Volltext - ub-dok - Universität Trier
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Kapitel 2: Selektive Aufmerksamkeit für relevante Inhalte 9<br />
Dieser Effekt wird darauf zurückgeführt, daß negative Signale normalerweise wichtiger (dringender,<br />
implikationsreicher) für einen Organismus sind als positive Signale, so daß die erhöhte<br />
Aufmerksamkeitsbindung für die negativen Stimuli deren generell höhere Handlungsrelevanz<br />
reflektiert. Eine solche Asymmetrie in der Intensität kognitiver Reaktionen auf negative und<br />
positive Ereignisse konnte noch in einer Reihe anderer Untersuchungen nachgewiesen werden<br />
(zur Übersicht s. Peeters & Czapinski, 1990; S. E. Taylor, 1991). Für diesen Effekt formulierten<br />
Kahneman und Tversky die eingängige Aussage „losses loom larger than gains“ (1984, p. 348).<br />
In einer an die Untersuchungen von Pratto und John (1991) anknüpfenden Reihe von Experimenten<br />
präsentierten Rothermund, Wentura und Bak (1996a; vgl. auch Rothermund, Wentura &<br />
Bak, 1995; Wentura, Rothermund & Bak, 1997) valente Persönlichkeitsadjektive und auch<br />
Schemagesichter mit verschiedenem mimischem Ausdruck als Stimuli in einer Farbbenennaufgabe.<br />
Hier zeigte sich, daß Stimuli, die unmittelbare Konsequenzen für den Kontakt mit<br />
möglichen Interaktionspartnern signalisieren (aggressiv, freundlich, etc.) und daher eine hohe<br />
allgemeine Handlungs- und Verhaltensrelevanz besitzen, mit einer verzögerten Farbbenennung<br />
1<br />
einhergehen . Eine erhöhte automatische Aufmerksamkeitsbindung durch valente, verhaltens-<br />
relevante Reize konnte auch in einer weiteren Untersuchung von Rothermund, Wentura und Bak<br />
(1996b) nachgewiesen werden. In dieser Untersuchung wurden Buchstaben in einer Benennaufgabe<br />
als Stimuli dargeboten. Bestimmte Buchstaben wurden mit der Möglichkeit zum Punktgewinn<br />
(positive Valenz) oder zum Punktverlust (negative Valenz) verknüpft; die verbleibenden<br />
Buchstaben waren für die Punktvergabe irrelevant. Es zeigte sich, daß positiv und negativ<br />
valente Buchstaben im Vergleich zu den neutralen Buchstaben deutlich stärkere Interferenzeffekte<br />
produzierten, wenn sie als Distraktoren dargeboten wurden<br />
2<br />
.<br />
1<br />
Solche Eigenschaften werden nach Peeters (1983; Peeters & Czapinski, 1990) als „fremd-profitabel“<br />
(other-profitable) bezeichnet, weil insbesondere andere Personen, die mit dem Eigenschaftsträger interagieren,<br />
unmittelbaren Nutzen oder Schaden von der jeweiligen Eigenschaft haben (den Gegensatz hierzu bilden selbstprofitable<br />
Eigenschaften wie bspw. intelligent oder traurig, die unmittelbare positive oder negative Konsequenzen für<br />
den Besitzer der Eigenschaft anzeigen). Interessanterweise fanden sich stärkere Aufmerksamkeitsbindungen durchgängig<br />
sowohl für negativ als auch für positiv fremd-profitable Stimuli. Ein Haupteffekt der Stimulusvalenz, wie er bei<br />
Pratto und John (1991) berichtet wurde, fand sich in diesen Experimenten nicht. Die Divergenz der Ergebnisse geht<br />
möglicherweise darauf zurück, daß das von Pratto und John (1991) eingesetzte Stimulusmaterial die Dimensionen<br />
Valenz und Selbst- vs. Fremdprofitabilität konfundiert: Unter den negativen Begriffen sind fremd-profitable Stimuli<br />
deutlich überrepräsentiert (vgl. Rothermund et al., 1996a; Wentura, Rothermund & Bak, 1997).<br />
2<br />
Enstsprechend fanden sich gegenüber den neutralen Buchstaben beschleunigte Benennzeiten, wenn die<br />
valenten Buchstaben als Zielreize (targets) dargeboten wurden. Dieser Effekt geht aber möglicherweise auf eine<br />
Bahnung valenter Reaktionstendenzen zurück und kann - im Gegensatz zu dem skizzierten indirekten Effektnachweis<br />
über distraktorbezogene Interferenzeffekte - nicht eindeutig als Effekt einer erhöhten Aufmerksamkeitsbindung durch