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Terror der Zeichen Oder - Hochschule für bildende Künste Hamburg

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54<br />

Bildende Kunst<br />

Zwar ruhte- allen verständlich ­<br />

in <strong>der</strong> Karnevalszeit <strong>der</strong> .. Vorgang",<br />

von dem hierdie Rede ist.<br />

doch bald nach Aschermittwoch<br />

schritt man zur Tat. Am 17 . Februar<br />

hatte ein Gericht den<br />

Durchsuchungsbeschluß gefaßt,<br />

gestürmt wurde dann am<br />

19. März. Die Beschäftigten des<br />

Plakat- und Literaturvertriebs<br />

.. Discordia" nämlich hätten sich<br />

schuldig gemacht, .. indem sie<br />

Druckerzeugnisse herstellen,<br />

die bestimmt und geeignet sind,<br />

die Bundesrepublik Deutschland<br />

im Sinne des§ 90 StGB<br />

zur verunglimpfen, wobei sie<br />

u.a. Postkarten herstellen, auf<br />

denen die Bundesflagge mit einem<br />

Hakenkreuz versehen ist"<br />

(Gerichtsbeschluß). Das gefährliche<br />

Werk, eine Aachener<br />

Wandmalerei, war zwar schon<br />

im bürgerlich renommierten<br />

.. Kunstforurn" (50/1982). in einem<br />

Son<strong>der</strong>heft von .. Kunst und<br />

Unterricht" (1981), in einem<br />

Buch über Wandmalereien<br />

(1979) und einem Kunstkatalog<br />

( 1981) abgedruckt worden, und<br />

auch die .. Spuren" schließen<br />

sich jetzt an (s.Abb.). Doch das<br />

scherte we<strong>der</strong> das Gericht noch<br />

die Herren Baldrich (KHM),<br />

Taaks (KK). Becker (KK) und<br />

Wirtz (KK). die schließlich ihre<br />

Pflicht taten und gleich noch Reproduktionen<br />

von Arbeiten John<br />

Heartfields mitnahmen. Insgesamt<br />

kam eine stolze Liste zusammen:<br />

42 einzelne Postkarten.<br />

2 Magazine <strong>für</strong> Kunst und<br />

Kultur, 1 Preisverzeichnis, 4<br />

Päckchen Postkarten, 2 Klar-<br />

sichthüllen mit gehefteten Postkarten.<br />

7 Negativfolien und ein<br />

(grüner) Karton mit Negativen<br />

und Positiven ... Versehentlich"<br />

nahmen die Beamten auch noch<br />

ein privates Schlüsselbund an<br />

sich (wohl um beim nächsten<br />

Einsatz nicht mehr den<br />

Schlüsseldienst bemühen zu<br />

müssen). Da<strong>für</strong> vergaßen sie jedoch,<br />

eine Nachricht über vollstreckte<br />

Durchsuchung zu hinterlassen.<br />

Was man den Herren<br />

auch nicht nachtragen sollte;<br />

scheint man in Köln doch mit <strong>der</strong><br />

Produktion falscher Nachrichten<br />

<strong>der</strong>art beschäftigt zu sein,<br />

daß man zu richtigen die Zeit<br />

nicht mehr f indet.<br />

Insofern ist doch alles klar.<br />

Nur eins ist verwun<strong>der</strong>lich : daß<br />

sich die Leute von .. Discordia"<br />

Verlag Köln. dem Westdeutschen<br />

Rundfunk und <strong>der</strong> Bavaria<br />

Atelier Gesellschaft, die die<br />

gleichnamige Filmreihe <strong>für</strong> das<br />

ARD- Programm produzierte.<br />

Kein Zweifel, dies ist eine informative<br />

und erhellende Dokumentation,<br />

die umsichtige Museumsleute<br />

hier aufgebaut haben,<br />

eine gute Gelegenheit zu ­<br />

dem <strong>für</strong> ein Gespräch zwischen<br />

den Generationen. das auch tatsächlich<br />

stattfindet. Daß Alltag<br />

und Arbeit, Kultur und Kunst zu ­<br />

sammengehören - hier wird es<br />

multimedial erfahrbar. Die Brükke<br />

von <strong>der</strong> Vergangenheit um die<br />

Jahrhun<strong>der</strong>twende bis zur Gegenwart<br />

heute stellt sich in den<br />

Köpfen <strong>der</strong> Besucher her. Das<br />

geschafft zu haben. halte ich <strong>für</strong><br />

eine große Leistung <strong>der</strong> Ausstellungsmacher.<br />

Sie haben den<br />

Museumsbesuchern des Ruhrgebiets<br />

anschaulich deutlich gemacht,<br />

in welcher Tradition sie<br />

stehen, und es ist schon spannend<br />

mitanzuhören, wie beim<br />

Rundgang von harter Arbeit, von<br />

Knochenarbeit gezeichnete<br />

Männer ihren Enkeln erklären,<br />

wo und wie sie einmal gearbeitet<br />

und gelebt haben.<br />

So weit, so gut. Sehr gut sogar.<br />

Aber dann kommt das Manko.<br />

Die Chance nämlich, eine<br />

solch lebendige und erlebnisreiche<br />

Ausstellung im eigenen<br />

Haus thematisch sozusagen zu<br />

verlängern, das Interesse <strong>der</strong> Besucher<br />

von <strong>der</strong> .. Roten Erde" nun<br />

auch zu einem an<strong>der</strong>en Stoff,<br />

zum Kunststoff und seinen diversen<br />

Spielarten zu lenken -<br />

diese Chance haben die Folkwang-<br />

Leute nicht genutzt, obwohl<br />

Exponate <strong>der</strong> Ruhrland­<br />

Museum-Schau bis unmittelbar<br />

an den großen Raum heranreijetzt<br />

allen Ernstes darüber wun<strong>der</strong>n.<br />

..Es bleibt ein Rätsel",<br />

schreiben sie in einer Presseerklärung,<br />

.. wie international bekannte<br />

Kunstwerke, die rund 50<br />

Jahre alt sind, die Bundesrepublik<br />

Deutschland verunglimpfen<br />

können." So rätselhaft ist das<br />

doch gar nicht. Richten sich die<br />

beschlagnahmten Arbeiten etwa<br />

nicht gegen den Polizeistaat?<br />

Hat <strong>der</strong> in Deutschland etwa<br />

nicht etwas Zeitloses? Vor ihm<br />

sind 50 Jahre wie ein Tag, und<br />

dies erneut demonstriert zu haben<br />

bleibt- wirwie<strong>der</strong>holen esdas<br />

Verdienst des Gerichts und<br />

genannter Herren. Also, noch<br />

einmal : Hut ab vor den Kölner<br />

Diensten.<br />

Hans-Joachim Lenger<br />

Plastik - Der Stoff aus dem<br />

~er Alltag ist<br />

Uber eine Ausstellung im<br />

Folkwang-Museum in Essen<br />

Daß das Ruhrgebiet im Bewußtsein kulturell interessierter<br />

Zeitgenossen mehr ist als "Pütt" und ,.Maloche",<br />

Kohle und Stahl, dazu hat nicht zuletzt <strong>der</strong> gute<br />

Ruf des Folkwang-Museums in Essen beigetragen.<br />

Im Kunst- und Museumsbetrieb unserer Tage ist das<br />

privatem Mäzenenturn zu verdankende Institut eine<br />

erstklassige Adresse. Sein Schwerpunkt: Kunst <strong>der</strong><br />

klassischen Mo<strong>der</strong>ne mit Spitzenwerken von Renoir,<br />

Gauguin, van Gogh und Cezanne. Sein Auftrag: Aufgeschlossen<br />

zu sein <strong>für</strong> den Zeitgeist, d.h. Kunstwerke<br />

vom 19. Jahrhun<strong>der</strong>t bis zur Avantgarde zu sammeln<br />

und so die Sammlung kontinuierlich zu ergänzen.<br />

Zusammen mit dem Ruhrland-Museum präsentiert<br />

sich das Folkwang-Museum architektonisch als<br />

ein Ort. <strong>der</strong> alles an<strong>der</strong>e als ein überkommener<br />

Kunst-Tempel mit <strong>der</strong> berühmt-berüchtigten Hemmschwelle<br />

ist, vielmehr ist dieses Museum wirklich im<br />

guten Sinne ein Informations- und Kommunikationszentrum,<br />

was ohne Zweifel auch auf die regelmäßigen<br />

Wechselausstellungen zurückzuführen ist.<br />

Ich kann mich nicht erinnern, an<br />

einem gewöhnlichen Sonntag<br />

ein Museum so lebendig, so<br />

bunt, so von interessierten Besu ­<br />

chern bevölkert gesehen zu ha ­<br />

ben. Und das bei Eintrittspreisen<br />

von drei Mark <strong>für</strong> Erwachsene<br />

und einer Mark <strong>für</strong> Kin<strong>der</strong>, Studenten<br />

und Rentner. An<strong>der</strong>swo<br />

herrscht- bei Nulltarif - oft genug<br />

öde Langeweile. Mein erster<br />

Eindruck also : äußerst positiv.<br />

Lei<strong>der</strong> sollte es nicht so bleiben.<br />

Aber <strong>der</strong> Reihe nach.<br />

Ich ordne mich in den Besu -<br />

cherstrom ein, merke aber bald,<br />

daß die Schlange nicht die Ausstellung<br />

.. Kunststoff-Objekte<br />

1860-1 960" zum Ziel hat. <strong>der</strong>etwegen<br />

ich nach Essen gekommen<br />

bin, auch nicht in erster<br />

Linie die ständige Sammlung<br />

mo<strong>der</strong>ner Kunst des Folkwang­<br />

Museums. son<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Andrang<br />

gilt <strong>der</strong> Son<strong>der</strong>ausstellung .. Rote<br />

Erde/ Bil<strong>der</strong> und Räume zum<br />

Bergarbeiterleben an <strong>der</strong> Ruhr<br />

um 1900", eine Ausstellung des<br />

Ruhrland-MuseumsEssen in Zusammenarbeit<br />

mit dem Prometh<br />

chen, in <strong>der</strong> die Sammlung<br />

Kölsch .. Kunststoff-Objekte<br />

1860-1 960" aufgebaut ist.<br />

Eben noch in IebendigerVergangenheit<br />

stehend und aus ihr<br />

heraus die Gegenwart mit ihren<br />

Unzulänglichkeiten, aber auch<br />

ihrem Fortschritt begreifend,<br />

betritt man nun einen .. Friedhof".<br />

Aus dem Zusammenhang<br />

ihres Zweckes herausgerissen,<br />

wohlgeordnet in Reih' und Glied,<br />

unsinnlich verschanzt hinter<br />

Glasvitrinen darf man bekannte<br />

und vertraute Gegenstände aus<br />

dem Alltag <strong>der</strong> letzten hun<strong>der</strong>t<br />

Jahre besichtigen. die Ursula<br />

und Hans Ulrich Kölsch mit wahrer<br />

Sammlerwut zusammengetragen<br />

haben. Es sind vielfach<br />

Gegenstände. die wir auch heute<br />

noch, wenn auch in an<strong>der</strong>em Design,<br />

benutzen. Gemeinsamer<br />

Nenner aller Exponate : ihr Material<br />

ist Kunststoff, Celluloid,<br />

Kunsthorn, Phenoplast. Bakelit,<br />

Aminoplast. Malamin, Plexi, Termoplast.<br />

Duroplast - um nur einige<br />

Namen zu nennen. Was hat<br />

man damit und daraus nichtalles<br />

gemacht! Wußten Sie schon,<br />

daß beispielsweise aus Celluloid<br />

blumenverzierte Gebetbuchumschläge,<br />

Kruzifixe und Heiligenfiguren<br />

gepreßt wurden? Daß<br />

sich <strong>der</strong> Geschäftsmann <strong>der</strong><br />

Grün<strong>der</strong>jahre mit einer repräsentativen<br />

Schreibtisch-Garnitur<br />

aus schwarzem Ebonit ins<br />

rechte Licht setzte? Daß sich die<br />

Elektroindustrie den neuen chemischen<br />

Werkstoff früh zunutze<br />

machte und ihn u.a. <strong>für</strong> Lampen,<br />

Staubsauger, Haarfön-Sets und<br />

Radioempfänger verwendete?<br />

Nicht zu reden von Töpfen. Kästchen<br />

und Dosen, wie sie immer<br />

wie<strong>der</strong> im Haushalt gebraucht<br />

werden, damals so gut wie heu-

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