PDF Öffnen - Biokreis
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n_2_13.qxp 25.03.2013 11:38 Seite 32<br />
Titel<br />
Finanzierung im Ökolandbau<br />
„Das Schöne ist die Individualtität“<br />
Wie die Genussscheingemeinschaft Hofhuhn in Farrach funktioniert<br />
Gelungenes Projekt: Der neue Stall für 600 Legehennen auf dem Löfflerhof in Farrach. Finanziert wurde er von den Bürgern und Kunden.<br />
Bilder: Gottwald<br />
Prof. Dr. Theo Gottwald, Honorarprofessor<br />
für Agrar- und<br />
Ernährungsethik an der Landwirtschaftlich<br />
Gärtnerischen Fakultät<br />
der Humboldt Universität Berlin<br />
und Vorstand der Schweisfurth<br />
Stiftung, hat Erfahrung mit alternativen<br />
Finanzierungsmöglichkeiten:<br />
Er begleitete unter anderem die<br />
Gründung der Perger Genossenschaft<br />
und den Aufbau der Genussgemeinschaft<br />
Hofhuhn für den Löfflerhof<br />
in Farchach (Landkreis Rosenheim).<br />
Im Interview erzählt er,<br />
wie es zu der Genussscheingemeinschaft<br />
kam.<br />
Herr Prof. Dr. Gottwald, was war die<br />
Ausgangslage des Betriebs?<br />
Der Löfflerhof in Farrach (Landkreis<br />
Rosenheim) ist ein Demeter-Betrieb.<br />
Die Milchwirtschaft ist ein festes<br />
Standbein. Die Milch von 24 Kühen<br />
wird an die Molkerei Scheitz geliefert<br />
und dort weiterverarbeitet. Der Familie<br />
Friedinger, die diesen Hof bewirtschaftet,<br />
ist aber angesichts der zu erwartenden<br />
Veränderungen im Milchmarkt<br />
(keine Quoten mehr z.B.) zunehmend<br />
deutlich geworden, dass es ein weiteres<br />
Standbein gewerblicher Art braucht. Da<br />
Elke Friedinger immer schon eine kleine<br />
Hühnerschar betreut hat und ihre<br />
Demeter-Eier von einigen Hofkunden<br />
wegen ihrer hohen Geschmacks- und<br />
Genussqualität gelobt wurden, kamen<br />
wir auf die Idee, einen Stall für 600<br />
Legehennen zu bauen. Dazu brauchte<br />
es aber natürlich nicht nur das<br />
Wohlwollen von Nachbarn und Gemeinde,<br />
sondern auch das Geld.<br />
Wie haben Sie das Geld<br />
zusammenbekommen?<br />
Inspiriert von dem Projekt „Städter und<br />
Bauern“, das das Slow Food Convivium<br />
München in die Wege geleitet hat,<br />
haben meine Frau Andrea Klepsch und<br />
ich, die gemeinsam die Stiftung für<br />
Kooperation und kollektive Entwicklung<br />
führen, dieses Projekt als Entwicklungsprojekt<br />
identifiziert und mit<br />
den Kollegen des Conviviums Slow<br />
Food München ein Genussschein-<br />
Modell entwickelt, das sehr schnell<br />
„Bürgergeld für Bauernhand“ mobilisieren<br />
konnte. Die maximale Summe<br />
pro Jahr von 100.000 Euro kam zügig<br />
zusammen. Meine Frau hat die kommunikative<br />
Arbeit der Familie Friedinger<br />
unterstützt (Flyer, Hofevents, direkte<br />
Kommunikation mit Genussschein-<br />
Zeichnern), und ich habe mehr bei den<br />
baulichen Fragen begleitet. Es stand<br />
beispielsweise zur Frage, ob wir mit<br />
einem Mobilstall arbeiten oder mit<br />
einem Feststall. Durch die Beratung<br />
von Willi Baumann, den wir hinzugezogen<br />
haben, entstand dann das Modell<br />
für die Planung des jetzt bestehenden<br />
festen Stalls für zwei mal 300 Hennen.<br />
Welche Hürden<br />
mussten Sie nehmen?<br />
Derzeit gibt es eine große Bereitschaft<br />
bei Verbrauchern, ganz im Sinne des<br />
Slow Food-Leitbild zu Koproduzenten<br />
derjenigen landwirtschaftlichen Wirklichkeit<br />
zu werden, die sie als Kunden<br />
gerne möchten. Deshalb ging die Überzeugungsarbeit<br />
leicht. Dennoch<br />
braucht es formal rechtlich stimmige<br />
Verträge und eine genaue Kenntnis der<br />
Rahmenbedingungen, die das Bundesamt<br />
für Finanzen (BAFIN) für alternative<br />
Finanzierungsmöglichkeiten setzt.<br />
Diese mussten in einen Vertrag gegossen<br />
werden, der auch die betriebliche<br />
Realität wirtschaftlich und steuerlich<br />
berücksichtigt. Ferner brauchte es Klärung<br />
mit den Genusscheinzeichnern, in<br />
welcher Form sie ihren „Zins“ bekommen<br />
wollten: ob in Naturalien, also<br />
Eiern, Fleisch des Hofes oder auch<br />
Wurstwaren oder ob in Geld. Eine<br />
gewisse Bürokratie gibt es immer, die<br />
gemeistert werden muss. Dabei haben<br />
uns Rechtsanwalt Ernst Friedrich<br />
Lauppe und Unternehmensberater<br />
Gernot Meyer wunderbar – aber natürlich<br />
kostenpflichtig – begleitet.<br />
Bild: privat<br />
Prof. Dr. Theo Gottwald hat ein Buch über alternative<br />
Finanzierungsmöglichkeien geschrieben.<br />
32 Bionachrichten 2 | April/Mai 2013