sie eine Woche lang Ausflüge unter anderem nach Berlin und Potsdam unternommen und natürlich auch die Spargelstadt erkundet. Bei einem Besuch im Rathaus bekam eine Delegation von ihnen einen Einblick in die Geschichte von Beelitz und erfuhr, was die Stadt ausmacht. „Mit Polen verbindet uns besonders viel“, erklärte Bürgermeister Bernhard Knuth den 12- bis 18- Jährigen mit Verweis auf die Landwirtschaft. „Denn ohne unsere Saisonarbeitskräfte würde es unseren Spargel so nicht geben.“ Auch persönlich verbinde ihn viel mit Polen, immerhin stamme seine Familie mütterlicherseits aus Gdańsk, so Knuth. Und Frankreich sei eines seiner ersten Reiseziele gewesen, als die Mauer gefallen war. Der Austausch von jungen Menschen sei sehr wichtig, denn auf diesem Wege würden die Grundlagen eines friedlichen Zusammenlebens in Europa immer wieder erneuert werden, erklärte der Bürgermeister. Bereits seit 1995 gibt es enge Kontakte des Sally- Bein-Gymnasiums nach Frankreich. Geknüpft hatte sie die damalige Französischlehrerin Simone Schmidt. Mit Polen gibt es seit 2005 regelmäßige Austausche, im kommenden Jahr werden die Beelitzer Gymnasiasten nach Warschau reisen. Diese Projekte Im Rathaus erfuhren die Schüler, was die Stadt Beelitz ausmacht. Fotos: Thomas Lähns werden vor allem durch die Lehrer mit Leben gefüllt. „Die Kollegen kennen sich zum Teil seit Jahren und besuchen sich auch im Urlaub“, so Französisch-Lehrerin Birgit Haines. „Aber vor allem für die Kinder und Jugendlichen sind solche Begegnungen sehr wertvoll.“ Denn so etwas fördere die Motivation, sich mit anderen Kulturen und deren Sprache zu beschäftigen. „Neben den Schülern sind auch die Eltern besonders engagiert“, so Angela Fromhold-Treu von der Schulleitung. Denn untergebracht sind die Austauschschüler in den Familien. Und die würden ihrerseits noch einmal für ein reichhaltiges Programm in den Nachmittagsstunden sorgen und den Gästen damit eine Menge bieten. Dafür ist an diesem Wochenende ebenfalls ausgiebig Zeit. Am Montag wird es noch einmal einen gemeinsamen Unterricht und eine Quiz-Rallye durch die Stadt geben. Dabei werden die Schüler dann in Gruppen mit Fragebögen unterwegs sein und Informationen zur Stadt sammeln – bevor es am Nachmittag dann heißt: Au revoir und Do widzenia!
BEELITZER NACHRICHTEN NR. 10 / 24. JAHRGANG 20. NOVEMBER 2013, SEITE 35 Alles Menschliche erstickt Zippora Feiblowitsch hat als Jugendliche die Vernichtungslager der Nazis überlebt. Am Sally-Bein-Gymnasium berichtete sie über ihr unfassbares Schicksal 60 Jahre lang wollte sie keinen Fuß mehr auf deutschen oder polnischen Boden setzten - zu groß war das Grauen, welches sie hier erfahren hatte. Erst jetzt, im hohen Alter, kehrt Zippora Feiblowitsch in das Land jener zurück, die sie einst quälten, die ihr ihre Familie raubten und fast ihr gesamtes Volk vernichteten. Als Zeitzeugin will sie an die Verbrechen des Nationalsozialis mus erinnern und junge Menschen mahnen - „damit so etwas Unvorstellbares nie mehr geschieht“. Die 86-jährige Jüdin war kürzlich am Sally-Bein- Gymnasium zu Gast und sprach zwei Stunden lang über die Gräuel, welche sie erleben und mit ansehen musste. Initiiert hat die Begegnung das Institut Neue Impulse, welches auch Austausche zwischen Jugendlichen aus Deutschland und Israel organisiert. Dass der Besuch genau auf den Geburtstag Sally Beins am 6. November fiel, war reiner Zufall. Der Gründer des jüdischen Kinderheims in Beelitz erblickte vor 132 Jahren das Licht der Welt. Gestorben ist er wahrscheinlich dort, wo Zippora Feiblowitsch selbst ein unmenschliches Martyrium erleiden musste: In Auschwitz. 1944 wurde ihre Familie in ihrer Heimat in Siebenbürgen von Nachbarn denunziert und von der Polizei in einen Zug gesetzt. „Die Waggons waren so voll, man konnte sich keinen Zentimeter bewegen. Tagelang ging die Fahrt.“ Noch schrecklicher aber war die Ankunft: „In Auschwitz empfing uns ein hoch gewachsener und gut aussehender Mann. Er war der größte Teufel von allen.“ Detailliert beschreibt Zippora Feiblowitsch, wie KZ-Arzt Joseph Mengele den Häftlingen klar machte, dass der schwarze Rauch aus den Schloten und der Geruch nach verbranntem Fleisch von Menschen stammt - und dass ihnen das gleiche Schicksal bevorstünde. Ihre Eltern wurden gleich „selektiert“ und Zippora Feiblowitsch (l.) berichtete von unfassbaren Gräueltaten, die an ihrem Volk begangen wurden. ermordet, Zippora und ihre Schwester galten noch als verwendungsfähig. „Es war immer kalt. Es gab keinen Baum, keinen Vogel“, schildert die 86- Jährige den Lageralltag. Zehn Mädchen mussten sich ein Bett und eine Decke teilen, zu essen gab es nur eine mit Brom vergiftete Suppe. Sie durften sich nicht waschen, bekamen sämtliche Haare geschoren, jede hatte nur ein Kleid. Im Winter wuschen sie sich mit Schnee. „Wir haben alles versucht, um menschlich zu bleiben.“ Und die Deutschen haben alles versucht, um jeden Rest von Menschlichkeit zu ersticken. Sie berichtet, wie eine Freundin, „eine 20- jährige wunderschöne Frau“, vor den Augen der SS-Leute ihr Kind gebären musste - und dann gezwungen wurde, es in einem Eimer zu ertränken. Bei solchen Berichten muss Zippora Feiblowitsch immer wieder um Fassung ringen - auch nach so vielen Jahren. Doch unermüdlich erzählt sie weiter, während die Zehntklässler ihrerseits kaum zu atmen wagen. Sie berichtet, wie sie erneut in einen Zug gepfercht und nach Salzwedel geschafft wurde, wo sie als Zwangsarbeiterin Patronenhülsen fertigen musste. Für Sally Bein wurde nach dem Gespräch eine Gedenkstunde veranstaltet. Fotos: Lähns Wie sie schreckliches Fieber bekam, nachdem sie eine W internacht lang im Schnee knien musste. Und wie der Lagerkommandant sie versteckte, weil er offenbar ahnte, dass das Kriegsende bevor stand. „Haben Sie in all der Zeit noch gehofft zu überleben?“, fragt eine Schülerin in die Stille. „Bis zum Schluss nicht“, so die Antwort. Doch letztendlich habe sie gewonnen, sagt Zippora Feiblowitsch nicht ohne Stolz. Denn sie habe nicht nur überlebt, sondern sogar eine Familie gegründet. Nach dem Krieg streifte sie mit ihrer Schwester fast ein Jahr durch Europa auf der Suche nach dem Bruder, wollte schließlich nach Israel auswandern und lernte unterwegs ihren späteren Mann kennen. Heute lebt Zippora Feiblowitsch in Haifa. Sie hat drei Kinder, 13 Enkel und viele Urenkel, wie sie erzählt. Ihre Tochter Malka sitzt - wie meistens bei ihren Zeitzeugengesprächen - neben ihr. „Meine Mutter ist eine Heldin“, sagt sie auf Englisch. Und dann berichtet sie, wie es ihr als Kind von KZ-Überlebenden gegangen war: „Für uns gab es nur unsere Eltern, keine Großeltern, keine weiteren Verwandten.“ Oft mussten die Kinder still sein, wenn im Radio Lebenszeichen von möglichen Verwandten durchgegeben wurden. Und es musste bei Tisch immer alles aufgegessen werden. Zippora Feblowitsch nickt. Denn es gab Zeiten, in denen sie für ein Stück Brot gestorben wäre.
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