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Fallstudie Makedonien (Nr. 50) - Geschwister-Scholl-Institut für ...

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12<br />

heitenangehörigen selbst wird dieser Terminus vorgezogen, um den oft ungern benutzten<br />

Begriff der Minderheit zu vermeiden, da mit letzterem eine Wertung in Richtung Minderwertigkeit<br />

erfolgen kann. 29 Im Deutschen besteht daneben noch der Begriff der Volksgruppe, der<br />

allgemein als Synonym zu nationaler Minderheit oder ethno-nationaler Gruppe verstanden<br />

wird. Als grundlegende Merkmale einer ethno-nationalen Gruppe bzw. ihrer Mitglieder gelten<br />

1) der substaatlicher Charakter der Gruppe,<br />

2) die gemeinsame ethnische Identität ihrer Mitglieder,<br />

3) das autochtone Selbstverständnis und<br />

4) ein gewisser Wille zur Selbstbestimmung. 30<br />

So werden Statusposition und numerisches Verhältnis zu anderen ethno-nationalen Gruppen<br />

desselben Staates (anders als beim Begriff der Minderheit) vernachlässigt.<br />

Erklärungsversuche über die Entstehung und Merkmale ethnischer Gruppen haben zu einem<br />

enormen Umfang an wissenschaftlicher Literatur geführt. Eine eindeutige, umfassende Kategorisierung<br />

ist wohl kaum möglich. Mittlerweile lassen sich jedoch schon fast klassisch zwei<br />

Grundrichtungen unterscheiden: die der Primordialisten und die der Konstruktivisten. Auch<br />

wenn Vertreter verschiedener Konfliktregelungsmodelle nicht immer explizit Bezug auf eine<br />

dieser beiden Ansichten über Ethnizität nehmen, sind diese Vorstellungen implizit vertreten –<br />

denn die Eignung verschiedener <strong>Institut</strong>ionen zur Konfliktregelung wird immer unter gewissen<br />

Vorstellungen von ethnischen Gruppen und ethnischer Identität bewertet.<br />

Die Primordialisten gehen dabei von der Naturhaftigkeit ethnischer Gruppen aus. Der<br />

Mensch, der sich als soziales Wesen von Natur aus in Gruppen organisiert, orientiere sich<br />

als erstes an der Familie. Die ethnische Gruppe sei dann in der Wahrnehmung des Einzelnen<br />

eine Art vergrößerte Familie, in der die Mitglieder in verwandtschaftlichem Verhältnis zu<br />

einander stehen. Das Individuum beziehe sich daher zwangsläufig auf diese (vermeintlich)<br />

genetisch Gleichartigen und sehe diese als identitätsrelevante Wir-Gruppe. Die quasinatürliche<br />

Verbundenheit des Einzelnen mit seiner Gruppe schafft enorme Ein- und Austrittshürden<br />

und damit gleichzeitig eine psychologische Geborgenheit, da der Einzelne Stabilität<br />

und Verlässlichkeit im Bezug auf die Mitglieder und ihr Verhalten verspürt. Gleichzeitig<br />

führe sie aber auch fast zwangsläufig zu einer erhöhten Konfliktbereitschaft gegenüber anderen<br />

ethnischen Gruppen. 31<br />

29 „Zu Recht kann der Begriff ‚Minderheit’ selbst als eine Konsolidierung bzw. Anerkennung der Dominanz der<br />

Mehrheit gesehen werden, da er eine klare Hierarchie schafft.“ Bieber, Florian 2003: Internationale Minderheitenpolitik<br />

im westlichen Balkan, in: Südosteuropa Mitteilungen, 43: 6, S. 32-43 (hier: S. 37).<br />

30 Vgl. Schneckener 2002: 33ff.<br />

31 Vgl. Siedschlag, Alexander 2000: Politische <strong>Institut</strong>ionalisierung und Konflikttransformation. Leitideen, Politische<br />

<strong>Institut</strong>ionalisierung und europäische Praxisfälle, Opladen, S. 253; Sisk, Timothy D. 1996: Power Sharing<br />

and International Mediation in Ethnic Conflicts, Washington, S. 12; Aklaev, Airat R. 1999: Democratization and<br />

Ethnic Peace. Patterns of Ethnopolitical Crisis Management in Post-Soviet Settings, Aldershot u.a, S. 27.<br />

Es ist jedoch festzuhalten, dass diese Vorstellung empirisch nicht gestützt wird: Das Vorhandensein verschiedener<br />

ethnischer Gruppen auf einem Territorium und sogar die Politisierung ihrer Beziehungen zueinander scheinen<br />

zwar notwendige, aber keinesfalls hinreichende Vorraussetzungen <strong>für</strong> einen ethnischen Konflikt zu sein. Vgl.

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