Ausgabe herunterladen - Die Wirtschaft - Neue Osnabrücker Zeitung
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30<br />
DONNERSTAG,19. DEZEMBER 2013<br />
LEBEN&LEIDENSCHAFT<br />
Manchmal<br />
trotzdem einfach<br />
nur’ne Pizza<br />
Eine <strong>Osnabrücker</strong> Familielebtnachhaltig<br />
VON CAROLIN APPELBAUM<br />
BRAMSCHE. JedenFreitagnachmittag<br />
geht es rund aufdem GemeinschaftshofPente.Freitag<br />
ist Abholtag. Hier werden Obst,<br />
Gemüse, Brot undEier nicht<br />
verkauft, sondernanMitglieder<br />
abgegeben, die dafür proMonat<br />
einenfesten Beitragbezahlen.<br />
Anne Hüttlund ihr Mann Maik<br />
Bischoffgehörenzuden mehr<br />
als 200Mitgliedern,die den<br />
Bio-Hofbei Bramsche tragen.<br />
Siehabensichfür einenumweltfreundlichen,<br />
ressourcenschonenden<br />
Lebensstil entschieden.<br />
Kann nicht jeder:<br />
Süße Möhren voller Sand und dick<br />
wie Kinderarme, Grünkohl so ausladend<br />
wie kleine Weihnachtsbäume,<br />
Kohlrabi, Möhren, Steckrüben<br />
– insgesamt 14 verschiedene Gemüsesorten<br />
stapeln sich hier. Tomaten,<br />
Gurken, Paprika sind nicht<br />
darunter. Denn hier gibt es nur,<br />
was in dieser Jahreszeit wächst<br />
oder noch auf Lager liegt. Anne<br />
Hüttl aus Osnabrück strahlt und<br />
greift sich einen frischen Salatkopf.<br />
„Heute Abend gibt es Endiviensalat.“<br />
Das kurze Murren ihres<br />
sechsjährigen Sohns Johann ignoriert<br />
sie und ergänzt lächelnd: „Bei<br />
uns gilt: Erst mal alles probieren,<br />
wenn es dann nicht schmeckt,<br />
kann Johann einfach nur Kartoffeln<br />
essen, die schmecken ihm immer.“<br />
Seit Juli ist die Familie Mitglied<br />
beim Gemeinschaftshof Pente<br />
und zahlt pro Monat rund 300 Euro.<br />
Dafür kann sie sich einmal in<br />
der Woche von dem Vorrat bedienen.<br />
Obst,Gemüse, Brot,Eier, Mehl<br />
undmanchmalauchFleisch.<br />
Anne Hüttl und ihr Mann Maik<br />
Bischoff wollen sich nicht nur biologisch<br />
ernähren, sie möchten vor<br />
allem auch Produkte aus der Region<br />
essen, die nicht erst Hunderte<br />
von Kilometern herangeschafft<br />
werden müssen. <strong>Die</strong> eigene Ernährung<br />
ist für sie auch Ausdruck einer<br />
Lebenshaltung. „Natürlich stehen<br />
wir nicht jeden Morgen auf<br />
und fragen uns, wie nachhaltig leben<br />
wir heute?“, erklärt Maik Bischoff,<br />
„doch mit Blick auf die<br />
kommenden Generationen wollen<br />
wir die Belastung für die Umwelt<br />
schon sogering wie möglich halten.“<br />
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Bio undregional: AnneHüttl (l.),MaikBischoff (r.) und ihrSohnJohannholen aufdem Gemeinschaftshof Pentebei Bramsche Lebensmittel ab.<br />
An diesem Freitag landen neben<br />
dem Endiviensalat auch noch<br />
Grünkohl, Chinakohl, Möhren und<br />
Kartoffeln in dem Korb. „Wer keine<br />
Lust hat zukochen, sagt Anne<br />
Hüttl, „für den ist das hier nichts.“<br />
Manchmal ist so viel Gemüse und<br />
Obst zu verarbeiten, dass man<br />
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*<br />
kaum dagegen ankommt. ImSommer<br />
hat sie 60Gläser Marmelade<br />
eingekocht oder Abende lang Fäden<br />
von den Grünen Bohnen gezupft.<br />
Dafür muss Zeit sein. Anne<br />
Hüttl arbeitet als Psychologin in<br />
Teilzeit und ist auch noch politisch<br />
aktiv. Trotzdem ist das Kochen<br />
ihre Sache. „Doch wenn keiner<br />
von uns Zeit zu kochen hat,<br />
bestellen wir einfach mal ’ne Pizza.<br />
Wir sehen das nicht dogmatisch“,<br />
erklärt Anne Hüttl, „das Leben<br />
muss jaauch noch Spaß machen.“<br />
Ihr Mann, der als Umweltingenieur<br />
für den Kreis Steinfurt arbeitet,<br />
kümmert sich um die kuschelige<br />
Wärme im Haus. Der<br />
Holzpelletofen im Wohnzimmer,<br />
der das komplette Haus heizt und<br />
im Winter neben der Solarthermieanlage<br />
auch für warmes Wasser<br />
sorgt, muss regelmäßig befüllt<br />
werden. In der Winterzeit kippt<br />
Maik Bischoff alle zwei Tage rund<br />
30 Kilo Holzpellets in den Ofen.<br />
„Unsere Bekannten sagen<br />
manchmal: <strong>Die</strong> spinnen doch“, erzählt<br />
seine Frau, und Maik Bischoff<br />
schmunzelt. „Na ja“, ergänzt er,<br />
„wenn man sieht, wie ich hier die<br />
Holzpelletsäcke heranschleppe, die<br />
15-Kilo-Säcke, Treppe hoch ins<br />
Haus, Treppe runter in den Keller,<br />
Treppe wieder hoch zum Ofen…<br />
Gut, dass ich noch jung bin und<br />
wir den Ofen von April bis Oktober<br />
garnicht brauchen.“<br />
Der Ofen heizt den offenen<br />
Wohnbereich auf jeden Fall gut<br />
ein. Für die Wärme sorgen jedoch<br />
nicht nur Ofen und Sonnenenergie<br />
allein, sondern auch die gute Isolierung<br />
des Hauses. Auch das gehört<br />
zu ihrer Lebenshaltung: Möglichst<br />
wenig Energie verschwenden.<br />
Solarenergie,<br />
ein Holzofen<br />
und Isolierung<br />
halten warm.<br />
Foto: Jörn Martens<br />
Immer wieder setzt sich Johann<br />
zu seinen Eltern ins Wohnzimmer,<br />
um dem Gespräch über Solarthermieanlagen,<br />
dezentralen Entlüftungsgeräten,<br />
Pumpensystemen<br />
und Holzpelletöfen zu lauschen.<br />
Doch nach fünf Minuten wird es<br />
ihm zulangweilig, und erwidmet<br />
sich wieder seiner Benjamin-<br />
Blümchen-CD. <strong>Die</strong> Eltern dagegen<br />
sind beide Feuer und Flamme für<br />
ihr Thema und holen gerne ein<br />
bisschen aus.<br />
Gut, also wie ist das genau mit<br />
den Entlüftungsgeräten? An der<br />
Wand über dem Sofa hängt ein<br />
unscheinbarer Kasten, den man<br />
nicht bemerkt hätte, wenn man<br />
ihn nicht ausdrücklich gezeigt bekommt:<br />
Er sorgt dafür, dass esin<br />
diesem Raum stets frische Luft<br />
gibt. Denn ein Haus, das soeingepackt<br />
wird wie dieses, schwitzt<br />
ganz einfach unter der Styroporhülle<br />
und benötigt eine regelmäßige<br />
Entlüftung. „Keiner von uns<br />
beiden kann dafür sorgen, dass<br />
hier dreimal täglich 15 Minuten<br />
lang gelüftet wird“, erklärt Maik<br />
Bischoff, „Deshalb haben wir uns<br />
für die automatische Entlüftung<br />
entschieden.“<br />
Das Haus, eines der sogenannten<br />
Engländerhäuser in Osnabrück,<br />
ist energetisch auf den neuesten<br />
Stand der Technik gebracht.<br />
Dadurch wurde der Primärenergiebedarf<br />
auf fast zehn Prozent<br />
des ursprünglichen Bedarfs gesenkt.<br />
Und vor allem hier ist viel<br />
Geld hineingeflossen –insgesamt<br />
80 Prozent der Umbaukosten.<br />
Es passt zusammen: „Wir setzen<br />
unsere Prioritäten bewusst anders“,<br />
sagen die Hausbesitzer, „wir<br />
fahren nicht dreimal im Jahr in<br />
den Urlaub, und Flugreisen stehen<br />
bei uns momentan auch nicht auf<br />
der Wunschliste.“<br />
Dafür haben sie indie energieeffiziente<br />
Technik ihres Hauses investiert.<br />
Und sie zahlen auch etwas<br />
mehr für den Öko-Strom, den<br />
sie von den Stadtwerken beziehen,<br />
weil sie wollen, dass ihr Stromverbrauch<br />
durch erneuerbare Energien<br />
gedeckt wird. „Ein bisschen<br />
zahlen wir auch dafür, dass wir<br />
uns gut fühlen“, erklärt Maik Bischoff.<br />
„Wenn sich die teure Technik<br />
nicht amortisiert, dann haben<br />
wir zumindest ein gutes Gewissen.“<br />
Auch das Essen trägt zu diesem<br />
guten Gefühl bei: Biologisch-dynamisch<br />
und regional angebaut. An<br />
diesem Abend gibt es selbst gemachte<br />
Käsespätzle aus Dinkelmehl<br />
vom Gemeinschaftshof Pente<br />
und dazu den frischen Endiviensalat.<br />
„Das erinnert mich an meine<br />
Kindheit“, erklärt Anne Hüttl,<br />
„das ist für mich ein Essen für die<br />
Seele.“<br />
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Kraftstoffverbrauch des Golf in 1/100 km: kombiniert 5,2–3,8, CO 2<br />
-Emissionen in g/km: kombiniert 122–99.<br />
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*Volkswagen Agentur<br />
LOHAS UND LOVOS<br />
AndererKonsum, wenigerKonsum<br />
LOHAS: <strong>Die</strong>Abkürzung<br />
„LOHAS“steht<br />
für eine GruppeMenschen,<br />
derenLebensstil<br />
aufGesundheitsbewusstsein<br />
undNachhaltigkeit<br />
ausgerichtet<br />
ist. Aufmerksamauf<br />
dieses Phänomen wurde<br />
deramerikanische<br />
SoziologePaul Rayim<br />
Jahre2000. Er beschrieb<br />
dieBewegung<br />
in seinem Buch The<br />
Cultural Creatives:<br />
How50Million are<br />
changingthe World.<br />
Angesporntwurde die<br />
Randgruppe durch<br />
Diskussionen über<br />
Klimaschutz,Naturkatastrophenund<br />
Genmanipulation.(Quelle:<br />
Lexikonder Nachhaltigkeit,<br />
www.nachhaltigkeit.info)<br />
LOVOS: In Anlehnung<br />
an dieLOHAS-Bewegunghat<br />
sich eine weitere<br />
Konsumentengruppe<br />
definiert. Das<br />
Akronym LOVOSsteht<br />
für LifestylesofVoluntary<br />
Simplicity –den<br />
bewusstenKonsumverzicht<br />
unddie Hinwendungzum<br />
einfachen<br />
Leben. <strong>Die</strong>seLebensphilosophiezeigt<br />
eine Alternative zur<br />
konsumorientierten<br />
Überflussgesellschaft<br />
[...].<strong>Die</strong> Interpretation<br />
voneinfachem Leben<br />
umfasstAuffassungen,<br />
dievom totalenAussteigerbis<br />
hinzum bewusstenund<br />
konsumkritischenNormalverbraucher<br />
reichen.[...]<br />
Nebender Neubewertung<br />
findet oftmals eine<br />
Fokussierung auf<br />
Selbstversorgung<br />
statt,besondersinden<br />
BereichenErnährung<br />
und Handwerk.(Quelle:<br />
www.nachhaltigesinvestment.com)