Ausgabe herunterladen - Die Wirtschaft - Neue Osnabrücker Zeitung
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DONNERSTAG,19. DEZEMBER 2013<br />
15<br />
BRANCHEN&BETRIEBE<br />
Carsharing<br />
wird salonfähig<br />
ImmermehrStädter leihen sichlieber ein<br />
Auto, alseszubesitzen–auch in Osnabrück<br />
VON KATJA HEINS<br />
OSNABRÜCK/WOLFSBURG. Bohrmaschinen,<br />
Bücher, Schlafplätze<br />
und<strong>Die</strong>nstleistungen:<strong>Die</strong><br />
Idee desTeilensbeginnt sichin<br />
vielen Lebensbereichen durchzusetzen.Experten<br />
sprechen<br />
vonder „Shareconomy“–inden<br />
sozialenNetzwerken werden Inhaltegeteilt,inder<br />
realenWelt<br />
wird zunehmendverliehen und<br />
ausgeborgt. DasBesitzen eines<br />
Autos scheint nichtmehr so<br />
wichtigzusein wiefrüher.<strong>Die</strong><br />
deutsche Carsharing-Branche<br />
gibtGas undzählt nachAngabendes<br />
Automobilclubs<br />
Deutschland (ADAC) mittlerweile<br />
knapp einehalbe Million<br />
Kunden. 2011 warenesgerade<br />
malhalb so viele.<br />
„<strong>Die</strong> Gesellschaft hat inden vergangenen<br />
20Jahren einen Wandel vollzogen“,<br />
sagt Christian Reining, Vorstandsmitglied<br />
im Bundesverband<br />
Carsharing und Mobilitätsexperte<br />
bei den <strong>Osnabrücker</strong> Stadtwerken.<br />
„Während das Auto noch vor 20<br />
Jahren Statussymbol war, sind es<br />
heute Fernreisen, Tablet-Computer<br />
oder Flatscreen-Fernseher.“ Auch<br />
das Verhältnis zum Geld habe sich<br />
verändert. Versicherungen, Benzin,<br />
Abnutzung und Reparaturkosten –<br />
früher habe der Autofahrer die <strong>Ausgabe</strong>n<br />
weniger im Blick gehabt.<br />
„Heute sind die meisten achtsamer.<br />
Das Geld istvielen zu schade für ein<br />
privates Fahrzeug“, ist Reining sicher.<br />
Laut ADAC liegen die Vollkosten<br />
für einen eigenen Wagen im<br />
Schnitt bei 5000 bis 6000 Euro pro<br />
Jahr. Warum also nicht ein Auto<br />
mitanderen teilen?<br />
Der Begriff Carsharing steht für<br />
die organisierte gemeinschaftliche<br />
Nutzung eines oder mehrerer Autos.<br />
Doch teilen ist nicht gleich teilen,<br />
die Konzepte sind zahlreich. So gibt<br />
es stationsbasierte Modelle, bei denen<br />
die Leihfahrzeuge wieder beim<br />
Anbieter abzugeben sind. Start- und<br />
Zielort müssen vor Fahrtantritt festgelegt<br />
werden. <strong>Die</strong> Deutsche Bahn<br />
ist mit ihren Flinkstern inDeutschland,<br />
Österreich, der Schweiz und<br />
den Niederlanden zu diesen Bedingungen<br />
unterwegs, der Autokonzern<br />
VW mit seinen Quicars inHannover<br />
ebenfalls.<br />
Eine zweite Methode bietet da<br />
mehr Flexibilität, das sogenannte<br />
Carsharing 2.0 oder auch Free floating<br />
genannt, was soviel heißt wie:<br />
im Umlauf sein. Fahrer können den<br />
Wagen irgendwo im Stadtgebiet –<br />
Im Emsland<br />
ist Carsharing<br />
schwer<br />
umzusetzen.<br />
Quicar-Autos vonVolkswagen: DerKonzern steigt insCarsharing ein.<br />
meist per Chip auf dem Führerschein<br />
–öffnen und den Schlüssel<br />
aus dem Handschuhfach nehmen<br />
und losfahren. Ein einmaliger Besuch<br />
in einem Servicecenter ist Voraussetzung,<br />
denn ohne Chip geht’s<br />
nicht los. Über diesen wird übrigens<br />
auch das Abrechnungssystem in<br />
Gang gesetzt. Bekannte Anbieter<br />
sind BMW mit Drive Now und<br />
Daimler mitCar2go.<br />
Während der Wagen bei der traditionellen<br />
Leihweise nach ADAC-<br />
Angaben pro Mietvorgang etwa 30<br />
Kilometer weit bewegt wird, sind es<br />
beim flexiblen Modell nur halb so<br />
viele. „<strong>Die</strong> Buchungszeit ist hier natürlich<br />
teurer“, sagt Reining. <strong>Die</strong><br />
permanente Verfügbarkeit habe ihren<br />
Preis und setze eine bestimmte<br />
Flottengröße voraus. Als Nachteil<br />
sieht er das von vielen Anbietern<br />
beworbene beliebige Abstellen irgendwo<br />
inder City. „Jede Kommune<br />
hat ein anderes Parkmanagement.<br />
In München beispielsweise<br />
gibt esAnwohnerausweise. Da kann<br />
man den Leihwagen also nicht einfach<br />
am Straßenrandabstellen.“<br />
Carsharing und Parken – das<br />
Ganze scheint sich noch zu einem<br />
großen Problem auszuweiten. Nachhaltigkeitsstudien<br />
zufolge soll ein<br />
geliehener Wagen inZukunft sieben<br />
private Fahrzeuge ersetzen. „Doch<br />
bisessoweit ist, wird es erst einmal<br />
zu einer massiven Verdichtung im<br />
Parkraum kommen, sagt Ronald<br />
Winkler, Stadtverkehrsexperte beim<br />
ADAC in München. „<strong>Die</strong> Städte fragen<br />
sich zuRecht, warum sie mehr<br />
Plätze zur Verfügung stellen sollen.<br />
Nur damit der Profit der Unternehmen<br />
steigt?“ Auch das Bundesverkehrsministerium<br />
ist mit dem Thema<br />
beschäftigt und erwägt, „Voraussetzungen<br />
für die rechtssichere Anordnung<br />
von Carsharing-Stellplätzen<br />
imöffentlichen Straßenraum zu<br />
schaffen“, wieesdortimFachjargon<br />
heißt. „Es geht um ein zusätzliches<br />
Verkehrszeichen“, erklärtWinkler.<br />
Carsharing ist untrennbar verbunden<br />
mit einem urbanen Umfeld<br />
–ein dichtes Netz von öffentlichen<br />
Verkehrsmitteln ist Voraussetzung.<br />
„Das Angebot richtet sich erst einmal<br />
anNutzer des ÖPNV, die kein<br />
eigenes Auto haben, aber ab und an<br />
darauf zurückgreifen wollen“, sagt<br />
Reining. Der klassische Nutzer ist<br />
dem Experten zufolge zwischen 30<br />
und 50Jahre alt, gebildet und hat<br />
ein solides Einkommen und ist<br />
mehr ökonomisch orientiert als<br />
ökologisch. „Natürlich gibt esauch<br />
eine Gruppe, die vor allem andie<br />
Umwelt denkt, doch mehrheitlich<br />
seien es Familien, die rechnen<br />
müssten, und ältere Menschen, die<br />
rechnenwollten, so Reining.<br />
Das ist zumindest die Zielgruppe,<br />
die die Stadtwerke Osnabrück mit<br />
ihrem Stadtteilauto beim Carsharing<br />
ausgemacht haben. 1994 wurde<br />
das Modell von einer ökologischen<br />
Bewegung, aus nur zehn Engagierten<br />
bestehend, ins Leben gerufen.<br />
2008 übernahmen die Stadtwerke<br />
das Marketing, drei Jahre später<br />
stiegen sie mit Kapital ein. Mittlerweile<br />
gibt es inOsnabrück knapp<br />
1000 Nutzer, die auf 55Autos an 44<br />
Standorten kommen.<br />
Es ist etwas für die Stadt: „Im<br />
Emsland wäre soein Modell schwer<br />
umsetzbar, sagt Reining. „Es muss<br />
einfach ein dichtes ÖPNV-Netz vorhanden<br />
sein. <strong>Die</strong> Regionen tun sich<br />
sehr schwer mitdem Thema.“<br />
Das Stichwort, umdas sich alles<br />
dreht, ist vernetzte Mobilität. „<strong>Die</strong><br />
Vernetzung von Verkehrsträgern,<br />
die dann mit nur einer Mitgliedsoder<br />
Kundenkarte bezahlt werden<br />
können, das ist das Ziel“, sagt Gregor<br />
Faßbender-Menzel, VW-Sprecher<br />
in Wolfsburg und Carsharing-<br />
Experte. „Und das gelingt nun mal<br />
leichter in den Städten.“ Dort finde<br />
man die entsprechende Klientel, die<br />
Autohaus<br />
Foto:dpa<br />
Carsharing-Experte: ChristianReining,StadtwerkeOsnabrück.<br />
GmbH &Co.KG<br />
Foto: KlausLindemann<br />
bereit sei, das System zutesten. „In<br />
ländlichen Regionen ist ein Auto<br />
ein Luxusgut. Dabesteht nicht der<br />
Wunsch, durch alternative Mobilität<br />
von Anach Bzukommen“, ist Faßbender-Menzelsicher.<br />
Von Osnabrück nach Hannover<br />
oder Oldenburg mit dem geliehenen<br />
Wagen, Bus oder Bahn: Auch die<br />
<strong>Osnabrücker</strong> Stadtwerke wollen<br />
künftig verstärkt Quernutzung ermöglichen.<br />
Ab 2014 sollen Kunden<br />
mit nur einem Buchungssystem auf<br />
Mobilitätsmodelle in141 deutschen<br />
Städtenzurückgreifen können.<br />
„Das ist das Kostenintensive, das<br />
bargeldlose Abrechnungssystem.<br />
<strong>Die</strong> Logistik“, sagt der Carsharing-<br />
Experte von VW und zieht den Vergleich<br />
mit Direktbanken. „Das hat<br />
auch gedauert, bis die profitabel arbeiten.“<br />
Über Zahlen sprechen sie<br />
alle ungern: „Denn keiner der Anbieter<br />
arbeitet rentabel“, sagt Faßbender-Menzel.<br />
Selbst bei der Deutschen<br />
Bahn, nach ADAC-Angaben<br />
mit 3100 Autos der größte Leih-<br />
<strong>Die</strong>nstleister der Republik, werden<br />
keine Kosten, nicht einmal die Investitionen,<br />
offengelegt. Reining aus<br />
Osnabrück formuliert eszumindest<br />
so: „Wir wollen das Sharing stärken<br />
und sind deshalb angebotsorientiert<br />
unterwegs. Wir sind immer in Vorleistung<br />
mit Angeboten und müssen<br />
schauen, dass die Annahme folgt.“<br />
Also nur ein reines Image- oder<br />
Prestigeprojekt? „Auf keinen Fall“,<br />
betont Faßbender-Menzel. Es gehe<br />
um den Wandel in der Gesellschaft.<br />
Das Auto habe anBedeutung verloren,<br />
es gebe immer weniger Fahranfänger,<br />
die mit 18unbedingt einen<br />
Führerschein haben wollen. „Darauf<br />
müssen Automobilhersteller reagieren.<br />
Mobil sein wollen junge Leute<br />
trotzdem und leihen dann eher, als<br />
etwaszubesitzen.“<br />
Für alle, die nicht inder Stadt leben,<br />
kommt indes das „Peer-to-<br />
Peer-Carsharing“ infrage – was<br />
sinngemäß soviel heißt wie „Teilen<br />
unter Gleichgesinnten“. Mehrere<br />
Tausend Deutsche teilen nach<br />
ADAC-Angaben inzwischen ihr Auto,<br />
Tendenz stark steigend. Über<br />
den Anbieter „tamyca“, Kurzform<br />
für „take my car“, können Autobesitzer<br />
ihren Wagen sogar zum Mieten<br />
anpreisen. Wer das nicht möchte,<br />
greift einfach auf die gute alte<br />
Fahrgemeinschaft mit Bekannten<br />
undArbeitskollegenzurück.<br />
Der Spezialist für Schweißbaugruppen<br />
und Laser-Kantteile<br />
Max-Planck-Str. 13·49767 Twist-Rühlerfeld<br />
Telefon (0 59 36) 91891-0 ·Fax 91891-20<br />
info@maschinenbau-peters.de ·www.maschinenbau-peters.de<br />
Ein neuer Marktentsteht<br />
Anzahl der Carsharing-Nutzer und -FahrzeugeinDeutschland<br />
500000<br />
400000<br />
Nutzer Free-Floating 1)<br />
Nutzer klassischesCarsharing 2)<br />
FahrzeugeFree-Floating<br />
FahrzeugeklassischesCarsharing<br />
12000<br />
10000<br />
KÜNNEN Abschleppdienst<br />
Pannenhilfe ·Autovermietung<br />
TruckService · KFZ-Reparatur<br />
300000<br />
8000<br />
6000<br />
200000<br />
4000<br />
100000<br />
2000<br />
Nutzer<br />
1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013<br />
Fahrzeuge<br />
1) Spontane Nutzung vonFahrzeugen, die im Geschäftsgebiet desAnbietersfreiherumstehen. Fahrzeugekönnen an beliebigem OrtimGebiet abgestellt werden. Gebühren je nach Dauer.<br />
2) Reservierung im Voraus.Feste Parkplätze, Gebühren je nach Dauer und Streckenlänge.<br />
Quelle: VCD ·Foto: Colourbox ·Grafik: Matthias Michel<br />
Sögel ·Meppen ·Lingen ·Telefon 05952-737