Themenheft als PDF zum Download - Landentwicklung - Steiermark
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Nachhaltige Perspektiven<br />
Interview mit Prof. Dr. Dr. Klaus Töpfer<br />
| 6 |<br />
Die Zukunft Europas<br />
Nachhaltigkeitssymposium<br />
im Unternehmen Saubermacher<br />
Der ehemalige Umweltminister<br />
Deutschlands und der zeitige<br />
Vorsitzende der Ethikkommission<br />
für eine sichere Energieversorgung,<br />
Prof. Dr. Dr. Klaus Töpfer,<br />
zeigte nachhaltige Wege für<br />
die Zukunft auf. Es stellt sich die<br />
Frage, in welche Welt wir<br />
hineingehen und wie die künftigen<br />
Generationen agieren werden.<br />
Die Ressourcen effizienz ist<br />
ein Kernthema, denn gerade in<br />
Zeiten der Rohstoffknappheit ist<br />
es notwendig, mehr Verantwortung<br />
zu übernehmen.<br />
Herr Prof. Töpfer, Sie sprechen von einer<br />
räumlichen Veränderung in Europa<br />
und vom so genannten Mezzogiorno-<br />
Effekt, der Wanderungsbewegung vom<br />
Süden in den Norden – die Menschen<br />
gehen dorthin, wo Wohlstand herrscht.<br />
Dadurch wäre die Stabilität in Frage gestellt.<br />
Im Jahr 2050 liegt der europäische<br />
Anteil an der Weltbevölkerung bei<br />
5 Prozent. Wie können wir die Spannungsfelder<br />
im Vorfeld ausräumen und<br />
wie können wir uns eine Zukunft in Europa<br />
vorstellen? Lässt sich das Glück in<br />
Zahlen messen?<br />
Das Glück des Menschen und der menschlichen<br />
Gesellschaft kann man sicherlich<br />
nicht nur in Zahlen messen. Es ist eine der<br />
Ursachen der vielfältigen Krisen, denen<br />
sich die Welt gegenwärtig gegenübersieht,<br />
dass wir nur das <strong>als</strong> bedeutsam erachten,<br />
was in Zahlen zu messen ist. Es<br />
zeigt sich immer deutlicher, dass die Menschen<br />
das Glück nicht nur am Bruttosozialprodukt<br />
und am eigenen Bankkonto<br />
messen. Die kulturelle Vielfalt Europas, die<br />
regionalen Identitäten und die Vielfalt der<br />
Natur – sie sind im Bruttosozialprodukt<br />
nicht erfasst und sind doch entscheidende<br />
Pfeiler europäischer Gemeinsamkeiten in<br />
der Vielfalt. Diese zu nutzen vermeidet den<br />
Mezzogiorno-Effekt .<br />
Die Kurzfristigkeit steht der Nachhaltigkeit<br />
im Weg. Wir werfen viel zu viel<br />
Thema Thema 1/2012: <strong>Steiermark</strong><br />
wissenswert<br />
Nutzenergie weg – dem entgegen sollten<br />
wir in der Abfallvermeidung ansetzen<br />
und die Kreisläufe hinsichtlich der<br />
Wertschöpfung schließen.<br />
Was verstehen Sie im Konkreten unter<br />
Ressourceneffizienz und wie weit kann<br />
sich Europa in der Frage der Energieautarkie<br />
und der Entwicklung von<br />
Technologien („Growing Green“) von<br />
anderen abheben?<br />
Das Gemeinsame aller aktuellen Krisen: Sie<br />
sind ein Offenbarungseid des Diktats der<br />
Kurzfristigkeit, dem wir uns unterworfen<br />
haben. In allen Bereichen verschulden wir<br />
uns auf Kosten der Zukunft – bei den<br />
Staatsschulden ebenso wie bei der Übernutzung<br />
der Natur. Nachhaltigkeit erfordert<br />
gebieterisch die Betrachtung der mittel-<br />
und langfristigen Konsequenzen heutigen<br />
Handelns. Die Natur ist ein ständiger<br />
Beleg für geschlossene Kreisläufe. Die Natur<br />
kennt keine Abfälle. Ressourceneffizienz<br />
bedeutet stets, Kreisläufe zu schließen<br />
und damit Ressourcen und Energie verantwortlich<br />
zu nutzen.<br />
Rio +20: Global betrachtet hat sich die<br />
Stimmung seit 1992 dramatisch verändert<br />
– Europa hat an Relevanz verloren.<br />
Sie sagen auch, dass die Lobby für die<br />
Zur Person<br />
Prof. Dr. Dr. Klaus Töpfer, Diplom-Volkswirt<br />
und Lehrbeauftragter (1971–1978) an<br />
der Hochschule für Verwaltungswissenschaften<br />
(Speyer), Professor und Direktor<br />
(1978–1979) des Instituts für Raumforschung<br />
und Landesplanung (Hannover),<br />
Honorar professor (1985–1986) an der<br />
Johannes- gutenberg-Universität Mainz.<br />
1985: Minister für Umwelt und Gesundheit<br />
(Rheinland-Pfalz)<br />
1987: Bundesminister für Umwelt, Naturschutz<br />
und Reaktorsicherheit<br />
1994: Bundesminister für Raumordnung,<br />
Bauwesen und Städtebau<br />
1998: Exekutivdirektor des Umweltprogramms<br />
der Vereinten Nationen (UNEP)<br />
2001–2010: Stv. Vorsitzender im Rat für<br />
Nachhaltige Entwicklung<br />
Seit 2009: Gf. Direktor Institute für Advanced<br />
Sustainability Studies (Potsdam)<br />
Seit 2011: Vorsitzender der Ethikkommission<br />
für eine sichere Energieversorgung<br />
der Bundesregierung.<br />
Klaus Töpfer ist zudem Schirmherr des<br />
deutsch-russischen Rohstoff-Forums.<br />
Zukunft schwächer <strong>als</strong> die der Gegenwart<br />
ist. Welche Prioritäten sind sowohl<br />
für den Norden <strong>als</strong> auch für den Süden<br />
zu setzen?<br />
Die Zukunft wird eine Welt mit über 9 Milliarden<br />
Menschen sein – bereits im Jahre<br />
2050. Mein jüngstes Enkelkind ist dann 38<br />
Jahre alt! Die Verpflichtung dieser unserer<br />
Gesellschaft ist es, nichts zu tun, was ein<br />
friedliches Zusammenleben dieser Menschen<br />
in der Zukunft gefährdet. Das erfordert<br />
Gerechtigkeit im Zugang zu den Leistungen<br />
der Natur und einen verantwortlichen<br />
Umgang mit den immer tieferen<br />
Einblicken in die Bausteine von Natur und<br />
Umwelt, die uns die Wissenschaft ermöglicht.<br />
Jede Gemeinde/jede Region soll mit<br />
ihren BürgerInnen in einen Dialog eintreten<br />
und nachhaltige Leitbilder entwickeln<br />
und umsetzen – das wurde<br />
eben beim UN-Erdgipfel in Rio im Jahr<br />
1992 von 180 Staaten beschlossen.<br />
Wie sehen Sie die BürgerInnenbeteiligung<br />
heute? Gibt es in Anbetracht der<br />
Kurzfristigkeit noch Raum für die<br />
Demokratie?<br />
Das bereits genannte Diktat der Kurzfristigkeit<br />
führt immer zu Alternativlosigkeit.<br />
Fehlende Alternativen stellen eine parlamentarische<br />
Demokratie in Frage. Die<br />
Energiewende in Deutschland ist nur dadurch<br />
denkbar geworden, dass in der Vergangenheit<br />
Alternativen zur Kernenergie<br />
und zu fossilen Energieträgern entwickelt<br />
wurden. Wind- und Sonnenenergie sind<br />
dezentral zu erntende Energien, ermöglichen<br />
Beteiligung vieler Menschen, sind somit<br />
auch ein wichtiger Beitrag zu einer lebendigen<br />
demokratischen Gesellschaft.<br />
Der Raum für den Bürger in der Entwicklung<br />
von Wissenschaft und in der Umsetzung<br />
ihrer Ergebnisse muss nicht nur erhalten,<br />
sondern wieder erweitert werden.<br />
Noch eine Frage <strong>zum</strong> Abschluss:<br />
Worauf würden Sie persönlich niem<strong>als</strong><br />
verzichten?<br />
Verzichten möchte ich nie auf die Möglichkeiten<br />
und Verpflichtungen dort, wo andere<br />
von Sachzwängen sprechen, Alternativen<br />
für politische Entscheidungen zu<br />
entwickeln.