Wehrwissenschaftliche Forschung Jahresbericht 2012
Wehrwissenschaftliche Forschung Jahresbericht 2012
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<strong>Forschung</strong>saktivitäten <strong>2012</strong> 86 87<br />
Oberfeldarzt Dr. Andreas Werner<br />
Flugmedizinisches Institut der Luftwaffe,<br />
Abteilung Flugphysiologie,<br />
Königsbrück,<br />
andreas4werner@bundeswehr.org<br />
Dr. Bernd Johannes<br />
Deutsches Zentrum für Luft- und<br />
Raumfahrt,<br />
Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin,<br />
Köln<br />
bernd.johannes@dlr.de<br />
Dipl.-Phys. Frank Fischer<br />
Spacebit GmbH – Ges. für medizinische<br />
und technische Signalverarbeitung,<br />
Eberswalde<br />
fischer@spacebit.de<br />
Prof. Dr. Dipl.-Geol.<br />
Hanns-Christian Gunga<br />
Charité Universitätsmedizin Berlin<br />
– Campus Charité Mitte – Crossover,<br />
Institut für Physiologie und Zentrum<br />
für Weltraummedizin Berlin<br />
hanns-christian.gunga@charite.de<br />
Monitoring von Vitalparametern in der realen Umwelt mit einem<br />
flexiblen modularen tele-physiologischen System<br />
HealthLab, ein modulares, flexibles und intelligentes<br />
System, das zugleich eine Vielzahl physiologischer und<br />
umweltbezogener Daten verarbeiten kann, ermöglicht das<br />
Monitoring von Soldaten während realer Einsätze. Besser<br />
als mit bisheriger Methodik kann mit diesem System die<br />
Weiterentwicklung von Ausrüstung und Ausbildung auf<br />
eine solide wissenschaftliche Basis gestellt werden.<br />
Kennzeichen militärischer Einsätze sind hohe Anforderungen<br />
und extreme Umweltbedingungen. Soldaten sind dabei<br />
großen physischen und psychischen Belastungen ausgesetzt.<br />
Die Kombination von körperlicher Anstrengung, umfangreicher<br />
Ausrüstung, Gefahren und Bedrohung, unbekannter<br />
Umgebung, harschen Klimabedingungen, Zeitdruck und<br />
Verantwortung für Menschen hat erheblichen Einfluss auf<br />
das Befinden, die Einsatz- und Leistungsfähigkeit und kann<br />
das Risiko für Fehlhandlungen und Unfälle erhöhen.<br />
Studien zum Einfluss arbeitsplatzbedingter Belastungen<br />
wurden zumeist im Labor durchgeführt und in die Realität<br />
übertragen. Dort ergeben sich aber nicht selten völlig andere<br />
Ergebnisse. Im Labor werden Umweltparameter aktiv als<br />
„Störgrößen“ unterdrückt, um grundlegende Erkenntnisse<br />
zu erlangen. Empirische Untersuchungen zeigen jedoch, dass<br />
gerade Klimafaktoren erheblichen Einfluss haben. Für Untersuchungen<br />
„im Feld“ stellt auch die Beeinflussung durch<br />
unkontrollierbare physische Aktivitäten eine besondere<br />
Herausforderung dar. In Symptom-Kontext-Analysen haben<br />
neben den Setting-Merkmalen insbesondere auch subjektive<br />
Situationsbewertungen erheblichen Einfluss auf die Messgrößen.<br />
Insgesamt ergeben sich ganz eigene, komplexe<br />
physiologische Belastungsprofile.<br />
Die bisherige Feldforschung litt unter noch unzureichender<br />
Methodik. Systeme zur Messung physiologischer Parameter<br />
waren umfangreich, groß und schwer und somit nicht<br />
mobil, oder aber klein, dann jedoch auf wenige Parameter<br />
beschränkt. Notwendig ist aber ein komplexes, hochflexibles<br />
und mobiles System.<br />
Mit dem HealthLab, welches durch das Institut für Physiologie<br />
der Charité Berlin entwickelt, durch Spacebit programmiert<br />
und durch das DLR gefördert wurde, steht mittlerweile ein<br />
System zur Verfügung, das aus flexiblen Einzelkomponenten<br />
besteht, die kontinuierlich psycho-physiologische und synchron<br />
Umweltparameter aufzeichnen. Es basiert auf einem<br />
Multiprozessorsystem, welches mittels „plug and play“ ein<br />
Netzwerk von „intelligenten Satelliten“ mit einem „Master“<br />
bildet. Flexibel können das Setting auf die jeweilige Situation<br />
angepasst und jegliche Sensoren integriert werden. Neben<br />
Einsätzen in Bergwerken, im Wasser oder in Langzeituntersuchungen<br />
zum zirkadianen Rhythmus wird es aktuell in<br />
eigenen Experimenten auf der Internationalen Raumstation<br />
angewandt.<br />
Das Flugmedizinische Institut der Luftwaffe nutzt dieses<br />
System bereits seit geraumer Zeit und konnte damit die<br />
Beanspruchung von Cockpit Crews im Simulator wie im<br />
realen Flug objektivieren.<br />
Ein aktuelles eigenes Projekt beschäftigt sich mit Höhenfallschirmspringern.<br />
Diese werden in Höhen bis 35.000 ft mit<br />
ihrer Schutzausrüstung in einer extremen Umwelt abgesetzt.<br />
Je nach Absetzverfahren sind unterschiedlich lange Flugzeiten<br />
zu absolvieren. Niedrige Sauerstoffpartialdrücke in Kombination<br />
mit sehr kalter Umgebung (– 52 °C) verringern die Verfügbarkeit<br />
und Abgabe von Sauerstoff ans Gewebe. Dies kann<br />
zu messbarer physischer und kognitiver Leistungsminderung<br />
führen. Sicherheit und Gesundheit der Soldaten, wie auch<br />
die Auftragserfüllung, könnten beeinträchtigt werden. Schützende<br />
Ausrüstung und Ausbildung haben sich bewährt.<br />
Zudem werden dem Soldaten Voratemzeiten von Sauerstoff<br />
gemäß dienstlicher Vorschriften vorgegeben und während der<br />
Sprünge muss ebenfalls Sauerstoff geatmet werden. Ergebnisse<br />
zu diesem Thema wurden bislang fast nur empirisch erhoben<br />
und wissenschaftlich an sich nur im Labor untersucht. Mit der<br />
neuen Methodik gelingt es nunmehr, wertvolle feldphysiologische<br />
Daten unter komplexen Einsatzbedingungen zu gewinnen.<br />
Dies ermöglicht Impulse zur Optimierung von Ausrüstung<br />
und Ausbildung zu erhalten.<br />
Abb. 1: HealthLab bestehend aus einem Master und mehreren<br />
Satelliten, die kombiniert werden. Multiple Messmöglichkeiten<br />
von physiologischen Parametern, einfache Bedienbarkeit mittels<br />
Laptop, Tablet oder Smartphone<br />
Abb. 2: Demonstration des HealthLab im Rahmen des mobilen physiologischen<br />
Labors. Funkübertragung der Parameter in einen Container zum Monitoring<br />
von Soldaten im Feldeinsatz. Aufnahmegeräte inkl. Umweltsensorik in eine<br />
Weste integriert, physiologische Sensorik am Körper unter der Kleidung, am<br />
Kopf und an der rechten Hand<br />
Abb. 3: HealthLab in einer zur persönlichen<br />
Ausrüstung des Soldaten gehörenden Weste.<br />
Aufnahmegeräte und Umweltsensorik in der<br />
Weste, physiologische Sensorik am Körper<br />
unter der Kleidung und an der linken Hand