Wehrwissenschaftliche Forschung Jahresbericht 2012
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<strong>Forschung</strong>saktivitäten <strong>2012</strong> 30 31<br />
Dr. Monika Risse<br />
Fraunhofer-Institut für<br />
Naturwissenschaftlich-Technische<br />
Trendanalysen, Euskirchen<br />
monika.risse@int.fraunhofer.de<br />
Das Messfahrzeug DeGeN – unser System zur Prävention<br />
von Nuklearterrorismus<br />
Das Fraunhofer-Institut für Naturwissenschaftlich-Technische<br />
Trendanalysen INT hat das Messfahrzeug DeGeN<br />
(DEtektion Gamma Einschließlich Neutronen) entwickelt<br />
und in <strong>2012</strong> modernisiert. Damit sind Nachweis und Identifikation<br />
radioaktiver und insbesondere nuklearer Stoffe<br />
möglich. Messungen erfolgen sowohl in der Vorbeifahrt als<br />
auch stationär. Das System ist in Fahrzeuge ab einer Größe<br />
eines typischen PKW-Kombis einbaubar.<br />
Hermann Friedrich<br />
Fraunhofer-Institut für<br />
Naturwissenschaftlich-Technische<br />
Trendanalysen, Euskirchen<br />
hermann.friedrich@int.fraunhofer.de<br />
Die Bundeswehr steht im Auslandseinsatz vielfältigen Gefahren<br />
gegenüber. In den Verteidigungspolitischen Richtlinien<br />
vom 27. 5. 2011 wird hervorgehoben, dass „der internationale<br />
Terrorismus eine wesentliche Bedrohung für die Freiheit und<br />
Sicherheit unseres Landes und unserer Bündnispartner“ bleibt.<br />
Im Bereich des Terrorismus hob Bundeskanzlerin Merkel in<br />
ihrer Regierungserklärung zum Einsatz der Bundeswehr in<br />
Afghanistan vom April 2010 die Bedrohung durch den Atomterrorismus<br />
hervor. Er „gehört zu den größten Bedrohungen<br />
für die Sicherheit der Welt. Organisationen wie al-Qaida versuchen,<br />
in den Besitz von Nuklearwaffen zu kommen oder<br />
nukleares Material zu erlangen, um damit als sogenannte<br />
schmutzige Bomben nuklear angereicherte konventionelle<br />
Waffen zu bauen.“ Um für Einsätze mit derartiger Risikolage<br />
gerüstet zu sein, ist es unumgänglich entsprechende Fähigkeiten<br />
für das Auffinden und Identifizieren von nuklearem<br />
Material vorzuhalten.<br />
Nukleares und radioaktives Material kann durch Messung<br />
der von ihm ausgehenden Strahlung nachgewiesen und identifiziert<br />
werden. Hierzu sind im Messfahrzeug (Abbildung 1)<br />
Gamma- und Neutronendetektoren eingebaut. Zur Gammamessung<br />
sind zwei 5 l große Plastikszintillationsdetektoren<br />
mit NBR (Natural Background Rejection) Funktionalität<br />
enthalten. Sie ermöglichen eine Unterscheidung zwischen<br />
natürlicher und künstlicher Radioaktivität. Durch den Einbau<br />
je einer Sonde auf beiden Seiten kann unterschieden werden,<br />
auf welcher Fahrzeugseite sich die aufgefundene Quelle befindet.<br />
Für die genaue Identifizierung befindet sich ein hochauflösender,<br />
elektrisch gekühlter Germaniumdetektor im<br />
Fahrzeug, welcher sowohl während der Fahrt als auch in einer<br />
nachgeordneten abgesetzten Messung eine Identifikation des<br />
gefundenen Materials ermöglicht.<br />
Im Jahr <strong>2012</strong> wurde das INT Messfahrzeug modernisiert und<br />
ausgebaut. Hierzu gehörte die Neubeschaffung eines PKW-<br />
Kombi, die Integration neuer Systemkomponenten (robuster<br />
PKW-PC und robuster Monitor) und die bessere Anbindung<br />
des Germaniumdetektors zur Nutzung während der Fahrt.<br />
Von nuklearem Material werden Gammastrahlen und<br />
Neutronen ausgesandt. Die überwiegend niederenergetische<br />
Gammastrahlung ist oft so stark abgeschirmt, dass ein Nachweis<br />
unmöglich ist. In solchen Fällen ist die Neutronenmessung<br />
die einzige Möglichkeit zum Nachweis des nuklearen<br />
Materials. Dazu werden zwei großvolumige Detektorreihen<br />
mit je 6 3 He-Slab-Countern auf beiden Fahrzeugseiten eingesetzt.<br />
Die Nachweisgrenze ist für Abstände oberhalb 5 m von<br />
der Fahrtgeschwindigkeit unabhängig (Abbildung 2). Beispielsweise<br />
können in 10 m Abstand mit einer Abschirmung von<br />
20 cm Beton etwa 3 kg waffengrädiges Plutonium nachgewiesen<br />
werden. Die Information, ob es sich bei einem Fund<br />
um Nuklearmaterial oder eine industrielle Neutronenquelle<br />
handelt, kann durch eine ergänzende stationäre Koinzidenzmessung<br />
erhalten werden.<br />
Die Messwerte laufen getrennt für die beiden Detektorseiten<br />
in Balkendiagrammen auf dem Monitor ein (Abbildung 3).<br />
Das Überschreiten einstellbarer Schwellen wird optisch und<br />
akustisch signalisiert. Alternativ kann während der Fahrt ein<br />
Datenwert in einem farbkodierten Fahrweg in einer Kartendarstellung<br />
betrachtet werden. Neben üblichem Kartenmaterial<br />
können auch eingescannte Karten oder Satellitenbilder genutzt<br />
werden (Abbildung 4).<br />
Das Energiemanagement des Messsystems ermöglicht die<br />
Energieversorgung durch Aufladung mittels Lichtmaschine<br />
während der Fahrt, bis zu 10 h aus dem Akkumulator und auch<br />
über einen Anschluss an 230 V für vorbereitende Arbeiten.<br />
Das System ist normalerweise in einem PKW-Kombi integriert,<br />
es kann jedoch auch in andere ausreichend große Fahrzeuge<br />
eingebaut werden. So können die Systemkomponenten einzeln<br />
verlastet und dann am Bestimmungsort in ein Fahrzeug eingerüstet<br />
werden.<br />
Mit dem Messfahrzeug DeGeN steht ein valides System im<br />
Kampf gegen den Nuklearterrorismus zur Verfügung, welches<br />
flexibel eingesetzt werden kann.<br />
Abb. 1: Messsystem im Fahrzeug eingerüstet<br />
Abb. 2: Nachweisgrenze für Neutronenmessungen für<br />
3 und 40 km/h für unterschiedliche Abschirmungen<br />
Abb. 3: Screenshot der Monitoranzeige mit einem<br />
Gammaquellenfund auf der linken Fahrzeugseite<br />
Abb. 4: Messwerte Gammadosisleistung als farbkodierter Fahrweg in einem<br />
Satellitenbild dargestellt. Es sind bei einer Suchfahrt vier Gammaquellen<br />
an den Positionen A bis D gefunden worden. Die Symbole markieren die<br />
Quellorte