Editorial 07_08 - Zm-online
Editorial 07_08 - Zm-online
Editorial 07_08 - Zm-online
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
59<br />
Foto: CC<br />
... Es kommt auf das gesunde<br />
Gleichgewicht an.<br />
Fall von Ghost Management beim Pharmaunternehmen<br />
Pfizer beschäftigt. Ihre<br />
Studie erschien im „British Journal of Psychiatry“<br />
(Bd. 183, S. 22).<br />
Pfizer hatte diesen Angaben zufolge eine<br />
Kommunikationsagentur beauftragt, um<br />
sein gegen Depressionen wirkendes Medikament<br />
Sertralin zu vermarkten. Im Zuge<br />
eines Gerichtsverfahrens sei nun ein Dokument<br />
bekannt geworden, in dem diese<br />
Agentur 85 eigene wissenschaftliche Manuskripte<br />
über das Medikament auflistete.<br />
Professionelle Ghostwriter<br />
Zumindest ein Teil dieser Manuskripte sei<br />
von professionellen Ghostwritern verfasst<br />
worden, die meisten davon seien in renommierten<br />
Fachzeitschriften erschienen,<br />
schreibt Sismondo. Seiner eigenen Literatursuche<br />
zufolge haben die von Pfizer gesteuerten<br />
Veröffentlichungen einen Anteil<br />
von 18 bis 40 Prozent an der gesamten Literatur<br />
zu dem Medikament ausgemacht.<br />
Das sei ein beträchtlicher Einfluss auf die<br />
Fachwelt. Einer Analyse der Mediziner<br />
Healy und Cattell zufolge seien die Veröffentlichungen<br />
durchweg positiv gewesen,<br />
Nebenwirkungen zum Teil verschwiegen<br />
worden.<br />
Zu diesem Vorwurf erklärte der Sprecher<br />
der Pfizer Pharma GmbH in Karlsruhe, Martin<br />
Fensch, dass Pfizer kein Ghost Management<br />
von Artikeln erlaube. „Wir können<br />
zwar bestätigen, dass das Unternehmen Publikationen<br />
der Ergebnisse unserer Studien<br />
finanziell unterstützt (eine Anforderung im<br />
Zusammenhang mit klinischen Studien),<br />
doch lassen wir die Beteiligung von Marketing<br />
oder Sales an den Publikationsgremien,<br />
die von medizinischen und wissenschaftlichen<br />
Mitarbeitern von Pfizer geleitet werden,<br />
nicht zu.“<br />
Der Wirkstoff Sertralin habe in der Vergangenheit<br />
seine Wirksamkeit und seinen Nutzen<br />
für Patienten mit ernsten Erkrankungen<br />
unter Beweis gestellt. „Alle Daten aus klinischen<br />
Studien zu Sertralin sind von den entsprechenden<br />
Aufsichtsbehörden geprüft<br />
worden. Pfizer hat sehr hohe medizinische<br />
und wissenschaftliche Standards. Den Vorwurf,<br />
diese verletzt zu haben, weisen wir<br />
zurück“, erklärte Fensch zudem.<br />
Versuch der<br />
Ärzte-Beeinflussung<br />
Sismondo hingegen ist überzeugt, dass solche<br />
Maßnahmen gängige Praxis seien und<br />
die verschreibenden Ärzte – und damit<br />
letztlich auch die Patienten – maßgeblich<br />
beeinflussen. Um dies zu beenden, müssten<br />
die wissenschaftlichen Fachzeitschriften<br />
von den Autoren verlangen, ihren Anteil an<br />
veröffentlichten Untersuchungen deutlich<br />
zu machen. Zusammenarbeit mit Kommunikationsagenturen<br />
sollten die Fachjournale<br />
grundsätzlich meiden. Universitäten sollten<br />
Verträge mit Sponsoren verbieten, durch<br />
die diese direkten Einfluss auf Manuskripte<br />
oder die Veröffentlichung von Daten nehmen<br />
könnten. Gegen Ghostwriter sollte<br />
ebenfalls disziplinarisch vorgegangen werden.<br />
In diesem Zusammenhang hilft ein Blick auf<br />
das International Committee of Medical<br />
Journal Editors (ICMJE). Darin haben sich<br />
die Herausgeber mehrerer hochrangiger<br />
Journale zusammengeschlossen, um gemeinsame<br />
Standards für die Publikation<br />
von Studien festzulegen. Eine ihrer Vorschriften:<br />
Als Autoren sollten jene Forscher<br />
genannt werden, die substanzielle Beiträge<br />
zu der Studie geleistet haben.<br />
Maßgebliche Autoren der<br />
Unternehmen verschwiegen<br />
Dieses Ansinnen findet aber nicht immer<br />
Anklang: Von Pharmafirmen finanzierte<br />
Studien werden dänischen Forschern zufolge<br />
häufig von Mitarbeitern erstellt, die in<br />
den Publikationen gar nicht erwähnt werden.<br />
Bei etwa drei Viertel der Arbeiten würden<br />
maßgeblich beteiligte Autoren der Unternehmen<br />
verschwiegen, schreibt eine<br />
Gruppe um Peter Gøtzsche vom Nordic<br />
Cochrane Centre in Kopenhagen, ebenfalls<br />
im Journal „PLoS Medicine“. Die Firmenmitarbeiter<br />
werden nach Ansicht der<br />
Gruppe wahrscheinlich verschwiegen, um<br />
die Glaubwürdigkeit der Studien zu erhöhen.<br />
Die Cochrane Collaboration ist ein<br />
internationales Netzwerk von Wissenschaftlern<br />
und Ärzten, die systematische Übersichtsarbeiten<br />
zur Bewertung von Therapien<br />
erstellen. Ihr Ziel ist es, ein objektives<br />
Bild einer Behandlung zu schaffen.<br />
Die Gruppe um Gøtzsche hatte 44 Anträge<br />
von Pharmafirmen bei den Ethikkommissionen<br />
in Kopenhagen und Frederiksberg mit<br />
den entsprechenden Publikationen in<br />
medizinischen Fachjournalen verglichen.<br />
43 der Studien waren von internationalen<br />
Konzernen, eine von einem regionalen<br />
Unternehmen initiiert worden.<br />
Als „Ghostwriter“ wurden Mitarbeiter<br />
angesehen, die das Versuchsprotokoll<br />
geschrieben, die statistische Analyse vorgenommen<br />
oder das Manuskript zur Veröffentlichung<br />
geschrieben hatten, in der<br />
Publikation aber nicht namentlich erwähnt<br />
wurden. In 33 der Untersuchungen wurden<br />
solche „verschwiegenen“ Mitarbeiter<br />
identifiziert. Meist handelte es sich dabei<br />
um Statistiker. Die tatsächliche Zahl liege<br />
wahrscheinlich noch viel höher, da nur<br />
begrenzte Informationen zu den Studien<br />
vorgelegen hätten, schreiben die Wissenschaftler.<br />
Anja Garms,<br />
Thilo Resenhoeft<br />
Wissenschaftsdienst dpa<br />
zm 98, Nr. 7, 1. 4. 20<strong>08</strong>, (947)