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PDF 44.747kB - TOBIAS-lib - Universität Tübingen

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Formen und Funktionen der Kleinfunde 49<br />

Abb. 92; Makkay 1984; Sevin 1985, 94; Schmidt 2002 Abb. 41). Ältere Vermutungen, es<br />

könne sich um ein ausschließlich pontisches Phänomen aus dem Bereich des Seehandels<br />

handeln, wurden bereits durch mehrere Funde aus dem iranischen und levantinischen Raum<br />

widerlegt (Rashad 1990, 34–36; 48). 46<br />

Hinsichtlich der Motive und der Form sind Bezüge zwischen den älteren anatolischen- und<br />

jüngeren kaukasischen Stempeln unübersehbar, so dass Schmidt eine choro- und chronologische<br />

Fortentwicklung der Bildmotive vermutet (Schmidt 2002, 105). 47<br />

Zur tatsächlichen Funktion der Stempel finden sich in der Literatur verschiedene Überlegungen,<br />

Ansichten und Anregungen. Vergleichbare Stempel aus dem Kebangebiet in Ostanatolien<br />

geben keine direkten Hinweise auf ihre Verwendung, so dass sich der Ausgräber I.<br />

K. Kökten an der heutigen Verwendung in der Region zur Kennzeichnung von Getreidehaufen<br />

orientierte (Kökten 1947, 237–239). U. Esin nimmt diese Hypothese auf und vermutet<br />

einen symbolischen „[…] Schutz vor unbefugter Entnahme von einem Getreidehaufen“ (Esin,<br />

in: v. Wickede 1990, 56). Auch H. Z. Koay bezeichnet die Stempel als çeç mühürü<br />

(Getreidestempel) und vergleicht sie mit noch heute in Ostanatolien verwendeten Holzstempeln,<br />

die eine religiöse Funktion besitzen (Koay 1977, 16). 48 S. Alp verweist bei der Betrachtung<br />

von Stempeln aus Karahöyük (Konya) in Zentralanatolien auf deren Verwendung<br />

zur Dekorierung von Herdstellen oder großen Keramikgefäßen (Alp 1968, 138 Taf. 23). Die<br />

Bestempelung von Keramik ist als „anatolischer Brauch“ überliefert, wie auch die Signierung<br />

von Urkunden aus dem mittelbronzezeitlichen Kans (Kültepe) auf assyrischen Tontafeln (P.<br />

Miglus, pers. Mitt.). Einzelmotive auf Keramikscherben aus Tarsus (Goldman 1940, Abb. 29)<br />

und Alıar Höyük (v. d. Osten 1937, Abb. 30) verweisen ebenfalls darauf. Die häufig dargelegte<br />

und meines Erachtens überwiegend übernommene Idee der Funktion als Brotstempel<br />

stammt ursprünglich von F. von Luschan, der erstmals eine Verbindung zum Bäckerhandwerk<br />

herstellt und die Stempel dementsprechend auch als „Bäckerstempel“ bezeichnet (v. Luschan<br />

1943, 60). Aus der Herstellung der Stempel aus Ton und dem Fehlen eindeutig zuordenbarer<br />

Motive auf anderen Funden entwickelte er die Hypothese, dass nur leicht verformbare Materialien<br />

wie Brotteig einen deutlichen Abdruck des tief eingeschnittenen Reliefs zeigen würden.<br />

Doch schlägt er dies selbst nur als eine mögliche Funktion vor und kann „[…] über die<br />

Bestimmung dieser Stempel [….] nichts Bestimmtes sagen“ (v. Luschan 1943, 61).<br />

Eine eindeutige Funktionsbestimmung der Tonstempel von Udabno ist somit schwer möglich.<br />

Der Nutzung als „Siegel“, zum Beispiel zur Beglaubigung eines Dokumentes, widerspricht<br />

erstens die fehlende Aufhängung, die zum Tragen eines Siegels unerlässlich ist, zweitens,<br />

das Fehlen jeglicher Abdrücke, drittens, die ausschließliche Verwendung des Materials<br />

Ton und die allgemeine Eindrucktiefe des Motivs, viertens, das Gewicht und die fehlende<br />

Handlichkeit der Stempel (z. B. [291]), und fünftens der Fundkontext: Die Stempel wurden<br />

überwiegend in unmittelbarer Nähe der Öfen in den Häusern gefunden. Weiterhin kann eine<br />

Nutzung zur Textilverzierung (Krupnov 1962, 203; Lichter 2007, 370) ausgeschlossen werden,<br />

da trotz nachgewiesener Farbherstellung in Udabno I und III kaum Farbe auf den schmalen<br />

Rippen aufgenommen werden konnte. 49 Auch die Relieftiefe ließe sich so nicht erklären.<br />

Eine weitere Annahme bezüglich einer Nutzung als Brandstempel zur Besitzanzeige von Vieh<br />

ist aufgrund der schwachen Wärmeleitfähigkeit von Keramik ebenfalls abzulehnen. 50<br />

46 In diesem Zusammenhang muss auf die notwendige Trennung zwischen den Begriffen Stempel und Siegel<br />

hingewiesen werden, für die bisher keine Hinweise eines Zusammenhanges vorliegen (v. Wickede 1990, 5).<br />

47 Bis heute sind noch keine Funde von Stempeln aus Kura-Arax-Schichten mit zeitlicher Äquivalenz zur anatolischen<br />

Frühbronzezeit aus dem Kaukasusgebiet bekannt.<br />

48 Die Holzstempel werden heutzutage auf einen Getreidehaufen gelegt und orientieren sich in Richtung Mekka,<br />

um „[…] Segen und Fruchtbarkeit“ zu erlangen (vgl. Koay 1977, 16).<br />

49 Mikroskopische Untersuchungen der Stempelrippen ergaben keinen Nachweis von Pigmentrückständen.<br />

50 N. Marinatos sieht Parallelen zu ähnlichen Stempeln aus Griechenland, bei denen die Form des Stempels die<br />

Identität des Besitzers und die jeweiligen Zeichen die Art der „Transaktion“ anzeigen könnten (mdl. Nach-

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