Volltext - ub-dok - Universität Trier
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Kapitel 2: Selektive Aufmerksamkeit für relevante Inhalte 7<br />
Bruner und Goodman (1947) beispielsweise zeigen, daß Geldstücke im Vergleich zu neutralen<br />
Pappscheiben identischer Größe von Kindern s<strong>ub</strong>jektiv als größer wahrgenommen wurden;<br />
dieser Effekt war bei Kindern armer Eltern stärker ausgeprägt. In einer weiteren Studie von<br />
Postman, Bruner und McGinnies (1948) fanden sich reduzierte Wahrnehmungsschwellen für<br />
Wörter, die mit s<strong>ub</strong>jektiv wichtigen Lebens- und Wertbereichen in Beziehung stehen. Im Einklang<br />
mit diesen Ergebnissen berichten Lazarus, Yousem und Arenberg (1953) einen positiven<br />
Zusammenhang der Wahrnehmungsgenauigkeit bei der Identifikation unscharfer Bilder von<br />
Nahrungsmitteln mit der zeitlichen Entfernung zur letzten Mahlzeit (bei Deprivationszeiten, die<br />
über den zeitlichen Zyklus der regulären Nahrungsaufnahme hinausgehen - mehr als fünf Stunden<br />
- läßt die Stärke der s<strong>ub</strong>jektiv erlebten Hungergefühle und mit ihr der Sensibilisierungseffekt<br />
nach).<br />
Studien aus dieser Forschungsperiode sind jedoch häufig mit methodischen Mängeln behaftet,<br />
die eine eindeutige Rückführung der Effekte auf eine erhöhte Wahrnehmungssensitivität für<br />
motiv- oder zielbezogene Inhalte in Frage stellen. Das Kernproblem der meisten dieser Untersuchungen<br />
liegt darin, daß der s<strong>ub</strong>jektive Bericht als direktes Maß für die tatsächliche Wahrnehmung<br />
benutzt wird. Antworttendenzen, Erwartungs- oder Materialeffekte werden entweder<br />
gar nicht oder nur unzureichend kontrolliert und stellen somit in fast allen Fällen mögliche<br />
Alternativerklärungen der berichteten Effekte dar.<br />
In einer Untersuchung von Rothermund, Voß, Spaniol, Bak und Brandtstädter (1997; vgl.<br />
auch Rothermund & Brandtstädter, 1997b, 1998a) konnte allerdings gezeigt werden, daß die<br />
Darbietung eines aversiven akustischen Tons mit einer erhöhten Wahrnehmungssensitivität für<br />
solche Stimuli einhergeht, die die Beendigung dieses Tons ankündigten. Die Aufgabe der<br />
Versuchspersonen bestand darin, Ziffern zu benennen, die durch Überlagerung mit einem<br />
zufälligen Punktemuster verrauscht wurden. Zusätzlich wurden diese Stimuli auch als Distraktoren<br />
dargeboten, so daß neben der Erkennungshäufigkeit und -geschwindigkeit bei der Darbietung<br />
der Zahlen als Zielreiz auch motivbezogene Ablenkungseffekte analysiert werden konnten. Bei<br />
der Auswertung der Antwortreaktionen wurde ein multinomiales Modell zugrundegelegt, das<br />
eine Trennung sensitivitäts- und antworttendenzbedingter Einflüsse auf das Antwortverhalten<br />
erla<strong>ub</strong>t. Durch die experimentellen und auswertungstechnischen Kontrollen war somit gewährleistet,<br />
daß die Ergebnisse dieser Untersuchung eindeutig im Sinne einer motivbedingt veränderten<br />
Wahrnehmungssensitivität interpretiert werden können.