Ausgabe herunterladen - Die Wirtschaft - Neue Osnabrücker Zeitung
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DONNERSTAG,19. DEZEMBER 2013<br />
GELD &<br />
GESCHÄFT<br />
17<br />
Wieöko bist du wirklich?<br />
In Nachhaltigkeitsberichten zeigen Unternehmen, wie sie ihrersozialen<br />
Verantwortung gerecht werden wollen –<strong>Die</strong> Anforderungen steigen<br />
Ausder Forstwirtschaft stammt das Leitbild derNachhaltigkeit.Piepenbrock unterhältimbrandenburgischenRheinshageneinen Wald (Bild).Das dort gebundeneCO 2soll helfen,die Emissionen der Gruppe teilweiseauszugleichen.<br />
Foto: Piepenbrock<br />
Immer mehr Kunden<br />
verlangen Nachweise<br />
von Nachhaltigkeit.<br />
Piepenbrock will eine<br />
CO 2 -Bilanz der ganzen<br />
Gruppe aufstellen.<br />
Boll Logistik<br />
arbeitet anseinem<br />
zweiten Bericht.<br />
VON CHRISTIAN SCHAUDWET<br />
OSNABRÜCK/MEPPEN. In Nachhaltigkeitsberichten<br />
legen Unternehmen<br />
aus derRegion dar,<br />
wassie tun, um ihreUmwelt<br />
undsichselbst fürkommende<br />
Generationen zu erhalten.Das<br />
liegt im Trend. DerMittelstand<br />
zieht mitbörsennotiertenKonzernen<br />
gleich.<br />
<strong>Die</strong> Farbe Schwarz verbinden<br />
wohl die wenigsten mit dem Leitbild<br />
Nachhaltigkeit. <strong>Die</strong> Idee, nur<br />
so viel zu verbrauchen wie nachwächst,<br />
kommt schließlich aus<br />
dem Wald, genauer: aus der Forstwirtschaft.<br />
Trotzdem umkleidet<br />
den Nachhaltigkeitsbericht der<br />
<strong>Osnabrücker</strong> Piepenbrock-Gruppe<br />
pechschwarze Pappe. „Fast alle anderen<br />
nehmen Grün – das passt<br />
zwar zum Thema Ökologie, aber<br />
wir wollten bei unserer Linie bleiben“,<br />
sagt Timo Brümmer. Der<br />
29-Jährige koordiniert die Nachhaltigkeitsberichterstattung<br />
des<br />
bundesweit tätigen Gebäudedienstleisters.<br />
Wer sich indessen<br />
imposantem Klotz von einem<br />
Hauptquartier umsieht, erkennt,<br />
wie Brümmer das meint: Dunkle<br />
Töne beherrschen das Interieur.<br />
<strong>Die</strong> Designlinie legte in den 70er-<br />
Jahren der damalige Chef Hartwig<br />
Piepenbrock fest. Auch das Firmenlogo<br />
enthält kein Pixel Grün.<br />
Das 100-jährige Familienunternehmen<br />
bleibt seinen Traditionen<br />
treu. <strong>Die</strong> Zeichen der Zeit sind den<br />
beiden geschäftsführenden Gesellschaftern<br />
Arnulf und Olaf Piepenbrock<br />
dennoch nicht entgangen:<br />
2011 veröffentlichte das Unternehmen<br />
seinen ersten Nachhaltigkeitsbericht<br />
–nach eigenen Angaben<br />
als erster Anbieter seiner<br />
Branche. Auf 96 Seiten steht in<br />
dem Werk, wie Piepenbrock versucht,<br />
umweltfreundlicher und sozialer<br />
zu werden –und zugleich so<br />
wirtschaftlich zuarbeiten, dass es<br />
auch kommenden Generationen<br />
als Arbeitgeber erhalten bleibt.<br />
Umweltberichte seien bei Piepenbrock<br />
schon lange üblich, sagt<br />
Brümmer. Den Anstoß, den viel<br />
umfassenderen und aufwendigeren<br />
Nachhaltigkeitsbericht zu erstellen,<br />
habe der Markt gegeben:<br />
„Unsere Kunden fordern in Ausschreibungen<br />
immer häufiger Auskunft<br />
über diese Aspekte.“ Firmen<br />
aus der Lebensmittelbranche etwa,<br />
die esmit einer immer kritischeren<br />
Öffentlichkeit zu tun haben.<br />
Der Trend habe bei Piepenbrock<br />
zur Entscheidung geführt,<br />
alles in einem zentralen Dokument<br />
zu sammeln –für Kunden,<br />
„Wir müssen<br />
überprüfen, ob<br />
das, was wir<br />
machen, noch<br />
richtig ist.“<br />
Ulrich Boll, Spediteur<br />
aber auch für die eigenen Mitarbeiter.<br />
Lesen kann man in dem Bericht<br />
unter anderem, wie Piepenbrock<br />
in den Gebäuden seiner Kunden<br />
effizientere Reinigungsmittel einsetzt<br />
und im eigenen Büro Papier<br />
einspart, wie esWertstoffe aus seinen<br />
Abfällen filtert, die Lieferanten<br />
seiner Kantine auswählt und<br />
den klimaschädlichen CO2-Ausstoß<br />
seiner rund 1000 Fahrzeuge<br />
zählenden Flotte senkt. Auch über<br />
das generelle Qualitätsmanagement<br />
erfährt man etwas: Das habe<br />
geholfen, den Ressourcenverbrauch<br />
zu drosseln.<br />
Im nächsten Nachhaltigkeitsbericht<br />
(2014) möchte Brümmer einen<br />
Schritt weiter gehen: Erwill<br />
eine CO2-Bilanz der gesamten<br />
Gruppe aufstellen. Dann wird<br />
auch wieder die Rede sein von Piepenbrocks<br />
Forst in Brandenburg.<br />
Baumpflanzungen dort sollen den<br />
CO2-Ausstoß der Gruppe zumindest<br />
teilweise ausgleichen.<br />
Nachhaltigkeitsberichte machen<br />
Arbeit. Im ganzen Unternehmen<br />
hält Brümmer – hauptamtlich<br />
Marketing- und Kommunikationsreferent<br />
– derzeit Kollegen dazu<br />
an, Kennzahlen aufzubereiten und<br />
ihm zuzuliefern. Bis zu30Personen<br />
sind eingebunden. Außerdem<br />
hat das Unternehmen 20wichtige<br />
Lieferanten zuderen Umgang mit<br />
Ressourcen befragt.<br />
Methodisch hält sich Brümmer<br />
an die von den meisten berichtenden<br />
Unternehmen angewandten<br />
Kriterien der Global Reporting Initiative.<br />
Sie machen die Nachhaltigkeitsberichterstattung<br />
von Unternehmen<br />
vergleichbar. Ein Ziel,<br />
dem auch der 2011 verabschiedete<br />
Deutsche Nachhaltigkeitskodex<br />
dient (siehe Kasten). Piepenbrock<br />
hat ihn unterzeichnet.<br />
Dem Vergleich stellten sich<br />
die <strong>Osnabrücker</strong> auch in einem<br />
Berichte-Ranking des Instituts<br />
für ökologische <strong>Wirtschaft</strong>sforschung<br />
(IÖW) inBerlin und der<br />
Unternehmer-Initiative Future<br />
(Münster). Piepenbrock kam zwar<br />
nicht unter die ersten zehn, „aber<br />
die Auswertung durch das IÖW<br />
hat uns gezeigt, woran wir noch<br />
arbeiten müssen“, sagt Brümmer.<br />
<strong>Die</strong> Transparenzanforderungen an<br />
Nachhaltigkeitsberichterstatter<br />
steigen –die GRI hat ihren Kriterienkatalog<br />
bereits viermal aktualisiert<br />
und verschärft.<br />
Ein anderes Unternehmen der<br />
Region schaffte es im Ranking<br />
aufs Podest: Der Lebensmittelhersteller<br />
und Catering-<strong>Die</strong>nstleister<br />
Apetito aus Rheine belegt Platz<br />
zwei unter den Mittelständlern<br />
mit mehr als 250 Beschäftigten.<br />
Teilgenommen hatten 55 kleine<br />
und mittlere Unternehmen, darunter<br />
Westfleisch aus Münster<br />
und die Stadtwerke Hannover.<br />
„<strong>Die</strong> meisten Mittelständler reagieren<br />
auf Anregungen aus der<br />
Region“, sagt Udo Westermann<br />
von der Nachhaltigkeitsinitiative<br />
Future. „Es bilden sich Netzwerke,<br />
und esgibt Nachahmungseffekte.“<br />
So reicht das Feld der mittelständischen<br />
Unternehmen, die Nachhaltigkeitsberichte<br />
veröffentlichen,<br />
inzwischen weit über den<br />
Kreis der Ranking-Teilnehmer hinaus.<br />
In der Region Osnabrück-<br />
Emsland berichten beispielsweise<br />
die Papenburger Meyer Werft, das<br />
Logistikunternehmen<br />
in Osnabrück und Boll-<br />
Logistik in Meppen.<br />
Man nimmt es ihm<br />
Hellmann<br />
Tranzparenz herstellen sollen Nachhaltigkeitsberichte<br />
vonFirmen, hier der Bericht von<br />
Boll Logistik.<br />
Montage:Matthias Michel<br />
DEUTSCHER NACHHALTIGKEITSKODEX<br />
Karten aufden Tisch<br />
DerDeutsche<br />
Nachhaltigkeitskodex(DNK)<br />
geht auf<br />
eine Empfehlung<br />
desNachhaltigkeitsratsder<br />
Bundesregierungzurück.<strong>Die</strong><br />
Idee: Unternehmenverpflichtensich,<br />
bestimmte<br />
umweltund<br />
gesellschaftsrelevanteAspekte<br />
ihrer Geschäftstätigkeitoffenzulegen<br />
–etwa, wievielCO 2<br />
sieausstoßenund<br />
ob sieihreManager<br />
auch am Erreichungsgrad<br />
von<br />
Nachhaltigkeitszielen<br />
messen.Sosollen<br />
Nachhaltigkeitsleistungen<br />
vergleichbarwerden.<br />
Interessantist das<br />
beispielsweise für<br />
institutionelle Investoren<br />
und Privatanleger,ebenso<br />
fürGeschäftspartner,Konkurrenten,<br />
Mitarbeiterund Bewerber.Seit2011<br />
haben 57 Unternehmen<br />
Entsprechenserklärungen<br />
zumDNK abgegeben,<br />
darunter im<br />
DAXnotierte Konzerne,<br />
aber auch<br />
Mittelständler. sha<br />
ab: Nachhaltigkeit<br />
ist Ulrich Boll eine<br />
Herzensangelegenheit.<br />
„Wir müssen<br />
ständig<br />
überprüfen, ob das, was wir<br />
machen, noch richtig ist“, sagt der<br />
Familienvater, der das Speditionsunternehmen<br />
infünfter Generation<br />
leitet. Das schließe ein, den<br />
Transport von Waren über weite<br />
Strecken grundsätzlich infrage zu<br />
stellen. Boll glaubt, dass Speditionen<br />
künftig vor allem imNahverkehr<br />
gebraucht werden, weil Güter<br />
wegen steigender Transportkosten<br />
immer dezentraler gelagert und<br />
sogar produziert würden. „Wir sehen<br />
die Zukunft in der Region“,<br />
sagt der 46-Jährige. Entsprechend<br />
will ersein Unternehmen ausrichten.<br />
Bolls zweiter Nachhaltigkeitsbericht<br />
soll nicht nur nach außen<br />
wirken, sondern auch den eigenen<br />
Mitarbeitern beim Reflektieren<br />
ihres täglichen Tuns helfen.<br />
Den ersten Bericht aus dem Jahr<br />
2011 erstellte das Unternehmen<br />
überwiegend mit eigenem Personal<br />
–der Qualitäts- und Umweltbeauftragte<br />
trug Informationen<br />
zusammen, eine Assistentin der<br />
Geschäftsführung und eine Texterin<br />
strukturierten sie und<br />
schrieben.<br />
Konzentrierte sich Boll imersten<br />
Bericht von 2011 noch auf den<br />
Ressourcenverbrauch der Fahrzeuge,<br />
soll das Augenmerk im<br />
zweiten auf dem Energiemanagement<br />
und der neuen Unternehmenszentrale<br />
in Meppen liegen:<br />
Das Passivhaus wird vollständig<br />
mit Erdwärme beheizt.<br />
Lohnt sich der ganze Aufwand<br />
für die Nachhaltigkeitsberichte?<br />
Timo Brümmer von Piepenbrock<br />
sagt Ja. Bei mindestens einem<br />
Großauftrag sei dies für den Kunden<br />
das Zünglein an der Waage<br />
gewesen. „Wir erleben außerdem,<br />
dass junge Bewerber sich aufgrund<br />
unseres Nachhaltigkeitsprofils<br />
für uns interessieren.“