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Wehrwissenschaftliche Forschung Jahresbericht 2012

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<strong>Forschung</strong>saktivitäten <strong>2012</strong> 90 91<br />

Dr. Markus Pöhlmann<br />

Militärgeschichtliches <strong>Forschung</strong>samt,<br />

Potsdam<br />

markuspoehlmann@bundeswehr.org<br />

* Seit dem 1. 1. 2013 sind das Militärgeschichtliche <strong>Forschung</strong>samt und das Sozialwissenschaftliche Institut der Bundeswehr<br />

zum Zentrum der Bundeswehr für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften mit Sitz in Potsdam zusammengefasst.<br />

Panzerwaffe und Mechanisierung des Krieges in Deutschland 1890 – 1945<br />

2016 wird das Waffensystem Panzer einhundert Jahre alt.<br />

Das Militärgeschichtliche <strong>Forschung</strong>samt (MGFA) untersucht<br />

deshalb seine Geschichte in Deutschland. Im Vordergrund<br />

stehen militärische Operationen, Strategie und<br />

Kriegsbild im Zeitalter der Weltkriege. Ebenso wird nach<br />

den sozialen Kontexten und dem Stellenwert des Panzers<br />

in der kollektiven Kriegserinnerung gefragt. Ein entsprechendes<br />

<strong>Forschung</strong>sprojekt konnte das MGFA <strong>2012</strong><br />

in wesentlichen Teilen abschließen.<br />

Die Darstellung folgt zunächst der Chronologie. Die Vorgeschichte<br />

der Panzerentwicklung geht bis 1890 zurück, als sich<br />

ein spezifischer militärtechnischer Entwicklungscluster auszuformen<br />

begann. Die klassischen Parameter des Waffensystems<br />

– Beweglichkeit, Feuerkraft und Panzerung – nahmen von nun<br />

an maßgeblich auf die Rüstung und Organisation des Heeres<br />

Einfluss. Beim Ausbruch des Ersten Weltkrieges 1914 hätte<br />

der militärtechnische Entwicklungsstand die Erfindung und<br />

Einführung des Panzers bereits möglich gemacht. Warum dies<br />

nicht geschah und das preußisch-deutsche Heer ohne das<br />

Waffensystem in den Krieg eintrat, bildet eine der zentralen<br />

Fragen.<br />

Während des Ersten Weltkriegs entwickelten zunächst die<br />

britischen Streitkräfte den Panzer (Tank) und setzten ihn ein.<br />

Hier gilt es zu analysieren, wie die deutsche Seite militärisch<br />

und rüstungsmäßig auf diese Herausforderung reagierte.<br />

Unabhängig von der teils erheblichen psychologischen Wirkung,<br />

die britische Tanks an der Westfront entfalteten, stellt<br />

sich die Frage, welche militärische Bedeutung dem Panzer<br />

tatsächlich für den Kriegsverlauf zukam.<br />

Zwischen 1919 und 1935 verbot der Versailler Vertrag der<br />

Reichswehr den Ausbau einer Panzerwaffe. Dies hatte eminente<br />

Folgen für die Entwicklung und die Doktrinbildung.<br />

Beides gewann erst zu Beginn der 1930er Jahre und dann in<br />

der Folge der nationalsozialistischen Machtergreifung von<br />

1933 erneut an Fahrt. Bis 1939 baute die deutsche Militärführung<br />

die Panzerwaffe systematisch aus und verfügte beim<br />

Überfall auf Polen 1939 über ein schlagkräftiges Instrument,<br />

das die mechanisierte Kriegführung in bislang unbekannter<br />

Reichweite und Intensität ermöglichte. Während des Zweiten<br />

Weltkrieges wurde die Panzerwaffe insbesondere im Frankreichfeldzug<br />

und während des als „Blitzkrieg“ geplanten Einmarsches<br />

in die UdSSR zur Trägerin deutscher Angriffskriege<br />

schlechthin. Dies wird anhand der Operationsgeschichte und<br />

der Kriegsrüstung der Jahre 1939 bis 1945 nachvollzogen.<br />

Für den angesprochenen Zeitraum analysiert das Projekt das<br />

jeweilige Kriegsbild, um zunächst die militärischen Erwartungen<br />

an die Panzerwaffe aufzuzeigen. Damit eng verknüpft<br />

wird die Doktrinbildung als diskursiver Prozess untersucht.<br />

Dass dieser Diskurs beispielsweise in der Reichswehr unter<br />

dem Eindruck der Niederlage im Ersten Weltkrieg und unter<br />

den Bedingungen des Versailler Vertrages stattfand, hatte<br />

zur Folge, dass er mit besonderer Zielstrebigkeit und unter<br />

Antizipierung möglicher internationaler Reaktionen ablief.<br />

Der Komplex <strong>Forschung</strong>, Entwicklung und Rüstung bildet<br />

einen weiteren Erkenntnisgegenstand. So stellt sich etwa die<br />

Frage, ob für eine militärische Innovation von der Dimension<br />

des Panzers ab 1916 bereits eine etablierte Organisation<br />

für <strong>Forschung</strong> und Entwicklung bzw. Rüstung bereit stand.<br />

Die entsprechenden institutionellen Rahmenbedingungen<br />

veränderten sich vor allem durch die seit 1940 initiierte<br />

Neuorganisation der Heeresrüstung seitens der NS-Führung<br />

entscheidend und hatten den Erfordernissen des laufenden<br />

Krieges zu dienen.<br />

Schließlich nimmt der Panzer auch in der kollektiven Kriegserinnerung<br />

erheblichen Raum ein. Dem Waffensystem kommt<br />

eine herausragende Bedeutung in militärkultureller Hinsicht,<br />

etwa im Zusammenhang mit der Frage des militärischen Ethos<br />

(Kampf Mensch vs. Maschine, Wille vs. Material) zu. Hierzu<br />

zählen auch Aspekte der Traditionsbildung (Traditionslinie<br />

aus der Kavallerie) bis hin zum Eindringen des Panzers in<br />

die populäre Kultur.<br />

Im Ergebnis entsteht eine Geschichte des Panzers als Waffe<br />

und Symbol. Erstmals wird hier der Versuch unternommen,<br />

das Zeitalter der Weltkriege in seinen militärgeschichtlichen<br />

Grundzügen über die Entwicklung, Anwendung und kulturelle<br />

Widerspiegelung eines einzelnen militärischen Artefakts darzustellen.<br />

Den Angehörigen der Bundeswehr und nicht zuletzt<br />

den Soldaten der immer kleiner werdenden Panzertruppe<br />

vermittelt die Studie damit Hilfestellung bei der kritischen<br />

historischen Standortbestimmung.<br />

Abb. 1: Ein deutscher Panzer aus dem Zweiten Weltkrieg findet<br />

bei der Ausstellungskonzeption des Militärhistorischen Museums<br />

in Dresden Verwendung<br />

Abb. 2: Modelle von Kampfpanzern der Bundeswehr in der<br />

Dresdener Dauerausstellung<br />

Abb. 3: Aufarbeitung von Operationsgeschichte am MGFA

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