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Terror der Zeichen Oder - Hochschule für bildende Künste Hamburg

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Andreas Huyssen<br />

Statzonen <strong>der</strong> Postmodeme<br />

Von Gegen-Kultur zu NeokonseroativismliS<br />

Ist dieser neuerliche Anti-Mo<strong>der</strong>nismus, wie er sich auch ausbreitet<br />

im eklektischen Historismus <strong>der</strong> postmo<strong>der</strong>nen Architektur,<br />

und mehr dreist, lärmend im politischen Diskurs <strong>der</strong> antimo<strong>der</strong>nistischen<br />

Konservativen, ist dieser neuerliche Anti-Mo<strong>der</strong>nismus<br />

<strong>der</strong> einzige Postmo<strong>der</strong>nismus, nach dem wir fragen müssen?<br />

Ist nicht Josef Beuys' soziale Skulptur auch ein postmo<strong>der</strong>nes<br />

Werk? Seit] ahren haben Kritiker aus den verschiedenen Überzeugungsrichtungen<br />

polemisiert gegen den Postmo<strong>der</strong>nismus und sie<br />

haben stärker die Legitimität des Terminus attackiert als daß sie<br />

sich den Kopf zerbrachen über Manöver, durch die man die ideologische<br />

Sache aus <strong>der</strong> Welt brächte. Ich denke, wir sollten, statt<br />

fortzufahren in solchen Beschwörungen, mit V mausblick schließlich<br />

das Konzept einer Postmo<strong>der</strong>ne akzeptieren und einen<br />

wi<strong>der</strong>ständigen kritischen Blick werfen aufjene Künstler und jene<br />

kulturellen Praktiken, fiir die <strong>der</strong> Terminus zu einer alles umfassenden<br />

Phrase geworden ist. Ich dränge darauf, endlich zu differenzieren<br />

zwischen den verschiedenen Trends innerhalb des postmo<strong>der</strong>nen<br />

Projekts, statt fortzufahren damit, daß man den Terminus<br />

gebraucht, um laufende Kunst- und Literatur-Produktion zu deklarieren<br />

als das Neueste vorn Neuesten o<strong>der</strong> das, was unter dem<br />

Terminus auftaucht, zur Gänze zu diskreditieren als Symptom fur<br />

den Nie<strong>der</strong>gangsgrad künstlerischer Kreativität im späten Kapita­<br />

Lismus. Ganz sicher, die postmo<strong>der</strong>ne Sensibilität stellt radikal in<br />

Frage sogar die Möglichkeit, Geschichte zu begreifen, darzustellen.<br />

Obwohl ein solches radikales Infragestellen legitim ist gegenüber<br />

dem offensichtlichen Fetischismus eines großen Teils traditioneller<br />

Historiographie, so ist denn doch verwun<strong>der</strong>lich, wenn man<br />

beobachten kann, wie daraus resultierende Art des Erinnerns oft<br />

genug postmo<strong>der</strong>ne Fordemng aufstellt nach Innovation und<br />

Neuigkeit. Ich setze mich deshalb dafiir ein, daß ein historisches<br />

Begreifen des Konzepts von Postmo<strong>der</strong>ne, so unvollkommen und<br />

bloß anrührend es bleiben mag, uns dennoch erlaubt, die Debatte<br />

herauszuholen aus den erstorbenen Polemiken, welche sich paradigmatisch<br />

kristallisiert haben um die Konstellation Habermas­<br />

Lyotard. Es scheint klar allemal, daß das Verdienst von Habermas'<br />

Angriff auf den Postmo<strong>der</strong>nismus in seinen verschiedenen Erscheinungsarten<br />

und von Lyotards begeisterter Verteidigung des<br />

postmo<strong>der</strong>nen Projekts sich doppelwendig deuten läßt. Mit dieser<br />

Wendbarkeit <strong>der</strong> Diskussion, welche gedmckt wurde und wie<strong>der</strong><br />

gedruckt und entgegen gedmckt unzählige Male, hat sich die Debatte<br />

geographisch ausgedehnt von den Vereinigten Staaten bis<br />

nach West-Europa und vom abgehobenen Raum <strong>der</strong> Architektur,<br />

<strong>der</strong> Literatur und <strong>der</strong> <strong>Künste</strong> bis zur allgemeinen Kultur und zur<br />

Politik all überall hin. Fragen nach mo<strong>der</strong>ner und postmo<strong>der</strong>ner<br />

Kunst sind mittlerweile systematisch verbunden mit dem Versuch,<br />

den Status <strong>der</strong> sozialen und <strong>der</strong> kulturellen Mo<strong>der</strong>nisationsmöglichkeit<br />

in westlichen Gesellschaften heute zu orten. Statt die Differenzen<br />

zwischen Habermas und Lyotard erneut zu verhandeln<br />

und dann Standpunkt zu beziehen, will ich fortfahren mit einigen<br />

allgemeinen Beobachtungen und Vermutungen in <strong>der</strong> Absicht,<br />

mich dann den Verschiebungen und Unterbrechungen in <strong>der</strong> Entwicklung<br />

<strong>der</strong> Postmo<strong>der</strong>nismus-Debatte zu zuwenden, wie sie die<br />

Vereinigten Staaten betrifft.<br />

Auf einer sehr allgemeinen Ebene bin ich überzeugt, daß wir in<br />

<strong>der</strong> Konstellation Mo<strong>der</strong>nismus/Postmo<strong>der</strong>nismus fiir die Kunst<br />

und in <strong>der</strong> Unterscheidung Mo<strong>der</strong>nität/Postmo<strong>der</strong>nität fiir die<br />

Kultur auflange Sicht die am meisten einschneidende und am meisten<br />

verhüllende Debatte über Kultur und Ideologie in den westlichen<br />

Gesellschaften heute vorfinden, vergleichbar an Wichtigkeit<br />

mit, ich vermute, <strong>der</strong> Realismus/Expressionismus-Debatte <strong>der</strong><br />

dreißigerjahre. Wie zu jener Zeit steht mehraufdem Spiel als ein<br />

Stil. Auf dem Spiel stehen fundamentale Fragen <strong>der</strong> <strong>Zeichen</strong>thematik,<br />

linguistisch, ikonographisch und politisch, <strong>der</strong> Sprache und<br />

des Bewußtseins, <strong>der</strong> politischen Identifikationen und <strong>der</strong> Identitäten,<br />

die Dialektik von Rationalität und Irrationalität, <strong>der</strong> Status<br />

des Selbst und des An<strong>der</strong>en, und schließlich das Überleben des<br />

Planeten, wie wir ihn kennen.<br />

Doch die Termini "Mo<strong>der</strong>nismus" und "Postmo<strong>der</strong>nismus"<br />

bleiben gleitend und ausweichend, historisch wie systematisch.<br />

Sie transportieren verschiedene Bedeutungsumfel<strong>der</strong> furdie europäische<br />

und die amerikanische Kritik. Sie sind außerdem verschieden<br />

zu lesen in <strong>der</strong> Literaturkritik, <strong>der</strong> Architekturkritik <strong>der</strong> Kritik<br />

von Malerei, Tanz o<strong>der</strong> Film. Diese Unterschiede, welche zu tun<br />

haben mögen mit den nichtsynchronen Entwicklungen in den<br />

verschiedenen Medien, gehören untersucht. Wir sollten vermeiden,<br />

das Phänomen <strong>der</strong> Postmo<strong>der</strong>ne nur o<strong>der</strong> zunächst zu diskutieren<br />

in den Bestimmungen <strong>der</strong> Architektur, obwohl die Architektur<br />

vielleicht das klarste Pardigma des postmo<strong>der</strong>nen Bruchs<br />

mit dem mo<strong>der</strong>nistischen Erbe anbietet. Vielleicht findet sich da<br />

ein Kern <strong>der</strong> Postmo<strong>der</strong>ne, vielleicht findet sich ein solcher da<br />

nicht. So sehr das geschehen ist, Postmo<strong>der</strong>ne zu bestimmen<br />

durch ihren Gegensatz zur Mo<strong>der</strong>ne, so stark blieb das unbefriedigend.<br />

Ich schlage deshalb vor, auf die Konstmktion einer einheitlichen<br />

und totalisierenden Bestimmung des Postmo<strong>der</strong>nismus zu<br />

verzichten, beson<strong>der</strong>s weil die postmo<strong>der</strong>ne (mo<strong>der</strong>ne?) Vorstellungsweise<br />

zu ihrem besten Teil aufs genaueste das Bewußtsein<br />

von Urspmngs-Quellen und Ursprungs-Keimen in Frage stellt, also<br />

die universalisierende und totalisierende Geste des traditionellen<br />

theoretischen Diskurses.<br />

Diesen Einwandspunkt beiseitestellend fahre ich fort einige<br />

Züge dessen zu beschreiben, was Lyotard mit armausbreiten<strong>der</strong><br />

Phrase die "postmo<strong>der</strong>ne Bedingungs-Situation" nennt. Nach allem<br />

mögen selbst falsche Argumente dem äußerst determinierenden<br />

und determinierten Stil aus Antönenlassen, Entgleitenlassen<br />

und dem Bedeuten von Abgmndtiefen vorzuziehen sein, welcher<br />

Stil ja einschließt, daß alle Argumentation sich beim logozentrischen<br />

Teufel aufhält. Teuflischerweise demnach vermute ich, weiter<br />

argumentativ, daß eine <strong>der</strong> stärksten Differenzen zwischen<br />

Mo<strong>der</strong>nität und Postmo<strong>der</strong>nität abhängt von <strong>der</strong> Verän<strong>der</strong>ung<br />

<strong>der</strong> Beziehung zwischen den westlichen Gesellschaften und <strong>der</strong><br />

Dritten Welt. Das Ausmaß, in dem diese Beziehungsverän<strong>der</strong>ung<br />

die postmo<strong>der</strong>ne Kunst beeinflußte- und meiner Meinung nach<br />

gibt es gar keinen Zweifel über diese Beeinflussung- bleibt im Detail<br />

zu untersuchen. Aber keine Diskussion über Postmo<strong>der</strong>nismus<br />

kann es fertigbringen, irgend weiter die Implikationen einer<br />

Mo<strong>der</strong>nisierung <strong>der</strong> Dritte-Welt-Län<strong>der</strong> und ihrer Kultur zu ignorieren.<br />

Die beliebten Begriffe "Mo<strong>der</strong>nismus" und "Postmo<strong>der</strong>nismus"<br />

nehmen eine sehr verschiedene Bedeutung an, wenn man<br />

sie von einer Position aus betrachtet, welche die europäische Stil­<br />

Mo<strong>der</strong>nisierung privilegiert als eine gleichsam naturhafte Entwikklung,<br />

<strong>der</strong> die Welt zu folgen hätte, als wäre das <strong>der</strong> Perspektive<br />

früherer Kolonialisierung <strong>der</strong> Dritten Welt entgegengesetzt. Fälle<br />

dieses Punkts zeigen sich etwa an dem Weg, auf welchem Ruben<br />

Dario um 1890 gerade den Begriff des "mo<strong>der</strong>nismo" einsetzte mit<br />

Spuren-Alffiatz 6 33

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