03.02.2014 Aufrufe

Editorial 07_08 - Zm-online

Editorial 07_08 - Zm-online

Editorial 07_08 - Zm-online

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

4 Leitartikel<br />

„...es führt kein anderer Weg nach Küssnacht.<br />

Hier vollend ich’s. Die Gelegenheit ist<br />

günstig.“<br />

(Friedrich Schiller, Wilhelm Tell, 4. Aufzug,<br />

3. Szene, Verse 2562 und 2563)<br />

Liebe Kollegen und Kolleginnen,<br />

Eigentlich schien der Zug schon wieder abgefahren.<br />

Das Bundessozialgericht hatte<br />

erst am 6. Februar dieses Jahres die 68er-Regelung,<br />

also die Altersgrenze von 68 Jahren<br />

für Vertragsärzte und -zahnärzte, verteidigt<br />

und somit das daraus resultierende „Berufsverbot“<br />

bestätigt.<br />

Bekanntlich hatte das Bundesverfassungsgericht<br />

diese Regelung schon 1998 für verfassungskonform<br />

erklärt. Doch der – nicht<br />

nur juristische – Streit kochte konsequenterund<br />

verständlicherweise immer wieder<br />

hoch. Die Körperschaften, Standesorganisationen<br />

und Initiativen aus der Zahnärzteschaft,<br />

zum Beispiel die „Zukunftspraxis 50<br />

Plus e.V.“, ließen nicht locker, die Schlussfolgerungen<br />

aus dem Gleichbehandlungsgesetz<br />

(AGG) und auch der Europäische<br />

Gerichtshof lieferten zusätzlich Munition.<br />

Offensichtlich bekommen nun die Politik<br />

und damit der Gesetzgeber doch kalte<br />

Füße. Das bisherige juristische Konstrukt ist<br />

fragil und damit – im wahrsten Sinn – immer<br />

weniger haltbar.<br />

Die Altersgrenze wurde 1993 mit Wirkung<br />

zum 1. 1. 1999 eingeführt, um dem ärztlichen<br />

Nachwuchs trotz Zulassungssperren<br />

ausreichende Berufsaussichten in der ambulanten<br />

Versorgung zu eröffnen.<br />

Küssnacht in Berlin<br />

Fotos: Heller/KZBV<br />

Spätestens mit Wegfall der Bedarfszulassung,<br />

also der umfassenden Aufhebung der<br />

Zulassungssperre in unserem Bereich, entfällt<br />

die politische wie juristische Rechtfertigung<br />

für die weitere Geltung der Altersbeschränkung.<br />

Hinzu kommt, dass mit der<br />

Neuregelung des Vertragsarztrechtsänderungsgesetzes<br />

in unterversorgten Gebieten<br />

unter bestimmten Voraussetzungen über<br />

das 68. Lebensjahr hinaus weiter gearbeitet<br />

werden kann. Ein Zahnarzt darf ja auch<br />

über das 68. Lebensjahr die Vertretung in<br />

anderen Praxen übernehmen, urteilte mittlerweile<br />

das BSG. Und widerspricht mit dieser<br />

Entscheidung den (ohnehin grotesken)<br />

„Schutzthesen“ des Bundesverfassungsgerichts<br />

diametral. Damals hatte das höchste<br />

deutsche Gericht Gefahren für die Volksgesundheit<br />

und damit das Gemeinwohl<br />

gesehen, die von älteren, nicht mehr voll<br />

leistungsfähigen Kolleginnen und Kollegen<br />

ausgehen (können) – allerdings nur bezogen<br />

auf GKV-Patienten. Privatversicherten<br />

sei ein womöglich tapsiger Tremor hingegen<br />

zumutbar – und damit von einem „Berufsverbot“<br />

keine Rede.<br />

Nun ist es ein geübter Berliner Gesetzgebungsusus,<br />

Änderungsgesetze quasi per<br />

Huckepack an andere Gesetzgebungsverfahren<br />

zu binden. Und so ergriff dankenswerterweise<br />

der CDU-Abgeordnete und<br />

Zahnarzt Dr. Rolf Koschorrek die Initiative<br />

im Rahmen eines Bundesrats-Entwurfs zum<br />

„Gesetz zur Änderung des Masseur- und<br />

Physiotherapeutengesetzes und anderer<br />

Gesetze zur Regelung von Gesundheitsfachberufen“<br />

und brachte das Thema erneut<br />

auf den Tisch beziehungsweise in eine<br />

Anhörung des zuständigen Bundestagsausschusses.<br />

Durch diese hohle Gasse musste es kommen!<br />

Der Präsident der BZÄK, Dr. Dr. Weitkamp,<br />

und ich hatten ausreichend Gelegenheit<br />

bei der Anhörung, die Konsequenzen<br />

für den Berufsstand – und ich für die<br />

KZBV besonders die Folgen für die vertragszahnärztliche<br />

Versorgung – darzustellen.<br />

Expertenunterstützung erhielten wir von<br />

Prof. Helge Sodan, Berlin, der eine schriftliche<br />

Stellungnahme von Prof. Winfried<br />

Boecken, Konstanz, mündlich vertrat, die<br />

an Eindeutigkeit nicht zu toppen war. Darin<br />

steht zusammengefasst:: „Die ... gesetzlich<br />

geregelte Höchstaltersgrenze von 68 Jahren<br />

... kann jedenfalls heute sowohl nach nationalem<br />

Recht wie auch unter Berücksichtigung<br />

des Gemeinschaftsrechts nicht mehr<br />

aufrecht gehalten werden. Verfassungsrechtlich<br />

ist die Höchstaltersgrenze nicht<br />

mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar. Gemeinschaftsrechtlich<br />

verstößt die gesetzliche<br />

Regelung ... gegen das ... niedergelegte<br />

Verbot der Altersdiskriminierung.“<br />

In der Begründung des Bundesrates für die<br />

Änderung des Masseur- und Physiotherapeutengesetzes<br />

heißt es unter anderem:<br />

„Eine streng am Lebensalter ausgerichtete<br />

Grenze bietet ... keine Gewähr, dass die<br />

persönliche Reife zur Durchführung der<br />

praktischen Ausbildung vorliegt.“ Und<br />

nach eigenen Worten will der Bundesrat<br />

„mit dieser Initiative erreichen, diese Auffassung<br />

auch in weiteren Gesetzen zu berücksichtigen,<br />

die noch eine Altersvorgabe enthalten.“<br />

Also halten wir es mit Schiller: „Packen wir<br />

es an – Die Gelegenheit ist günstig!“<br />

Mit freundlichen kollegialen Grüßen<br />

Dr. Jürgen Fedderwitz,<br />

Vorsitzender der KZBV<br />

zm 98, Nr. 7, 1. 4. 20<strong>08</strong>, (892)

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!