PDF 44.747kB - TOBIAS-lib - Universität Tübingen
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Formen und Funktionen der Kleinfunde 41<br />
und eine Breite von etwa 5 cm auf. Für die meist unbearbeiteten Artefakte wurde lokal anstehender<br />
Sandstein verwendet. Aufgrund der unspezifischen Form und des Fehlens von<br />
Gebrauchsspuren lassen sie keine nähere Klassifikation und Funktionsbestimmung zu. Es ist<br />
allerdings davon auszugehen, dass sie für den Bau der Häuser, insbesondere der Einbauten<br />
sowie vereinzelt sekundär zu Mörserzwecken Verwendung fanden.<br />
Den Bauwerkzeugen wurde eine weitere Artefaktgruppe zugeordnet – die Klopfsteine. Sie<br />
lagen unbearbeitet aus vulkanischem Gestein (Basalt/Andesit) und Kalk- oder Sandstein vor,<br />
sind annähernd rund bis eiförmig und etwa 8 cm groß. Die Funktion der Geräte war sicherlich<br />
sehr vielschichtig, so dass die Zuordnung zu den Bauwerkzeugen nur eine der möglichen Optionen<br />
ist. Sie können zum Hausbau, zur Nahrungszubereitung und zu weiteren handwerklichen<br />
Arbeiten verwendet worden sein. Beispielhaft sei das rundliche Artefakt aus Basalt in<br />
Abb. 3.8 genannt [682], welches mehrere bearbeitete Flächen aufweist und eine Art Multifunktionswerkzeug<br />
darstellen könnte (Schlag- bzw. Klopfstein oder Reibestein; für letzteres<br />
spricht eine besonders stark abgeflachte Seite).<br />
A. Becker bezeichnet ähnliche Objekte aus dem mesopotamischen Uruk als Schleuderbzw.<br />
Wurfgeschosse (Becker 1993, Taf. 34). Für Udabno kann diese Deutung aufgrund der<br />
Fundsituation zusammen mit zahlreichen weiteren Werkzeugen innerhalb der Häuser allerdings<br />
eher nicht in Betracht gezogen werden. Der Fundkontext spricht ebenfalls gegen eine<br />
Nutzung der Klopfsteine bei der Zerkleinerung von Erz, wie es an anderen Stellen in Ostgeorgien<br />
vereinzelt (so zum Beispiel in der eisenzeitlichen Metallwerkstatt Kwemo Kedi;<br />
Pizchelauri & Pizchelauri 2002, 108; Pizchelauri & Mamaiashwili 2004, 154 Abb. 9) 27 und in<br />
Ostanatolien häufig (Wagner et al. 1992, 652 Abb. 14) üblich war.<br />
Kleinwerkzeuge<br />
Insgesamt konnten 53 Artefakte aus Silex oder Obsidian dokumentiert werden, die ihrer<br />
Form nach als Klingen oder Sicheleinsätze angesprochen werden können (Taf. 18–19).<br />
Es handelt sich um 2–8 cm lange Klingen, die im Querschnitt in der Regel leicht trapezoid,<br />
seltener dreieckig geformt sind (Abb. 3.9–11). 28 Einige Kanten weisen deutlich erkennbaren<br />
Sichelglanz auf; das heißt, der Kontakt mit Pflanzen muss vorhanden gewesen sein. Möglicherweise<br />
wurden auch mehrere Klingen zu so genannten Kompositsicheln zusammengesetzt.<br />
Somit ließ sich zum Beispiel Leder leichter bearbeiten oder die Ernte besser eintragen.<br />
Gegen die Verwendung als Kompositsicheln spricht allerdings das Fehlen von gruppierten<br />
Funden. Überwiegend wurden sie einzeln aus den Füllschichten der Häuser geborgen. 29 In<br />
diesem Zusammenhang ergibt sich ein weiterer Aspekt im Hinblick auf die Nutzung bei der<br />
Herstellung von Textilien. Die Abstände der einzelnen Zähne der Klingen zueinander sind<br />
häufig nahezu identisch, zusätzlich wurden die scharfkantigen Innenbereiche abgerundet.<br />
Aufgrund einer im Verlauf dieser Arbeit nachgewiesenen Textilherstellung in Udabno,<br />
scheint auch eine Verwendung der Klingen als Hilfswerkzeuge der Webtechnik vorstellbar. 30<br />
Auffällig sind Diskrepanzen beim Vergleich der Fundmenge der Siedlungen: Udabno I =<br />
48 Funde, Udabno II = 4 Funde; Udabno III = 1 Fund. Dieser Umstand ergibt sich nicht nur<br />
aus der unterschiedlichen Grabungsintensität. Wie bereits bei der Betrachtung der Tochis erwähnt,<br />
befanden sich die Siedlungen von Udabno II und III noch im Aufbau, so dass Sichel-<br />
27 Der Fundplatz Kwemo Kedi lässt viele Fragen insbesondere seiner zeitlichen Einordnung offen. Die Keramik<br />
deutet an, dass die Werkstatt allerdings auch erst im 8. Jh. v. Chr. betrieben wurde sein könnte (vgl. Ludwig<br />
2010, 24–26).<br />
28 In der Literatur gibt es zahlreiche typologische Verweise aus dem Vorderen Orient, wo sie als „kanaanäische“<br />
Klingen bezeichnet werden (vgl. Meyer & Pruß 1994, 209).<br />
29 Jeder Fund wurde hinsichtlich seiner Stratigraphie einzeln bewertet.<br />
30 Untersuchungen und experimentelle Versuche zeigten, dass sich die Klingen sehr gut zum Anschlagen des<br />
Schusses, zum Beispiel beim so genannten Brettchenweben, eignen.