Wehrwissenschaftliche Forschung Jahresbericht 2012
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<strong>Forschung</strong>saktivitäten <strong>2012</strong><br />
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Dr. Christoph Nebel<br />
Fraunhofer-Institut für Angewandte<br />
Festkörperphysik, Freiburg<br />
christoph.nebel@iaf.fraunhofer.de<br />
Neuartiges Detektionsverfahren für gefährliche Alpha-Strahler<br />
in Trinkwasser<br />
Radionuklide, die α-Strahlung (Helium-Kerne) emittieren,<br />
sind bei Inkorporation extrem schädlich für die menschliche<br />
Gesundheit. Die krankmachende Wirkung tritt zeitverzögert<br />
auf und ist medizinisch kaum behandelbar. Derartige Nuklide<br />
können nur sehr schwer erkannt werden, da α-Strahlung<br />
eine sehr geringe Reichweite in Materie besitzt und durch ein<br />
einfaches Behältnis vollständig abgeschirmt werden kann.<br />
Die wichtigsten α-Strahler finden sich in der Gruppe der<br />
Actinoide, das sind Elemente mit Ordnungszahlen zwischen<br />
89 und 103. Alle Actinoide sind Metalle, radioaktiv und giftig.<br />
Eine besonders hohe Gefährdung kann durch das Zerfallsprodukt<br />
Polonium 210 entstehen, da es ebenfalls hochradioaktiv<br />
ist und fast ausschließlich α-Strahlung emittiert. Daher ist<br />
eine einfache Detektion über die den radioaktiven Zerfall<br />
normalerweise begleitende hochenergetische Röntgenstrahlung<br />
(γ-Strahlung) nicht möglich.<br />
Die biologische Schadwirkung dieser schnellen Heliumkerne<br />
ist 20-mal höher, als die von γ-Strahlung, wenn derartige<br />
Radionuklide in den menschlichen Körper gelangen. Die kinetische<br />
Energie eines Alphateilchens liegt typischerweise in der<br />
Größenordnung von 2 bis 5 MeV. Alphateilchen aus künstlich<br />
erzeugten Nukliden können sogar Energien von über 10 MeV<br />
besitzen. Traurige Berühmtheit hat der Fall Alexander Litwinenko<br />
erlangt, aber auch andere prominente Todesfälle mit<br />
derzeit noch ungeklärter Ursache werden diesbezüglich neu<br />
untersucht. Außerhalb des Körpers schadet die Strahlung<br />
dagegen kaum, da α-Partikel bereits in den oberen toten<br />
Hauschichten absorbiert werden und damit keine lebenden<br />
Zellen schädigen.<br />
Für einen Attentäter ist der Transport dieser Substanzen in<br />
einem einfachen Behältnis völlig ungefährlich. Eine schnelle<br />
Detektion ist nicht möglich. Derartiges Material kann somit<br />
risikolos transportiert und auch in überwachte Bereiche eingeschleust<br />
werden. Zusätzlich tritt die medizinische Wirkung,<br />
z. B. über eine Kontamination von Trinkwasser, zeitverzögert<br />
mit zunächst recht unspezifischen Symptomen auf. Ein Anschlag<br />
kann daher fast ohne Risiko für die eigene Gesundheit<br />
oder der frühzeitigen Enttarnung durchgeführt werden.<br />
Für Streitkräfte im Auslandseinsatz ist die Versorgung mit<br />
sauberem Trinkwasser eine wichtige Voraussetzung für eine<br />
erfolgreiche Missionsdurchführung. Es existieren ausgereifte<br />
Anlagen, die aus beliebigen Quellen hygienisch einwandfreies<br />
Trinkwasser aufbereiten können. Eine absichtliche Kontamination<br />
der Entnahmestelle mit α-Strahlern kann derzeit jedoch<br />
nicht automatisiert und zeitnah festgestellt werden. Aufbauend<br />
auf dem nachfolgend beschriebenen Projekt der zivilen<br />
Sicherheitsforschung wird ein System zum besseren Schutz<br />
von Soldaten im Auslandseinsatz entwickelt.<br />
Im Rahmen des BMBF geförderten Projekts „System zur<br />
Spurendetektion von α-Partikeln in Wassernetzwerken“ wird<br />
ein Echtzeit-Messsystem realisiert, welches es erlaubt, eine<br />
Actinoid-Verunreinigung von Trinkwasser in wenigen Minuten<br />
zu ermitteln. Dies wird durch die Kombination einer elektrochemischen<br />
Elektrode aus Diamant und einem Si-basierten<br />
α-Teilchendetektor erreicht. Eventuell vorhandene Actinoid-<br />
Atome werden an der Elektrode chemisch ausgefällt und so<br />
auf dem Sensor angereichert. Der Nachweis erfolgt durch den<br />
integrierten α-Teilchen-Detektor, der auch die Energie der<br />
Strahlung misst. Da α-Strahlung eine für das jeweilige Radionuklid<br />
charakteristische Energie besitzt, erhält man über<br />
diesen Wert eine aussagekräftige Information über die Art und<br />
den möglichen Ursprung der radioaktiven Kontamination.<br />
Der neuartige Sensor wird in enger Zusammenarbeit des<br />
Fraunhofer-Instituts für Angewandte Festkörperphysik IAF,<br />
mit dem Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie ICT,<br />
dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT), dem Commissariat<br />
à l’énergie atomique et aux énergies alternatives (CEA)<br />
und Canberra France entwickelt. Besondere <strong>Forschung</strong>sherausforderungen<br />
sind die Kombination der Diamant-Abscheidung<br />
auf Si-basierten α-Teilchen-Sensoren, die bei niedrigen<br />
Temperaturen und auf großen Flächen erfolgen muss. Hinzu<br />
kommt die Entwicklung eines chemischen Actinoid-Akkumulationsschritts<br />
auf der Diamantelektrode und deren Reinigung<br />
nach der Messung durch einen Regenerierungsprozess. Damit<br />
wird eine kontinuierliche Messung zur Überwachung von<br />
Trinkwassernetzen und -Quellen möglich.<br />
Abb. 1: Erste Sensor-Prototypen im Größenvergleich Abb. 2: Ausschnitt eines Wafers mit Sensorstrukturen Abb. 3: Der Sensor im Detail Abb. 4: Funktionsprinzip des Sensors.<br />
Linke Seite: Aufgrund der geringen Reichweite von α-Strahlung in Wasser kann diese<br />
normalerweise nicht nachgewiesen werden.<br />
Rechte Seite: Durch eine gezielte Anreicherung von Actinoiden in der Nähe des Detektors<br />
kann die Strahlung detektiert werden