Fallstudie Makedonien (Nr. 50) - Geschwister-Scholl-Institut für ...
Fallstudie Makedonien (Nr. 50) - Geschwister-Scholl-Institut für ...
Fallstudie Makedonien (Nr. 50) - Geschwister-Scholl-Institut für ...
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
40<br />
Versuche der Geburtenkontrolle hatte es im Laufe der 80er Jahre gegeben, die Verfassung<br />
von 1991 verbietet solche Maßnahmen aber ausdrücklich. 182<br />
b) Das zweite Argument gegen den Minderheitenstatus steckt in der Aussage, dass die Albaner<br />
in <strong>Makedonien</strong> Teil der gesamtalbanischen Nation seien und allein von daher keine<br />
Minderheit sein könnten. 183 Solche Ansichten bestätigten aber die ethnischen Makedonen in<br />
ihrer Angst vor irredentistischen Bestrebungen der albanischen Volksgruppe.<br />
Stets mit diesen Zahlen verbunden waren auch Klagen über eine zahlenmäßige Unterrepräsentation<br />
der Albaner im Staatssektor, die von albanischen Politikern als Beweis <strong>für</strong> die<br />
strukturelle Diskriminierung ins Feld geführt wurden. Gerade im Sicherheitsbereich machte<br />
sich die Diskrepanz zwischen Bevölkerungsstärke und offizieller Vertretung bemerkbar: Nur<br />
3% der Polizisten und 7% der Führungsoffiziere kamen 1999 aus der ethnisch albanischen<br />
Gruppe. 184 Ethnisch makedonische Politiker begründeten dies mit dem geringen Bildungswillen<br />
der albanischen Bevölkerung. Der tatsächliche Grund ist wohl in einem Mix verschiedener<br />
Faktoren zu suchen. 185<br />
Während also albanische Politiker die Verfassung als Grundlage der Diskriminierung betrachteten<br />
und versuchten diese zu ändern, hofften makedonische Politiker auf die integrative<br />
Kraft des Staatsgrundgesetzes und seinen minderheitenfreundlichen Charakter. In den<br />
Augen der Albaner hätte die Verfassung, nicht aber die Realität verändert werden können 186 ,<br />
in den Augen der Makedonen wollten die Albaner die ihnen gegebenen Möglichkeiten nicht<br />
ausschöpfen.<br />
3.2.2 Autonomieforderungen und territoriale Lösungen<br />
In <strong>Makedonien</strong> gab es interessanter Weise weder vor der Krise 2001 noch danach ein umfassendes<br />
Minderheitenschutzgesetz, das die Rechte und Pflichten der Minderheiten zusammenstellt;<br />
dies ist durchaus erwähnenswert, wenn man die Tatsache beachtet, dass dieser<br />
Staat mit über einem Drittel den wohl höchsten Minderheitenanteil in Europa hat. 187 Min-<br />
182 Vgl. CEDIME-SE 2002: 7.<br />
183 „Albanians are the third largest ethnic group in the region and the descendants of the Illyrians, the oldest indigenous<br />
population. They are a majority that was divided by force.” Xhaferi, Arben 1998: Challenges to Democracy<br />
in Multiethnic States, S. 6, URL: http://aacl.com/challenges_to_democracy.htm<br />
Eine derartige Aussage missachtet den territorialen Bezug des Begriffes „Minderheit“ völlig. Dieses Eigenverständnis<br />
ist wohl auch der Grund da<strong>für</strong>, dass bisher auch kein Fall bekannt geworden ist, in dem Albaner ihre<br />
Grundrechte vor einem innerstaatlichem Gericht oder in Straßburg einklagt hätten. Vgl. Schrameyer 2004: 34.<br />
184 Ackermann 1999: 63.<br />
185 „Der niedrige Anteil an Albanern im öffentlichen Dienst ist Folge eines komplexen Faktorenbündels aus ethnisch<br />
diskriminierenden Rekrutierungspraktiken, niedrigem Bildungsniveau und ländlicher Siedlungsweise der<br />
Albaner sowie ihre Distanz zu Staatsorganen.“ Brunnbauer, Ulf 2001: Historischer Kompromiß oder Bürgerkrieg?<br />
<strong>Makedonien</strong> sucht Antworten auf den albanischen Extremismus, in: Südosteuropa, <strong>50</strong>: 4-6, S. 159-189 (hier: S.<br />
168).<br />
186 Vgl. Tanevski 2005.<br />
187 Vgl. CEDIME-SE 2002: 53;<br />
„Die makedonische Politik gegenüber ethnischen Minderheiten funktionierte, ohne daß es da<strong>für</strong> detaillierte Gesetze<br />
und Ausführungsbestimmungen gab.“ (Der heutige Außenminister) Antonio Milošoski in: Oschlies 2004:<br />
136.