Volltext - ub-dok - Universität Trier
Volltext - ub-dok - Universität Trier
Volltext - ub-dok - Universität Trier
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Kapitel 2: Selektive Aufmerksamkeit für relevante Inhalte 11<br />
Auch in diesen Studien finden sich mehr korrekte Antworten für die Reproduktion der<br />
aufgabenrelevanten Stimulusaspekte (Lawrence und LaBerge, 1956, konnten allerdings<br />
keinen über die Produktionsreihenfolge hinausgehenden Effekt der Aufgabenrelevanz<br />
nachweisen). In weiteren Untersuchungen von Chapman (1932) und J. Brown (1960)<br />
wurde ebenfalls versucht, die Störeffekte der Abfragereihenfolge und des Abfragezeitpunkts<br />
zu kontrollieren bzw. zu eliminieren. Im Gegensatz zu den Untersuchungen von<br />
Külpe, Lawrence und LaBerge, Wilcocks und Yokoyama wurde in diesen Untersuchungen<br />
in jedem Durchgang nur die jeweils aufgabenrelevante Antwort verlangt. Die relevante<br />
Aufgabeninstruktion wurde in der Experimentalbedingung vor und in der Kontrollbedingung<br />
während (J. Brown, 1960) oder unmittelbar nach der Stimulusdarbietung<br />
(Chapman, 1932) gegeben. Bei Vorabinstruktion des Aufgabentyps wurden mehr korrekte<br />
Antworten gegeben, als wenn dieser erst nach der Stimulusdarbietung spezifiziert wurde.<br />
In einem vom Design her vergleichbaren Experiment von Lawrence und Coles (1954)<br />
wurden Bilder tachistoskopisch dargeboten. Anschließend mußte in einer forced-choice-<br />
Rekognitionsaufgabe das jeweils dargebotene Bild identifiziert werden. Bei dieser Aufgabe<br />
fand sich kein Leistungsvorteil, wenn die vier Antwortmöglichkeiten der forcedchoice-Aufgabe<br />
bereits vor der Bildpräsentation bekannt waren. Das Ergebnis scheint der<br />
Hypothese zu widersprechen, daß die Aufmerksamkeit gezielt auf aufgabenrelevante<br />
Aspekte - in diesem Fall also auf die differenzierenden Merkmale der im voraus bekannten<br />
forced-choice-Alternativen - gerichtet werden kann. Das von Lawrence und Coles (1954)<br />
berichtete Nullergebnis geht aber wahrscheinlich auf die mangelnde Umsetzbarkeit der<br />
Rekognitionsalternativen in visuell diskriminierende Stimuluselemente zurück, denn in<br />
einer Folgestudie von Egeth und Smith (1967) konnte mit dem gleichen Ansatz ein<br />
Vorteilseffekt für die vorangehende Darbietung nachgewiesen werden, wenn anstelle von<br />
Wörtern Bilder als Rekognitionsalternativen benutzt wurden. Bei den von Chapman<br />
(1932), J. Brown (1960) und Egeth und Smith (1967) durchgeführten Untersuchungen<br />
kann allerdings nicht ausgeschlossen werden, daß die Vorabinstruktion der Aufgabe im<br />
Vergleich zu der nachfolgend gegebenen Instruktion zu einer generell erhöhten Aufmerksamkeit<br />
und Verarbeitungsbereitschaft für die anschließend dargebotenen Stimuli geführt<br />
hat, von der möglicherweise auch die aufgabenirrelevanten Stimulusaspekte profitiert<br />
haben (für diese liegen aufgrund des von Külpe abweichenden Designs keine Messungen<br />
vor). Der beobachtete Leistungsunterschied zwischen (vorab) spezifizierter und unspezifizierter<br />
Aufgabenstellung läßt sich also auch ohne Rekurs auf spezifische Einstellungsvorteile<br />
erklären.<br />
Auf einen wichtigen Gesichtspunkt bei der Interpretation von Set-Effekten weist Ryan (1970)<br />
hin. Die Wahrnehmung von Stimuli kann nicht einfach als ein mit der Stimuluspräsentation<br />
zusammenfallender sensorischer Aufnahmeprozeß betrachtet werden, wie vielleicht in früheren<br />
Untersuchungen zur Set-Forschung angenommen wurde. Vielmehr sind verschiedene Prozesse<br />
und Verarbeitungsstufen involviert, die untereinander in komplexer (hierarchischer oder sequentieller)<br />
Weise verbunden sind. Selektivität im Sinne einer erhöhten oder eingeschränkten Sensibilität<br />
für bestimmte Inhalte wird also nicht nur die unmittelbare sensorische Reizaufnahme,<br />
sondern auch und vielleicht sogar hauptsächlich die daran anschließende Weiterverarbeitung der