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Fallstudie Makedonien (Nr. 50) - Geschwister-Scholl-Institut für ...

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38<br />

zelnen). 169 Die ethnischen Identitäten waren somit schon vor der Unabhängigkeit <strong>Makedonien</strong>s<br />

politisiert aber auch polarisiert.<br />

Vor diesem Hintergrund stritten ethnisch albanische Politiker keineswegs um eine Gleichstellung<br />

aller Staatsbürger. Vielmehr forderten sie mit ihrem Wunsch nach einem bi-nationalen<br />

Staat die Anerkennung des staatstragenden Charakters ihrer Gruppe und eine „Verdoppelung<br />

der ethnischen Strukturen“ 170 . Nicht nur, dass sich in dieser Diskussion das Fortbestehen<br />

alter jugoslawischer Denkmuster in einem mittlerweile veränderten Umfeld widerspiegelt;<br />

das Konzept der „staatstragende Gruppen“ bettet sich in die Überlegungen einer Volksnation<br />

ein, denn in einer Staatsbürgernation ist allein die Gesamtheit aller Bürger die staatstragende<br />

Gruppe. 171 Mit der Betonung der Gleichheit aller Bürger bezogen sich ethnische Makedonen<br />

dagegen auf eben dieses liberale Staatsbürgermodell, das keine Unterschiede in ethnischer<br />

Hinsicht machen sollte. 172 Diese Doppeldeutigkeit der Verfassung zwischen Nationalstaat<br />

der Makedonen und Staat aller Bürger ist wohl weniger als ein Ergebnis der Zeitnot zu<br />

verstehen, unter der die neue Verfassung entstanden war 173 , als ein „attempt by the drafters<br />

(…) to provide for an inclusive concept of citizenship while remaining sensitive to different<br />

group identities.” 174<br />

Denn die ethnischen Makedonen waren nicht gewillt, irgendeiner Gruppe einen staatstragenden<br />

Status zu gewähren: Schließlich sah sich <strong>Makedonien</strong> als Land, das sich aus einem<br />

multinationalen Staatswesen losgesagt hatte, vor der realen Gefahr, dass staatstragende<br />

Gruppen dieses Recht nun auch <strong>für</strong> sich beanspruchen könnten – denn das Selbstbestimmungsrecht<br />

der Völker würde sich völkerrechtlich auch auf staatstragende Volksgruppen<br />

innerhalb der einzelnen Nachfolgestaaten Jugoslawiens beziehen. 175 Die gleiche Argumentationskette<br />

bemühten ethnisch makedonische Politiker, um Forderungen nach der Anerkennung<br />

der albanischen Sprache als zweite Staatssprache abzulehnen: Dies würde dem vermeintlich<br />

vorhandenen albanischen Sezessionismus nur weiter Vorschub leisten. 176<br />

Zudem sahen viele Makedonen nicht ein, wieso sie den einzigen Staat den sie „besitzen“ mit<br />

den Albanern „teilen“ sollten, während diese bereits sowohl Albanien als auch das Kosovo<br />

besäßen. 177 Um diese Frage nach dem „ownership“ des Staates drehte sich der Kern des<br />

Statuskonfliktes.<br />

169 Vgl. CEDIME-SE 2002: 51ff.<br />

170 Willemsen 2004: 775.<br />

171 Vgl. Ramet, Sabrina P. 1997: Whose Democracy? Nationalism, Religion, and the Doctrine of Collective Rights<br />

in Post-1989 Eastern Europe, Lanham u.a., S. 62f.<br />

172 Vgl. Hristova 2005.<br />

173 Vgl. Willemsen 2004: 774.<br />

174 Treneska 2004: 220.<br />

175 “[The] recognition as a separate ‘people’ in Macedonia (…) would mean, under international law, that they<br />

would have the right to self-determination that a majority does have.” Treneska 2004: 226; Vgl. auch Robotin,<br />

Monica 2003: A Comparative Approach to Minority Participation in Government, in: Robotin, Monica/Salat, Levente<br />

(Hrsg.): A New Balance: Democracy and Minorities in Post-Communist Europe, Budapest, S. 155-169 (hier:<br />

S. 157).<br />

176 Vgl. Kiselinovski-Status, Stojan: Malcinstvo i jazik [Minderheit und Sprache], in: Dnevnik, 28.07.2001.<br />

177 Vgl. Calic 2002: 8.

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