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Wehrwissenschaftliche Forschung Jahresbericht 2012

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<strong>Forschung</strong>saktivitäten <strong>2012</strong><br />

26<br />

27<br />

Dr. Christoph Nebel<br />

Fraunhofer-Institut für Angewandte<br />

Festkörperphysik, Freiburg<br />

christoph.nebel@iaf.fraunhofer.de<br />

Neuartiges Detektionsverfahren für gefährliche Alpha-Strahler<br />

in Trinkwasser<br />

Radionuklide, die α-Strahlung (Helium-Kerne) emittieren,<br />

sind bei Inkorporation extrem schädlich für die menschliche<br />

Gesundheit. Die krankmachende Wirkung tritt zeitverzögert<br />

auf und ist medizinisch kaum behandelbar. Derartige Nuklide<br />

können nur sehr schwer erkannt werden, da α-Strahlung<br />

eine sehr geringe Reichweite in Materie besitzt und durch ein<br />

einfaches Behältnis vollständig abgeschirmt werden kann.<br />

Die wichtigsten α-Strahler finden sich in der Gruppe der<br />

Actinoide, das sind Elemente mit Ordnungszahlen zwischen<br />

89 und 103. Alle Actinoide sind Metalle, radioaktiv und giftig.<br />

Eine besonders hohe Gefährdung kann durch das Zerfallsprodukt<br />

Polonium 210 entstehen, da es ebenfalls hochradioaktiv<br />

ist und fast ausschließlich α-Strahlung emittiert. Daher ist<br />

eine einfache Detektion über die den radioaktiven Zerfall<br />

normalerweise begleitende hochenergetische Röntgenstrahlung<br />

(γ-Strahlung) nicht möglich.<br />

Die biologische Schadwirkung dieser schnellen Heliumkerne<br />

ist 20-mal höher, als die von γ-Strahlung, wenn derartige<br />

Radionuklide in den menschlichen Körper gelangen. Die kinetische<br />

Energie eines Alphateilchens liegt typischerweise in der<br />

Größenordnung von 2 bis 5 MeV. Alphateilchen aus künstlich<br />

erzeugten Nukliden können sogar Energien von über 10 MeV<br />

besitzen. Traurige Berühmtheit hat der Fall Alexander Litwinenko<br />

erlangt, aber auch andere prominente Todesfälle mit<br />

derzeit noch ungeklärter Ursache werden diesbezüglich neu<br />

untersucht. Außerhalb des Körpers schadet die Strahlung<br />

dagegen kaum, da α-Partikel bereits in den oberen toten<br />

Hauschichten absorbiert werden und damit keine lebenden<br />

Zellen schädigen.<br />

Für einen Attentäter ist der Transport dieser Substanzen in<br />

einem einfachen Behältnis völlig ungefährlich. Eine schnelle<br />

Detektion ist nicht möglich. Derartiges Material kann somit<br />

risikolos transportiert und auch in überwachte Bereiche eingeschleust<br />

werden. Zusätzlich tritt die medizinische Wirkung,<br />

z. B. über eine Kontamination von Trinkwasser, zeitverzögert<br />

mit zunächst recht unspezifischen Symptomen auf. Ein Anschlag<br />

kann daher fast ohne Risiko für die eigene Gesundheit<br />

oder der frühzeitigen Enttarnung durchgeführt werden.<br />

Für Streitkräfte im Auslandseinsatz ist die Versorgung mit<br />

sauberem Trinkwasser eine wichtige Voraussetzung für eine<br />

erfolgreiche Missionsdurchführung. Es existieren ausgereifte<br />

Anlagen, die aus beliebigen Quellen hygienisch einwandfreies<br />

Trinkwasser aufbereiten können. Eine absichtliche Kontamination<br />

der Entnahmestelle mit α-Strahlern kann derzeit jedoch<br />

nicht automatisiert und zeitnah festgestellt werden. Aufbauend<br />

auf dem nachfolgend beschriebenen Projekt der zivilen<br />

Sicherheitsforschung wird ein System zum besseren Schutz<br />

von Soldaten im Auslandseinsatz entwickelt.<br />

Im Rahmen des BMBF geförderten Projekts „System zur<br />

Spurendetektion von α-Partikeln in Wassernetzwerken“ wird<br />

ein Echtzeit-Messsystem realisiert, welches es erlaubt, eine<br />

Actinoid-Verunreinigung von Trinkwasser in wenigen Minuten<br />

zu ermitteln. Dies wird durch die Kombination einer elektrochemischen<br />

Elektrode aus Diamant und einem Si-basierten<br />

α-Teilchendetektor erreicht. Eventuell vorhandene Actinoid-<br />

Atome werden an der Elektrode chemisch ausgefällt und so<br />

auf dem Sensor angereichert. Der Nachweis erfolgt durch den<br />

integrierten α-Teilchen-Detektor, der auch die Energie der<br />

Strahlung misst. Da α-Strahlung eine für das jeweilige Radionuklid<br />

charakteristische Energie besitzt, erhält man über<br />

diesen Wert eine aussagekräftige Information über die Art und<br />

den möglichen Ursprung der radioaktiven Kontamination.<br />

Der neuartige Sensor wird in enger Zusammenarbeit des<br />

Fraunhofer-Instituts für Angewandte Festkörperphysik IAF,<br />

mit dem Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie ICT,<br />

dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT), dem Commissariat<br />

à l’énergie atomique et aux énergies alternatives (CEA)<br />

und Canberra France entwickelt. Besondere <strong>Forschung</strong>sherausforderungen<br />

sind die Kombination der Diamant-Abscheidung<br />

auf Si-basierten α-Teilchen-Sensoren, die bei niedrigen<br />

Temperaturen und auf großen Flächen erfolgen muss. Hinzu<br />

kommt die Entwicklung eines chemischen Actinoid-Akkumulationsschritts<br />

auf der Diamantelektrode und deren Reinigung<br />

nach der Messung durch einen Regenerierungsprozess. Damit<br />

wird eine kontinuierliche Messung zur Überwachung von<br />

Trinkwassernetzen und -Quellen möglich.<br />

Abb. 1: Erste Sensor-Prototypen im Größenvergleich Abb. 2: Ausschnitt eines Wafers mit Sensorstrukturen Abb. 3: Der Sensor im Detail Abb. 4: Funktionsprinzip des Sensors.<br />

Linke Seite: Aufgrund der geringen Reichweite von α-Strahlung in Wasser kann diese<br />

normalerweise nicht nachgewiesen werden.<br />

Rechte Seite: Durch eine gezielte Anreicherung von Actinoiden in der Nähe des Detektors<br />

kann die Strahlung detektiert werden

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