Wehrwissenschaftliche Forschung Jahresbericht 2012
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<strong>Forschung</strong>saktivitäten <strong>2012</strong><br />
14 15<br />
Dr. Dipl.-Ing. Frank Radtke<br />
Fraunhofer-Institut für Kurzzeit dynamik,<br />
Ernst-Mach-Institut, Efringen-Kirchen<br />
frank.radtke@emi.fraunhofer.de<br />
Dipl.-Ing. (FH) Bernd Brombacher<br />
Fraunhofer-Institut für Kurzzeit dynamik,<br />
Ernst-Mach-Institut, Efringen-Kirchen<br />
bernd.brombacher@emi.fraunhofer.de<br />
TRAR Michael Steyerer<br />
Wehrtechnische Dienststelle für<br />
Schutz- und Sondertechnik,<br />
Oberjettenberg<br />
michaelsteyerer@bundeswehr.org<br />
Gefährdungs- und Schadensanalyse unter Verwendung der ESQRA-GE<br />
am Beispiel eines VBIED Anschlages auf ein Hotel<br />
Sprengkörper, besonders Improvised Explosive Devices<br />
(IEDs) und Vehicle Born Improvised Explosive Devices<br />
(VBIEDs), stellen eine große Bedrohung für zivile und<br />
militärische Einrichtungen dar. Aus diesem Grund wird<br />
am Fraunhofer-Institut für Kurzzeitdynamik, Ernst-Mach-<br />
Institut, EMI, das ursprünglich für Sonderfälle der Munitionslagerung<br />
entwickelte Gefährdungs- und Risikoanalysetool<br />
Explosive Safety Quantitative Risk Analysis – Germany<br />
(ESQRA-GE) für diese Bedrohungen weiterentwickelt.<br />
Einsatz und Ergebnisse werden am Beispiel eines realen<br />
Angriffs auf ein Hotel beschrieben.<br />
Die wachsende Bedrohung ziviler und militärischer Einrichtungen<br />
sowohl durch Beschuss als auch durch IED und<br />
VBIED erfordert verstärkte Schutzmaßnahmen. Zur Optimierung<br />
von Schutzkonzepten sollten die potentiellen<br />
Gefährdungen z. B. durch Blast, Splitter und Trümmer und<br />
die daraus entstehenden Schäden analysiert werden.<br />
Das Fraunhofer EMI entwickelt seit mehr als zehn Jahren im<br />
Auftrag der Bundeswehr, vertreten durch die Wehrtechnische<br />
Dienstelle für Schutz- und Sondertechnik (WTD 52), verschiedene<br />
Programme zur quantitativen Risikoanalyse. Durch die<br />
detaillierte Betrachtung von Gefährdung, Schädigung, Ereignisfrequenz,<br />
Exposition von Personen und Risiko ermöglicht z. B.<br />
die ESQRA-GE, fundierte Entscheidungen unter Betrachtung<br />
aller Randbedingungen zu treffen. Die Ergebnisse können<br />
nachvollziehbar belegt und kommuniziert werden.<br />
Anhand eines realen terroristischen Anschlages auf das<br />
Marriott Hotel in Islamabad 2008 wird nachfolgend beispielhaft<br />
die Gefährdungs- und Schadensanalyse mit der<br />
ESQRA-GE vorgestellt. Bei diesem Anschlag explodierte ein<br />
mit Sprengstoff und Munition beladener LKW im Zufahrtsbereich<br />
des Hotels. Es gab viele Opfer sowie schwere Schäden<br />
an Gebäuden und Fahrzeugen. Abbildung 1 zeigt das Szenario<br />
sowie die Freifelddruckausbreitung nach dem Anschlag.<br />
Vor allem bei der Berechnung der Splittergefährdung wird<br />
deutlich, wie wichtig die dreidimensionale Modellierung des<br />
Szenarios ist. In Abbildung 2 ist die Gefährdung durch gefährliche<br />
Fragmente dargestellt. Die abschattenden Effekte der<br />
Gebäude – vor allem auch der flachen Vorbauten vor dem<br />
eigentlichen Hotelkomplex – lassen sich klar erkennen.<br />
Basierend auf der Gefährdungsanalyse ermöglicht die<br />
ESQRA-GE die Betrachtung von Personen-, Gebäude- und<br />
Fahrzeugschäden. In Abbildung 3 sind die zu erwartenden<br />
Schäden an Fahrzeugen dargestellt. In Übereinstimmung mit<br />
dem tatsächlich beobachteten Schadensausmaß werden die<br />
meisten vor dem Hotel abgestellten Fahrzeuge sehr stark<br />
beschädigt. Bei der Ermittlung von Fenster- und Gebäudeschäden<br />
werden ebenfalls sehr gute Übereinstimmungen<br />
zwischen vom Programm ermittelten und tatsächlich aufgetretenen<br />
Folgen erreicht.<br />
Hinsichtlich der Personenschäden zeigt die Gegenüberstellung<br />
der Analyseergebnisse mit den tatsächlichen Verletzungen<br />
eine gute Übereinstimmung. Damit sind die Grundlagen<br />
geschaffen, zu erwartende Gefährdungen und Schäden voraussagen<br />
zu können und damit den Entscheidungsträgern<br />
fundierte Unterstützung zu bieten. Die Zuverlässigkeit dieser<br />
Werkzeuge ist Voraussetzung für die wirksame Vorbereitung<br />
von Entscheidungen.<br />
Die ESQRA-GE kann sowohl für nationale als auch internationale<br />
Bedrohungssituationen im militärischen und zivilen<br />
Bereich eingesetzt werden. Die Analysen ermöglichen es, zu<br />
erwartende Schäden quantitativ zu prognostizieren, Schwachstellen<br />
in bestehenden Schutzkonzepten zu identifizieren und<br />
die Auswirkungen von Verbesserungen quantitativ zu erfassen.<br />
Abb. 1: Szenariodarstellung des VBIED Anschlages auf das Hotel und<br />
Freifelddruckausbreitung; der rote Zylinder markiert die VBIED, die grünen<br />
Zylinder Personengruppen und die blauen Quader Fahrzeuge<br />
Abb. 2: Gefährdung durch Fragmente infolge des VBIED Anschlages<br />
im Umkreis des Hotels<br />
Abb. 3: Berechnung der Schäden an Fahrzeugen in der direkten Umgebung<br />
des VBIED Anschlages auf das Hotel