Leitfaden Deutsch - Herfurth & Partner
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Diese vier Grundfreiheiten gelten unter den<br />
alten EU- Mitgliedsländern nach dem EG-<br />
Vertrag uneingeschränkt.<br />
Für die neuen Beitrittsstaaten hingegen gilt<br />
dies nicht ausnahmslos; es bestehen teilweise<br />
noch so genannte Übergangsregelungen.<br />
Neben den neuen Beitrittsstaaten Bulgarien<br />
und Rumänien sind hiervon auch die Staatsbürger<br />
aus Estland, Lettland, Litauen, Polen,<br />
Slowakei, Slowenien, die Tschechische Republik<br />
und Ungarn betroffen. Die Länder Zypern<br />
und Malta waren bereits zum Zeitpunkt ihres<br />
Beitritts uneingeschränkt freizügigkeitsberechtigt.<br />
a) Freier Warenverkehr<br />
Waren sollen innerhalb der EU ohne<br />
staatliche Einschränkungen und Behinderungen<br />
über die Binnengrenzen hinweg<br />
gehandelt werden können. Daher verbietet<br />
der Gründungsvertrag der Europäischen<br />
Gemeinschaft (EGV) Ein- und Ausfuhrzölle<br />
und staatliche Mengenbeschränkungen für<br />
Importe innerhalb der EU (so genannte<br />
Zollunion). Einschränkende nationale<br />
Regeln und Normen sind nach dem Recht<br />
der EU nur dann zulässig, wenn sie<br />
zwingend zum Schutz höherwertiger Ziele,<br />
wie etwa dem Verbaucher-, Umwelt- oder<br />
Gesundheitsschutz, geboten sind. Grundsätzlich<br />
können daher Waren von Mitgliedsländern<br />
der EU nach <strong>Deutsch</strong>land und<br />
umgekehrt frei gehandelt und in den<br />
Verkehr gebracht werden.<br />
b) Freier Personenverkehr<br />
Die Freiheit des Personenverkehrs umfasst<br />
einen weiten Bereich. Sie setzt sich aus der<br />
Niederlassungsfreiheit und der Freizügigkeit<br />
der Arbeitnehmer zusammen.<br />
aa) Niederlassungsfreiheit<br />
Die Niederlassungsfreiheit berechtigt<br />
Bürger und Unternehmen aus einem Mitgliedstaat<br />
der EU, sich in einem anderen<br />
Mitgliedsstaat nach dessen Vorschriften<br />
niederzulassen, und einer dauerhaften<br />
selbständigen Erwerbstätigkeit nachzugehen.<br />
Eine solche auf Dauer ausgerichtete<br />
wirtschaftliche Tätigkeit liegt etwa<br />
dann vor, wenn ein Unternehmen in einem<br />
Mitgliedsstaat eine Hauptniederlassung,<br />
Zweigniederlassung, Agentur oder Tochtergesellschaft<br />
gründet.<br />
Ist hingegen lediglich eine vorübergehende<br />
Tätigkeit geplant, so fällt dies nicht unter<br />
den Begriff des Niederlassens.<br />
Die Niederlassungsfreiheit findet auch für<br />
die Bürger der neuen Beitrittsstaaten<br />
uneingeschränkt und ohne Übergangsregelungen<br />
Anwendung. Dementsprechend<br />
kann jeder Staatsbürger dieser Länder in<br />
<strong>Deutsch</strong>land ein Unternehmen gründen<br />
und hier selbständig arbeiten.<br />
bb) Arbeitnehmerfreizügigkeit<br />
Die Arbeitnehmerfreizügigkeit gibt einem<br />
Arbeitnehmer das Recht, in ein EU-Land<br />
einzureisen, sich dort aufzuhalten und<br />
dauerhaft zu bleiben, um einer unselbständigen<br />
(abhängigen, angestellten)<br />
Tätigkeit nachzugehen.<br />
Für Arbeitnehmer aus den alten Mitgliedsstaaten<br />
der EU gilt die Arbeitnehmerfreizügigkeit<br />
grundsätzlich uneingeschränkt.<br />
Lediglich im Kernbereich hoheitlichen<br />
Handelns ( z.B. Polizei) gelten auch für<br />
Bürger aus den alten europäischen Mitgliedsländern<br />
besondere Beschränkungen.<br />
Die Ausübung unselbständiger Tätigkeiten<br />
für Arbeitnehmer der neuen osteuropäischen<br />
Mitgliedsstaaten ist in <strong>Deutsch</strong>land<br />
nach wie vor nur eingeschränkt möglich.<br />
Das Bundeskabinett hat nach dem als<br />
Übergangsregelung geltenden “2+3+2-<br />
Modell” die Verlängerung der vorläufigen<br />
Regelung bei der Arbeitnehmerfreizügigkeit<br />
gegenüber den Beitrittsstaaten bis zum<br />
30. April 2009 beschlossen.<br />
Enden werden die Beschränkungen in jedem<br />
Fall spätestens im Jahr 2011 bzw. für die<br />
erst später hinzugetretenen Beitrittsländer<br />
Bulgarien und Rumänien spätestens im<br />
Jahr 2014. Die im Beitrittsvertrag vorgesehenen<br />
Möglichkeiten einer Übergangsregelung<br />
laufen dann aus. Inzwischen<br />
wurde allerdings für Fachkräfte aus<br />
bestimmten Berufsgruppen der Zugang<br />
zum Arbeitsmarkt durch eine gesetzliche<br />
Neuregelung erheblich erleichtert.<br />
c) Dienstleistungsfreiheit<br />
Die Dienstleistungsfreiheit gewährt das<br />
Recht, in einem Mitgliedsstaat eine<br />
vorübergehende und damit zeitlich<br />
beschränkte selbständige Tätigkeit auszuüben.<br />
Mit umfasst hiervon sind gewerbliche,<br />
kaufmännische, handwerkliche oder<br />
freiberufliche Tätigkeiten, die selbstständig<br />
ausgeübt werden.<br />
Die Dienstleistungsfreiheit ist aber beispielsweise<br />
auch betroffen, wenn ein bei<br />
einer Firma im EU-Ausland angestellter<br />
Handwerker einen an seine Firma gerichteten<br />
Dienstleistungsauftrag in einem<br />
anderen EU-Land ausführt. In diesem Fall<br />
spricht man von der sogenannten Dienstleistungsfreiheit<br />
mit Entsendung.<br />
Unernehmensinhaber der in den Beitrittsstaaten<br />
niedergelassenen Unternehmen<br />
und sonstige Selbständige können nach<br />
dem EU-Beitritt die Dienstleistungsfreiheit<br />
für ihren eigenen Einsatz sowie den Einsatz<br />
ihres sog. Schlüsselpersonals grundsätzlich<br />
uneingeschränkt nutzen. Zum Schlüsselpersonal<br />
zählen Führungskräfte und<br />
Personen mit hohen fachspezifischen<br />
Qualifikationen für bestimmte Arbeiten<br />
oder Aufgaben und Kenntnisse.<br />
Der Einsatz von sonstigen aus den neuen<br />
Beitrittsstaaten stammenden Mitarbeitern<br />
eines Unternehmens mit Sitz im neuen<br />
Mitgliedsstaat (Dienstleistungsfreiheit mit<br />
Entsendung) wird dagegen durch die<br />
Übergangsregelungen im Beitrittsvertrag in<br />
einigen Dienstleistungssektoren begrenzt.<br />
12 A. Wirtschaftsstandort Niedersachsen A. Wirtschaftsstandort Niedersachsen 13